Die Wienwahl, herrlich! Wien ist überhaupt eine schöne Stadt und vielleicht sogar die lebenswerteste der Welt. Behauptet zumindest ein großer Unternehmensberatungskonzern, der dies jährlich »erforscht«, insbesondere im Hinblick auf das Wohlergehen von Manager*innen. Warum die Wiener SPÖ, die nominell eine sozialdemokratische Kraft sein will, sich das Ergebnis eines US-Unternehmens, das im Geschäft betrieblicher Altersvorsorge und Human Capital agiert, gerne auf die Fahnen schreibt, ist so eine dieser Kuriositäten, die kaum noch wem auffällt. skug natürlich schon und unseren lieben Kolleg*innen von BAM! Bündnis alternativer Medien ebenso, weshalb wir uns am Sonntag, dem 11. Oktober ab 16:00 Uhr im Wiener Fluc gemeinsam und genüsslich das Wahlergebnis anschauen und kritisch kommentieren werden. Zu diesem Behufe drehen wir die »Glotze« auf, verfolgen die Hochrechnungen auf der großen Leinwand und lauschen den werten Worten unsere Volksvertreter*innen. Sollte plötzlich ein gewisser Peter Filzkugel auf dem Bildschirm erscheinen, dann drehen wir etwas leiser, weil wir seine rein strategischen Einschätzungen eh schon im Schlaf runterbeten können, und geben frech unsere eigenen, BAM!-haften. Zudem ergänzen wir den Staatsfunk-Feed mit Ergebnissen aus den Bezirken und sonstigen Beobachtungen aus dem Web, um ein runderes Bild zu erlangen. Schließlich finden viele wichtige Kämpfe um linke, emanzipatorische und neue Politik in den Niederungen der Bezirkswahlen statt und diese werden geflissentlich, und demokratiepolitisch höchst bedenklich, von den »großen« Medien übersehen. Das Wichtige an diesem Abend soll aber die gemeinsame Prävention einer Herbstdepression sein, die den einen oder die andere zu Hause, allein mit der Wahlberichterstattung im Internetz/TV vielleicht überkommen könnten. Das hat beim letzten BAM!-Wahlspecial im September 2019 auch bereits ganz gut geklappt. Diesmal wird es nur ein kleines bisschen kniffliger, weil wir eben die Covid-Bestimmungen erfüllen müssen und werden.
Was gibt’s zur Wahl?
Eine richtige Mitmach-Party sind die Wahlen in Wien leider nicht, denn viele Bürger*innen (beinahe 30 % der Bewohner*innen Wiens) sind ausgeschlossen. Wir haben es gewagt, diesen Missstand bereits bei der Nationalratswahl 2019 anzumerken, und werden diesmal in unsere Wahlvorberichterstattung einen weiteren Artikel zu diesem Thema bringen. Am Wahlabend werden wir die Ergebnisse der diesjährigen Pass-Egal-Wahl live bekanntgeben und gemeinsam mit den Aktivist*innen von SOS-Mitmensch diskutieren, die auch Nicht-Österreicher*innen aus Wien zur Wahl einladen. Ein Statement der Initiative Wahlwexel versuchen wir ebenso einzuholen. Dass eines Tages die unfairen Hürden bei den Wahlen in Österreich beseitigt sein werden, muss im Grunde ein gemeinsames Ziel aller politischer Akteur*innen sein, wenn diese nicht in den Ruch kommen wollen, die Hürden zum eigenen Vorteil beibehalten zu wollen. Und so schlecht werden wir ja nicht denken wollen von den im Wiener Gemeinderat vertretenen Parteien. Tatsächlich findet sich auch Zustimmung zur Ausweitung der Wahl in fast allen Fraktionen. (In der – richtig geraten! – FPÖ natürlich nicht.) »Doch die Verhältnisse, die sind nicht so« und deswegen müssen leider die formalen Hürden weiterhin als unüberwindlich gelten.
Wer glaubt, der Wahlabend könnte spannend »wie ein Krimi« werden, kennt die Stadt nicht. Wien wird seit dem zweiten Weltkrieg ununterbrochen von der SPÖ regiert. Die macht das so »naja eh« und hat keine ernstzunehmende Opposition, weil die anderen Parteien bestenfalls am Spielfeldrand stehen. Auch dies ist demokratiepolitisch höchst bedenklich. Es reichen aber fünf Sekunden Soundbite des bürgerlichen Spitzenkandidaten Gernot Blümel, damit sich denkende und empfindende Menschen augenblicklich auf den Schoß von Bürgermeister Michael Ludwig wünschen: »Mach den bösen Mann weg, Bürgermasta!« Denn die türkise, »neue« ÖVP fährt längst einen rechtsradikalen Ausgrenzungs- und Hasskurs, der sie den beiden »Originalen« FPÖ und H.C.-Strache-Wahlverein »Ibiza Forever!« sehr ähnlich macht. Vorschläge inklusive, die aus dem Vollsuff einer Burschenschafterbude stammen könnten, wie etwa verpflichtenden Nikolo-Feiern (wegen »unserer« Kultur – you know).
