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Tanz den Mussolini – Wider die destruktiven Todesanbeter in Paris

Musik erzeugt eine lebendige, antidestruktive Kraft, die »Reinheitsfanatiker« und destruktive Spielverderber fürchten. Sogar wenn die Band Eagles of Death Metal heißt. Das musste in Paris in einer Konzerthalle bestraft werden.

Ein mörderischer Angriff auf das Pariser Bataclan-Theater, bei dem an die 100 KonzertbesucherInnen ihr Leben lassen müssen. Wer hätte das gedacht? Doch nachdem in Wien ein afghanischer Jugend- licher im AMS-Kurs einen ebenfalls afghanischen Musiker erstochen hat, weil der Prophet Mohammed angeblich keine Musik mochte, konnte man sich schon vorstellen, dass es manche Menschen gibt, die – warum auch immer – nicht nur Karikaturen, sondern auch Musik tödlich ernst nehmen. Was für mörderisch ernste Spielverderber sind das denn?

Musik ist eben gegen das Destruktive bzw. kann es herausholen, isolieren und von allen Seiten betrachten, wie ein boshaftes Juwel, das in allen Facetten leuchtet. Wie im Punk zum Beispiel. Und jetzt »Tanzen wir den Mussolini«, den alten Hit, den man mit einem Lächeln im Gesicht pogotanzend verwirklichen konnte. Auf Mussolini und all’ diesen Faschisten herumhüpfen sozusagen. Ihnen auf der Nase herumtanzen und auch die eigene Angst in einem Anfall von Euphorie in den Griff kriegen.


»Black. I am black«
(Miles Davis)

Die Anspielungen der US-Rockband auf den Tod sind ironisch gemeint. Eine Ûberwindung, Bearbeitung des Todesthemas gelingt nicht immer. Die einzigen »Darkerji«, die slowenischen Grufties, die ich kannte, hatten ihre Disko oben auf dem Neboticnik – dem Wolkenkratzer – in Ljubljana. Mehrmals stürzten sich schwarz gekleidete Jugendliche nach nächtlichem Durchtanzen in der Früh von dem ältesten Hochhaus der Hauptstadt der damaligen slowenischen Teilrepublik Jugoslawiens in den Tod. Der Klub musste geschlossen werden. Todesfaszination und Todesliebe – ich bin dagegen. Auch musikalisch.

»Der Hunger hat uns gerettet«, sagte Milena Rekić von der Tiroler Vorband White Miles (Anm.: was für ein Name!), die die Konzerthalle des Bataclan-Theaters verließ, um sich Fastfood zu holen. Der Hunger, ein Lebenszeichen, der ihr und dem Schlagzeuger das Leben rettete. Als Hauptact hatten gestern die amerikanischen Eagles of Death Metal gespielt. Wenn man seine Wut nicht artikulieren kann, das dumpfe Brüten in Hass umschlägt, sich in eruptiven Aktionen Luft macht, wird es gefährlich. Deswegen war ich so enttäuscht, als bekannt wurde, dass sich deutsche und britische HipHoper unter den Mördern des Islamischen Staates befinden. Musiker, die sich doch eigentlich artikulieren, ihre Wut in Worte fassen können. Auch in Frankreich gibt es viele tolle Rapper, die doch eigentlich immun sein sollten gegen Killerwünsche.

Die, die in aussichtslosen Situationen wie im Gaza-Streifen oder in Flüchtlingslagern in der Wüste leben müssen, sind es gar nicht, die Anschläge verüben. Sondern die, die noch Kraft haben, sich zu empören, die über finanzielle Mittel für Logistik und Waffenausbildung verfügen. Oft verwöhnte Söhne aus gutem Haus, die glauben, sie dürften ihren Hass ausleben – als Herren der Welt »zurück- schlagen«. Giftspritzen, Spielverderber, Killer. Die es stört, wenn sich andere amüsieren, während »ihre Brüder« leiden, auch wenn sie selber oft gar nicht persönlich von den Luftangriffen auf Syrien bzw. das Gebiet des Islamischen Staates betroffen sind.
Die ihr eigenes Leben dahingeben, verschwenden, das kurze einzige Leben, das jeder von uns hat.

Gott flüchtet vor uns

Der junge Afghane in Wien erhielt gerade zwölf Jahre Haft. Angeblich mochte der Prophet Mohammed keine Musik. Doch wer weiß das schon? Die Musik der himmlischen Sphären, der Strato- und der Atmosphäre, die Winde, das Rauschen des Meeres – das wird er wohl gehört haben. Die Klänge des Weltalls. »Gott versteckt sich vor uns«, schrieb Elias Canetti.

Als Antwort auf die Anschläge in Paris vom 13. November 2015 können wir nur das Leben feiern und dafür sorgen, dass das möglichst viele Menschen ebenfalls tun können, wie z. B. diese armen syrischen Flüchtlinge, die gerade auf der Flucht vor diesen destruktiven Todesanbetern Österreich queren. Und versuchen, die alten Wunden des Kolonialismus, des Nationalsozialismus und des Faschismus zu bearbeiten, damit möglichst viele Menschen immun werden gegen eine Einteilung der Welt in »Herren«- und »Unter«-menschen, deren Leben angeblich nichts zählt. Bei wem und warum auch immer.

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»Peace for Paris«; Jean Jullien

Home / Kultur / Open Spaces

Text
Kerstin Kellermann

Veröffentlichung
14.11.2015

Schlagwörter

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