Wie genau man es in Norwegen mit der Pünktlichkeit nimmt, entzieht sich meiner Kenntnis – begonnen hat das für 20:00 Uhr angekündigte Konzert jedenfalls eine Stunde später. Das sollte sich allerdings als klug erweisen: Die Besucher*innen lassen nämlich ordentlich auf sich warten. Als Thulsa Doom dann jedoch ihren ersten Song anstimmen, füllt sich der Konzertsaal schlagartig. Voll wird er nicht – dafür sind die Norweger wohl nicht bekannt genug – aber eben gerade so, dass man sich frei bewegen kann, gute Sicht auf die Bühne hat und an der Bar nicht lange anstehen muss.
»See me rollin’«
Thulsa Doom ist eine fünfköpfige Band, die auf den ersten Eindruck verwirrt. Hier trifft jung (Fast Winston Doom alias Halvor Winsnes barfuß am Schlagzeug) auf ziemlich betagt (Doom Perignon alias Henning Solvang an der Gitarre und Angelov Doom alias Egil Hegerberg am Bass) und dazwischen liegt die Fraktion mittleren Alters (El Doom alias Ole Petter Andreassen an der Gitarre und Papa Doom alias Jacob Krogvold am Gesang). Passt das zusammen? Und wie! Schließlich hat sich die Besetzung seit 2003 nicht geändert. Seit 2001 sind vier Studioalben erschienen, das jüngste (»A Keen Eye for the Obvious«) im Februar 2018. Von diesem werden in der einstündigen Performance einige Stücke gespielt, darunter beispielsweise »Eloquent Profanity« und das besonders eindrucksvolle »Lady Nina« – Thin Lizzy lassen grüßen.
Dass die Band über ein enormes Ausmaß an Bühnenerfahrung samt dem erfolgreichen Miteinbeziehen des Publikums verfügt, soll an dieser Stelle hervorgehoben werden. Es scheint auch Thulsa Doom selbst ein Bedürfnis zu sein, den Besucher*innen mit ihrer Show im Gedächtnis zu bleiben. Dem Sänger gelingt das im letzten Drittel der Show, indem er von der Bühne springt und singend durchs Publikum wandert. Zwei Nummern lang singt er die Anwesenden auf Augenhöhe an, zieht mit seinem schier endlosen Mikrokabel seine Runden durch den Zuseher*innenbereich, gesellt sich zum Lichttechniker und findet schließlich seinen Weg zurück auf die Bühne.
Tatsächlich sind Thulsa Doom ein wertvoller Tipp für all jene, die sich nach Rock sehnen, der Substanz hat, jedoch nicht verstaubt ist. Und auch, wenn Bassist Angelov Doom dem Publikum erklärt: »Wir haben keine Verständnis von Deutsch … bitte können Sie mir helfen? Ich muss zum Bahnhof. Was machen wir hier? Wir kennen niemand!«, so wird doch recht schnell klar, dass die gespielte Musik derartige Barrieren eindrucksvoll überwindet.
Keith Moon reinkarniert?
Nach diesem prickelnden Auftakt betreten um Punkt 22:00 Uhr Spidergawd die Bühne. Interessant ist hierbei vor allem das Set-up der Instrumente. Das weit über dem Standard ausgerüstete Schlagzeug bildet mit seiner frontalen, mittigen Position das Herz des Bühnenbildes. Dass hier wohl Aufmerksamkeit auf den Schlagzeuger gerichtet werden soll, scheint offensichtlich. Wie sich bald herausstellt, ist das eine Entscheidung, die man niemals wieder in Frage stellen würde. Wenngleich es eine mutige Behauptung ist, sage ich: Kenneth Kapstad ist wohl einer der besten Schlagzeuger, die sich momentan da draußen so tummeln. Jedenfalls kann ich mich nicht erinnern, wann ich zum letzten Mal so beeindruckt von einem war. Imponiert haben auch die anderen Mitglieder Per Borten (Gitarre), Hallvard Gaardløs (Bass), Rolf Martin Snustad (Baritonsaxofon) und das neueste Mitglied an der Gitarre, dessen Name leider unverständlich war und auch nirgends aufscheint.
Das Besondere an Spidergawd ist zum Ersten die attraktive Mischung aus Heavy Metal, Hard- und Bluesrock, zum Zweiten die starke Schlagzeug- und Saxophonpräsenz und zum Dritten die Tatsache, dass alle vier Mitglieder um Rhythmusmaschine Kapstad wirklich talentierte Sänger sind. Das zeigt die Band auch nur zu gerne her: Bei fast jedem Song wird die Lead-Stimme weitergegeben, die anderen drei komplettierten den Sound mit ihren Backing-Vocals. Wie oft sieht man eine fünfköpfige Rockband, von der vier Mitglieder nicht nur wirklich anständig singen können, sondern das auch tatsächlich abwechselnd herzeigen? Für mich wäre es das erste Mal gewesen.
Spidergawd spielen sich laut und energetisch, aber dennoch elegant durch ihr Set aus Songs ihrer Alben »I« bis »V«. Gegen Ende bittet ein Fan lautstark um den Publikumsliebling »Is This Love…?«, was die Musiker sichtlich erfreut. Dennoch bittet Borten ehrfürchtig, zunächst noch einige andere Nummern spielen zu dürfen. Der Fan sollte jedoch nicht enttäuscht werden. Als Zugabe erinnert sich der Gitarrist an sein Versprechen: »Right, we need to play the song for this guy« heißt es, bevor jenes Stück angestimmt wird, das Borten für sein »wifey who you can meet at the merch stand« geschrieben hat. Es handelt sich dabei auch um den Song, in dem der Musiker mehr stimmliche Facetten preisgibt, als im vorausgegangenen Set. Nur da ist das Konzert bedauerlicherweise schon wieder vorbei.
Links:
http://www.duplexrecords.no/band/thulsa-doom
http://spidergawd.no