»Spacing nennt sich die künstlerische Taktik, sich im öffentlichen Raum Platz zu nehmen und zum Beispiel Parkplätze zu besetzen«, erzählt die deutsche Künstlerin Folke Köbberling, die derzeit in der Garage des Kunsthauses Wien ausstellt. Aus Sperrholz, das in ihrem Keller lag, baute sie mit ihrem Mann ein Auto und stellte es kurzerhand in den öffentlichen Raum. Ein Persiflage-Auto sozusagen. Noch dazu strich sie es komplett mit strahlend weißer Farbe an und stellte es 2009 in Berlin mitten in der ärgsten Graffiti-Gegend ab. Das Erstaunliche daran: Das Fake-Auto wurde weder gesprayt und getaggt, noch zerstört und kaputt gemacht, sondern blieb so edelweiß, wie es war. Künstler wissen eben andere Künstler zu schätzen. Köbberling stellte in ihrer Jugend mit Wolf Vostell aus, der ja Mercedesse oder Fernseherberge einbetonierte. »Wir haben Spacing schon einmal mit Bulldozer gemacht«, lacht Köbberling. »Wir haben die Idee, das Sperrholz-Auto noch einmal in den städtischen Raum zu stellen und zuzusehen, wie es sich zehn Jahre lang zersetzt.« Dazu wurde die Hundertwasser-Garage im Hof des Kunsthauses Wien mit goldenen Blumen und Keramikknöpfen bemalt, schlägt sich irgendwie mit Sperrholz, dekoriert aber auch den Rahmen.
Hochgedockter Audi
Folke Köbberling ist voll auf Autos fixiert. Vor einer Galerie in Genf bockte sie einen Audi auf. »Der Audi wurde hochgedockt, damit man sieht, wie aggressiv diese hochtechnisierten, futuristischen Scheinwerfer wirken, das hat etwas Prolliges, Ûberdimensioniertes an sich, ist aber Müll.« Der Titel der Ausstellung war übrigens »White Trash« – in Anlehnung an die Bezeichnung für weiße Proletarier in den USA. »Wir geben dem Auto eine Konnotation von Armsein«, lacht die flotte Köbberling noch und erklärt, dass das »Sport Utility Vehicle« (SUV) aus dem Militär kommt. »Durch die hochgestellten Räder landet man bei einem Zusammenstoß garantiert unter den Rädern. Ein niedriges Auto fährt über den Menschen. Die Ûberlebenschance für Unfallopfer bei SUVs ist daher gering.« Dann erzählt sie noch vom »Audi, in seinem überbordenden, alles überrollenden Charakter«. Ihr Sperrholz-Auto ist hingegen in seinen Holz-Einzelteilen skulptural ausgestellt.
Aus der Ausstellung »Abfallwert steigend«: Folke Köbberling/Martin Kaltwasser, white trash no5, 2008-2016, © Folke Köbberling/Martin Kaltwasser
Gegenstände porträtieren
In der Galerie des Kunsthauses Wien zeigt Edson Chagas zugleich Fotos von Gegenständen, die er unter anderem in Luanda, der Hauptstadt Angolas, auf der Straße fand. 17 Jahre lebte der Künstler in Großbritannien. Als Chagas 2008 nach Luanda zurückkehrte, fand er ein anderes Bild der Stadt vor, die er verlassen hatte. Bedingt durch die Ölindustrie hatte sich Angola zu einer starken Wirtschaftsmacht entwickelt. Plötzlich konnte man auf den Straßen verlassene Gegenstände finden, aus denen in der Vergangenheit schnell etwas anderes Brauchbares gebaut worden wäre. »Gegenstände, die nicht mehr gebraucht wurden, werden auf die Straße gestellt. Früher waren wir zu arm für solche Gewohnheiten.« Der Künstler redet von einer Verlangsamung des Schauens durch seine minimalistischen Bilder, die sehr ästhetisch wirken. Er will »Gegenstände porträtieren, skulpturale Bildzeichen setzen«, poetisch sein auf einer neuen Bühne – der Straße.
Found Not Taken, Luanda, 2009 © Edson Chagas
»Abfallwert steigend«: Folke Köbberling/Martin Kaltwasser, Dan Peterman, RELAX (chiarenza & hauser & co), transparadiso – bis 30. Oktober 2016, Kunsthaus Wien, Garage
Edson Chagas: »Found not Taken« – bis 30. Oktober 2016, Kunsthaus Wien, Galerie
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