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Kraftwerk

Tour De France Soundtracks

EMI

Reden wir zur Abwechslung mal über die Musik nach Zahlen plus Random-Faktoren von Kraftwerk. Mittlerweile knallen die »Tour De France Soundtracks« ja auch böllernd aus diversen Generation Golf-Fahrzeugen der oberen Mittelklasse. Klarer Fall von Missverständnis oder doch finales Ergebnis der eigentlichen Wertung von »Deutschland sucht den Superstar«? Oder sind Kraftwerk nun ohne wenn und aber zum nationalen Identitätsstiftungs-Hype verkommen? Dagegen sprechen jetzt aber nicht nur die französichen Farben und Titel auf der CD. Obwohl die Erfolgsgeschichte Kraftwerk natürlich in einem sozialdemokratisch-neoliberalistischen Atemzug mit Dieter Bohlen und Nena genannt werden kann. Nur, wer tut das schon? Eben! Die, die es tun halten Techno ja sowieso für eine rein deutsche Erfindung (wie etwa Hitzler/Pfadenhauer im edition suhrkamp-Sammelband »Popvisionen«) mit Kraftwerk als Überpapis. Wobei hier natürlich immer wieder Kraftwerks eigener transkontinentaler Diskurs mit James Brown, Stooges, MC5, Velvet Underground, Parliament/Funkadelic übersehen bzw. vergessen wird (nachzulesen in legendären »Kraftwerkfeature« von Lester Bangs aus 1975). Das muss hier auch deshalb zum x-ten Mal erwähnt werden, weil Kraftwerk dadurch einen Weg beschritten, der, ganz im Sinne von Kodwo Eshun, die Musik der Zukunft eben nicht als »beatfrei« definierte. Was jemanden wie den Siriusgeborenen Stockhausen (auch ganz im Gegensatz zu Saturngeborenen Sun Ra) immer mehr in ätherische, gänzlich weltfremde Esoteriksphären gleiten ließ (eben das Fehlen von Beats, Rhythmen, Grooves), öffnete qua Kraftwerk genau jene Sternentore/Wurmlöcher durch die elektronische Futuremusic wie HipHop/Electro, Techno/House (in den USA und als Underground-Phänomen und eingedenk der Tatsache, dass in den 1970ern bei Kraftwerk-Konzerten in den USA das Publikum zu über 70 Prozent aus AfroamerikanerInnen bestand) erst möglich wurde. Aber klar: 2003 ist gerade ein Band/eine Institution wie Kraftwerk null sicher vor jeder Menge falscher Freunde. Und was machen die selbsternannten »Musikarbeiter«? Die klopfen sich als weltweit bekannteste und einflussreichste Band aus Deutschland täglich mindestens einmal auf die Schultern und lachen sich eines. Sonst interessieren sie sich ja bekanntlich vor allem für Transportmedien wie Autobahnen, Züge, Radios, Computer, Spacelabs und eben Fahrräder. Wobei der Kontrast/Gegensatz/Diskurs von/zwischen den realen physischen Anstrengungen des Fahrradfahren (plus der damit verbundenen Produktion bestimmter körpereigener Substanzen) und Kraftwerks virtuellen Soundwelten plus der Mensch-Maschinen-Ideologie wohl noch ausbaufähig wäre. Ansonsten kling-klangt es (mit ungewöhnlich viel herausgefilterten Echo/Hall-Räumen) wie zwischen Berlin (Basic Channel, Rhythm & Sound), Köln (Mike Ink/Wolfgang Voigt, Kompakt – »Aéro Dynamik« erscheint gar als eine Art Weiterführung von »Life’s A Gas«) sowie Detroit und Chicago erradelt und bei »??tape 1 – 3« gleich im hauseigenen Re/Mix generiert. Was nicht wirklich neu klingt, aber legitim ist und zudem okaye Nachfolger im aktuellen Musikspeicher vermuten lässt.

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