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Chico Freeman

»The Arrival«

Intakt Records

Sehr stringent werkelt man beim Schweizer Label Intakt Records dahin. Es gibt eine mittlerweile hübsch angewachsene Familie von Interpreten, allesamt international renommiert, etwa Aki Takase, Alexander Schlippenbach, Oliver Lake, Fred Frith oder Mary Halvorson, um nur ein paar Namen zu nennen, die nicht selten zusammen mit großartigen Schweizer MusikerInnen spielen, etwa Iréne Schweizer, Omri Ziegele, Christoph Irniger oder Heiri Känzig, um erneut nur ein paar Namen zu nennen. Fast jeder derart entstandene Tonträger zeichnet sich durch eine konzentrierte Qualität aus, die man fast schon als »handverlesen« bezeichnen könnte, und zugleich, obwohl wir uns hier im Zentrum des »Four-Letter-Word Jazz« befinden, glänzen die meisten CDs durch zumindest einen Hauch Modernität. Oder sagen wir es so: anders als bei vielen ähnlich ausgerichteten Labels, hat man bei Intakt Records stets das Gefühl, einen Jazz zu hören, der noch etwas von der Gegenwart will, der auch heute noch eine gewisse Gültigkeit für sich beansprucht.

Das ist bei der vorliegenden CD nicht anders. Mit der Paarung Chico Freeman und Heiri Känzig treffen sich hier ein Stück amerikanische Jazzgeschichte, die immerhin zurückreicht bis zu Richard Muhal Abrams und das AACM-Ensemble, und ein Stück europäische Jazzgeschichte, bloß um ein paar Jahre zeitversetzt. Känzig, der über 130 Tonträger eingespielt und eine schier endlose Kollaborationsliste vorzuweisen hat, ist bekannt für seinen singenden, pointierten Bass, der stets federnd und lässig groovig bleibt, ein Hörgenuss bei jedem Anschlag also. Freeman wiederum spielt sein Tenor- saxophon mit einer unaufgeregten Altersmilde, zärtlich und mit dezenter Autorität zugleich. Dass sich daraus ein Duett von betörender Schönheit ergibt, ist eigentlich gar nicht so selbstverständlich. Es hätte auch belangloser Wohlfühljazz werden können, denn Alter schützt bekanntlich nicht vor Sentimentalität. Aber das ist hier nicht der Fall. Warum eigentlich?

Gar nicht so leicht zu sagen, in tonaler Hinsicht wird hier nichts neu gedeutet, im Gegenteil, die mühelose Eingängigkeit der Stücke ist beinahe schon wellnessverdächtig. Aber sie entsteht durch eine Fokussierung auf das Wesentliche, durch ein fast schon meditatives Zusammenfinden, durch ein Verweilen im Schönen, bei dem stets das Gewusst-wie jeder gespielter Note mitschwingt. Man ist vom ersten Takt an ganz nahe bei den beiden Herren, hört einen intimen Jazz, der weniger gespielt, als eben einfach gelebt wird. Daraus entsteht dieses »and there is this magic«, von dem Peter Rüedi in den Linernotes spricht. Und ist es nicht diese sich in keiner Notation festhaltbare, im Grunde außermusikalische Qualität, die Musik erst zu Musik macht?

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