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Sich in Dalís Bildern verlieren

Am Bodensee zeigt gerade ein anonymer Sammler seine Salvador-Dalí-Bilder her. Viel Unbekanntes dabei. Die Surrealisten glaubten zwar nicht, dass Dalís »Hitler Rausch« unpolitisch sei, doch gab es empörte Reaktionen gegen ihn.

Elefanten auf Spinnenbeinen, brennende Giraffen, hängende, weiche Uhren – jeder hat ein paar Salvador-Dalí-Erfindungen im Kopf, doch in dieser Ausstellung gibt es noch viel mehr zu sehen. Bilder voller Überraschungen, die nicht so öffentlich bekannt sind. In dem Städtchen Überlingen am Bodensee zeigt gerade ein anonymer Sammler aus Fulda, der schon im Alter von fünfzehn Jahren von Dalí begeistert war, seine Lithografien-Sammlung her. Dalí erzeugte für ihn eine große, fette Menorah, die wie aus Lehm gefertigt aussieht, die ebenfalls in den dekorativen Räumen voller Stuck und Rosa steht. Man sollte denken, Rosa schlägt sich mit Dalí, es geht aber – man vergisst die barocke Attitüde irgendwann.

Auge in Auge mit Dalís Bilderfindungen zu stehen, ist ein eigentümliches Gefühl. Man kann sich in den Bildern verlieren. Jesus schwebt am Rücken liegend auf seinem Kreuz vorbei, quer in der Luft hängen die Holzbalken. Jesus fliegt Richtung Universum. Völlig entspannt mitten im schwarzen Himmel. Ein milde blickendes Rhinozeros aus Bronze von 1956, mit einem goldenen Seeigel darauf, steht auf einem Podest. Irgendwo ergibt sich auf den ausführlichen Wandtafeln die Information, dass Dalí mit Amanda Lear um die Häuser zog und das Anwesen seiner Frau Gaia in dieser Zeit nur mit schriftlicher Genehmigung betreten durfte. Diese Sonderschau mit ihrer speziellen Zusammenstellung ist nur hier zu sehen, sie wird auch nicht wandern. Hier in Überlingen in der Städtischen Galerie. 400 Exponate noch bis 11. November 2018.

Salvador Dalí: »Die Beständigkeit der Erinnerung« (»Weiche Uhren«), Farbserigrafie auf Baumwollwebteppich um 1970 nach dem Gemälde von 1931.

Secret Dalí Life
Das Dalí-Museum in Figueres, das Dalí ab 1970 selbst erbaute, ist natürlich viel verrückter. Besitzt auch riesige Installationen, die nicht so brav hinter Glas und eingerahmt sind wie die Lithografien hier in Überlingen. (1984 war ich in Figueres und laut meiner Mutter schauten Salvador Dalí und sein Schnurrbart selbst zu einer Türe hinaus. Der Maler machte die Türe aber schnell wieder zu, weil ich gerade meiner Mutter Vorhaltungen machte. Ein Umstand, der mir bis heute vorgehalten wird.)

Hinter den schwarzen Jalousien glitzert der Bodensee in der Sonne. Vor der Türe legen Schiffe an. Vom eingleisigen Bahnhof her geht man durch tiefe Gräben, in denen ein Bach fließt. Skelette schauen aus einem Skelettkopf, »Das Gesicht des Krieges« von 1940/41 ist heftig. Bei Dalí ist alles dreidimensional gedacht, seine angeblichen Traumlandschaften sind legendär. 1943 kaufte der US-Amerikaner Albert Reynolds Morse sein erstes Dalí-Bild. Dalí flüchtete nämlich vor den Bomben auf Spanien nach New York, wo er bei seiner Freundin Caresse Crosby, der Erfinderin des Büstenhalters, lebte. Seine Autobiografie »The Secret Life of Salvador Dalí« erschien 1942. Richtung Ausgang gibt es eine lebensgroße Dalí-Figur, die die Künstlerin Lisa Büscher speziell für Überlingen erschuf.

Salvador Dalí: »Schubladenfrau – Der anthropomorphe Kabinettschrank«, Bronze nach einem Gemälde von 1936, gegossen 1982.

Der große Paranoiker
Morgendliche Verknöcherung einer Zypresse, Lithographie nach einem Gemälde von 1934, Spiegeleier auf dem Teller ohne Teller aus 1932 – das Spiegelei hängt an einem Faden in der Luft, ähnlich einer Spinne. Von Mond und Sonnenuntergang beleuchteter Philosoph, Lithografie nach einem Gemälde von 1939 – inklusive fliegenden, glänzenden Kratern und einem deutschen Schäferhund. Man kann sich gar nicht satt sehen. Untersicht und Schlagschatten. Kosmische Ungeheuer der Apokalypse als Symbole des nahenden Unheils: Die durch die Nacht tastende Schubladenfrau. Der große Paranoiker. Am Schlimmsten: Der große Menschenkörper mit überlangen Armen und Beinen, die sich gegenseitig im Wahn würgen. Mit dabei: Katalanische Bohnen, als Symbol für Hungersnot und Krieg.

Die Surrealisten glaubten zwar nicht, dass Dalís »Hitler Rausch« unpolitisch sei, doch gab es empörte Reaktionen gegen ihn. »Ich war fasziniert von Hitlers weichem und fleischigem Rücken, der immer so prall in seine Uniform geschnürt war«, verteidigte sich Dalí. »So oft ich begann, den Lederriemen zu malen, der sich von seinem Gürtel schräg über die Schulter zog, versetzte die Weichheit dieses unter dem Waffenrock komprimierten Hitlerfleisches mich in eine schmack-, nahr- und wagnerhafte Ekstase, die mein Herz heftig schlagen ließ, eine höchst seltene Erregung, die ich nicht einmal beim Liebesakt empfand.« Dalí sah Hitler nämlich als »echten Masochisten, der von der fixen Idee besessen war, einen Krieg vom Zaun zu brechen, um ihn dann heroisch zu verlieren.«*

*Robert Descharnes, Gilles Neret: »Salvador Dalí. 1904–1989. Das malerische Werk.« Taschen, Bibliotheca Universalis.

Salvador Dalí: »Space Elephant«, Bronze mit grün-schwarzer Patina und aufgesetztem Obelisken aus Plexiglas auf Marmor-Sockel, 1980.
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