Eine linke Opposition hat in Wien keine parlamentarische Vertretung. Es gibt zwei weitere bürgerliche Parteien, die sich die hippen Farben grün und pink gegeben haben und die am grundsätzlichen Kurs der SPÖ nix auszusetzen finden. Man kritisiert ein bisschen was aus wirtschaftsnaher Controlling-Sicht (pinke NEOS) oder macht Öko-Randbemerkungen (grüne Grüne). Da die Grünen seit Langem mitregieren, konnten sie ein paar Impulse einbringen, von denen man nicht den Eindruck haben muss, die SPÖ hätte sie nicht auch irgendwann von sich aus eingeplant (Fußgängerzone und gewisse modische »Nachhaltigkeitsversprechen«). Alle Parteien im Wiener Stadtrat vereint der Schwur auf neoliberale Prinzipien, so wird das Austeritätsdiktat niemals in Frage gestellt, erhält halt bei pink, rot und grün gewisse leichte soziale Abmilderungen. Im Grunde arbeiten sie alle nur für »unsere« Wiener Wirtschaft. Für die Grünen ist dies eine enorme Blamage und belegt, neben der noch tausendfach blamableren Regierungsbeteiligung im Bund mit den Türkisen, dass die Umweltbewegung weitgehend gescheitert ist. Wenn es nicht einmal heute, innerhalb der Covid-Krise, die schwerwiegender ist als alles, was die Bürger*innen in Österreich innerhalb ihrer Lebenspanne erlebt haben, möglich ist, tiefgreifende ökologische, ökonomische und soziale Reformen durchzuführen, dann darf man gerne ein bisschen schwarzsehen. Was bleibt, ist Runterverwalten und Hoffen auf Licht am Ende des Tunnels. Mal sehen, woher das dann kommt. Es gibt darüber hinaus immer wieder linke Initiativen, die dies aufbrechen wollen. Bislang blieben sie parlamentarische Spurenelemente in den Bezirksvertretungen, weil diese keine unfaire und nahezu unüberwindliche 5 % Hürde haben. Sollte sich dies 2020 ändern, dann wäre dies tatsächlich ein unerwartetes Tunnellicht. Übermäßig wahrscheinlich ist dies leider nicht. Wir werden zumindest am Wahlabend einen genaueren Blick auf die Rennen der »Kleinen« werfen.
Und jetzt Musik!
Wer bei diesen Wahlaussichten meint, dass sich das alles ein bisschen wie ein Tritt ins Häuferl anfühlt, den oder die möchten wir ermahnen, mit dem Hinweis, dass demokratische Prozesse langwierig und schwierig sind und eben einen langen Atem erfordern. Die passende Musik zu dem Gefühl liefern wir dennoch, und zwar mit dem Auftritt der ganz ungewöhnlich superen (Wahl-)Wiener Band Soda & Gomorra. Alfred Pranzl hat sie 2019 anlässlich ihrer Album-Releases interviewt und ihr Musikvideo zu »Hundescheiße« feierte unlängst bei skug Premiere. Wenn man einen Song besser machen kann als diesen, dann wüssten wir bei skug nicht wie. Live zumindest entfaltet die Band eine Wucht, die alle Beteiligten mit den Rücken an die Wand bläst und das trotz Corona-Bestuhlung.
Damit wir an dem Abend nicht im Testosteron ertrinken, bitten wir auch die Linzer Frauen-Band Musheen auf unsere Bühne. Habe-die-Ehre, das haut rein. Kräftiges Gitarren-Geklimper, Bassläufe aus dem Hyperthalamus und dazu wird geil gekeift. Warum hat man eine Sekunde seines Lebens mit John Dowland (dialektisches Gegenteil von Musheen) verschwendet? Ist das eigentlich Punk? Egal, es ist zumindest das, was wir diesen ganzen »Hoaschlöchern« zurufen wollen. Bei Musheen sind weitere Worte unnötig, wir verbleiben einfach mit tiefempfundener Dankbarkeit für diesen Sound! Soda & Gomorra mit Musheen sind zwei Konzerte, für die früher Kinder ihre Eltern im Internet verkauft hätten.
An den Turntables kommt es zum exquisiten Aufeinandertreffen von solch eigenwilligen Plattenaufleger*innentypen wie DJ Donald J, brrrnje, Crème brûlée und Gästen, damit niemand nachher behaupten kann, er oder sie würde sich noch auskennen. Dazu sind zahlreiche spontane Statements, Live-Schaltungen und Stegreiflesungen nicht ausgeschlossen, wie das eben so ist, auf einem Salon skug BAM!-Wahlspecial. Wir freuen uns auf euch!
Link: https://skug.at/e/salon-skug-bam-wahlspecial-soda-gomorra-musheen/