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Radian

Radian haben in Chicago mit John McEntire ihre neue Platte »rec.extern« aufgenommen, die im August bei Thrill Jockey auf CD und Vinyl erscheinen wird. Christian König hat Radian getroffen, nachdem sie vom Phonotaktik-Festival in New York zurückgekehrt sind.

Erste Kontakt nach Chicago, wo sie im Jänner 2002 mit John McEntire im Studio »rec.extern« aufgenommen haben, bildeten sich schon sehr früh (siehe Interview) und schon 1998 spielten Radian als Vorgruppe bei einem Konzert von Tortoise. Spätestens mit ihrer ersten Veröffentlichung in voller Album-Länge »tg11« (mego/rhiz 2000) wurden sie auch international wahrgenommen und spielten an den verschiedensten Plätzen in ganz Europa. 2001 wurden sie von Tortoise zu »All Tomorrows Parties« eingeladen, einem jungen Festival an der südenglischen Küste, das jedes Jahr von einer anderen Band kuratiert wird und somit ein sehr vielfältiges Programm bietet. Dort hat sie Bettina Richards, die Chefin von Thrill Jockey, angesprochen und ihnen eine Veröffentlichung auf dem legendären Label angeboten.

Phonotaktik 2002 New York City

Bevor ich Euch zur neuen Platte befrage, würde ich gern über Phonotaktik in New York reden. Wie hat das Festival für Euch funktioniert?

John Norman
Die ersten paar Tage im Kulturforum mit den ganzen Gästen und den österreichischen Repräsentanten war wie in Wien zu sein, nur mit Theaterkulisse mit New York drauf im Hintergrund. Aber dann hat es sich gewandelt. Man hatte das Gefühl, dass das Festival von den Leuten, die in New York leben und etwas machen, wahrgenommen wird und die reinkommen und sagen, das ist cool, da möchte ich mitmachen.

Brandlmayr
Zum Schluss ist immer mehr außerhalb des Kulturforums passiert. Das war von der Atmosphäre lässiger. Und ein paar Leute haben mit New Yorkern gespielt.

Bei so einer Eröffnungszeremonie zu spielen, heißt ja auch zwangsweise die österreichische Kultur zu vertreten.
Wie seht ihr das?

Stefan Németh
Mit dem Kulturforum haben wir ja direkt nichts zu tun gehabt, aber für die Leute dort ist das natürlich eine andere Welt. Allerdings hatte ich den Eindruck, sie haben sich über das Festival gefreut. Anfangs war das für mich schon ein Problem, wie sehr wir in das politische Ding involviert werden. Andererseits ist es eine komische Position, zu sagen, ich hab mit dem allen nichts zu tun, aber gleichzeitig lebe ich in Österreich und habe jetzt natürlich mit der neuen Regierung zu tun. Irgendwann entschließt man sich das zu tun. Das Geld bekommt man ja von keiner Partei geschenkt.

Brandlmayr
Es ist zwiespältig. Natürlich präsentiert man bei so einer Eröffnung auch Österreich.

Németh
Unfreiwillig aber!

Brandlmayr
Auf der einen Seite ist es gut die Gegenkultur zu präsentieren. Auf der anderen Seite gibt es ein Unbehagen. Am Anfang war es ja auch vollkommen unklar, ob jemand von der FPÖ da ist. Da wird’s dann natürlich heiß. Das kann man dann eigentlich nicht mehr vertreten.

Morak und Grasser waren bei Phonotaktik nicht mehr da?

Németh
Genau – und das Festival hat es ganz gut geschafft, sich abzugrenzen, durch eine eigene politische Symbolik und der eigenen Broschüre. Eben die andere Seite von Österreich. Man hat nicht mehr den Eindruck gehabt, das wäre eine politische Promotion-Veranstaltung für irgendjemanden. Dadurch hat sich Phonotaktik eine eigene Position geschaffen und war nicht völlig integriert in dieses Haus. Und auch weil draußen in New York etwas passiert ist.

… die Leute haben sich gegenseitig die Kassette gefladert …

Schließen wir das Thema ab. Wie ist der Kontakt zu Thrill Jockey zustande gekommen?

Norman
Das ist eine ziemlich lange Geschichte. Begonnen hat es schon vor der Veröffentlichung der ersten CD. Pita hat einen Rough-Mix nach Chicago geschickt, der scheinbar für Aufsehen gesorgt hat. Es gab sogar eine Kassette, die sich die Leute angeblich gegenseitig gefladert haben. Auch der McEntire hat???s in die Hand bekommen und es hat ihm gefallen. März 1998 haben Tortoise in Wels gespielt und ich habe ihn angesprochen. Er hat mich gleich Backstage eingeladen und dann ist die Idee entstanden, dass wir in Wien als Vorgruppe spielen. So ist dann langsam ein zartes Pflänzchen der Freundschaft entstanden. Er wollte uns für mehr Konzerte haben, aber das ist organisatorisch nicht gegangen. Dann hat er uns in sein Studio eingeladen. Das ist aber am Geld für die Flüge und dem noch nicht fertigen Material gescheitert. Auf einmal kam die Einladung zu »All Tomorrows Parties« in England.

Brandlmayr
Das haben Tortoise kuratiert. Und Bettina Richards, die Labelchefin von Thrill Jockey, hat dort unser Konzert gesehen und uns angeboten, eine Platte zu machen.

Németh
Wir haben gar nicht gewusst, dass von seiten Thrill Jockey Interesse besteht, aber offensichtlich haben sie sich schon informiert. Sie hat unsere Sachen gekannt und gewusst wo die Platten erhältlich sind, wollte aber noch mal die Liveshow sehen und die war offensichtlich überzeugend. Das war der letzte Schritt. Sie arbeitet relativ straight und weiß was sie tut.

Brandlmayr
Wir merken oft, dass wir viel zu langsam sind für diese Strukturen. Sie verlangt ein Info und braucht das in drei Tagen. Wir brauchen aber für neues Info ein ganzes Monat.

Norman
Sie haben ein Büro mit acht Leuten, die fulltime arbeiten. Dort geht’s zu wie beim Börsenmakler.

Németh
Ich glaube für amerikanische Verhältnisse ist es trotzdem noch locker. Ich hab den Eindruck, dass die Arbeitswelt ganz verschieden ist. Um leben zu können, arbeiten die Menschen meist sehr viel. Bei Thrill Jockey ist es noch relativ angenehm, weil alle befreundet sind.

Was erwartet ihr Euch von der Veröffentlichung?

Norman
Höhere Stückzahlen und mehr mediales Echo, auch erhöhtes Interesse an Live-Konzerten. Bisher war es immer harte Arbeit, um irgendwo spielen zu können.

Németh
Die Arbeitsteilung macht einfach Sinn. Wir verbringen viel Zeit im Proberaum und arbeiten an der Musik. Da geht es sich arbeitstechnisch kaum noch aus, Promotion zu machen. Ich muss auch Geld verdienen, um zu leben. So ist es hilfreich in Strukturen eingebettet zu sein, wo das Label mehr als die Promotion der Platte macht und auch Support für Konzerte gibt.

Chicago, Jänner 2002 in John McEntires Studio

Wie war die Arbeit mit John McEntire und wieweit hat er die Platte produziert?

Németh
Es war Arbeit in höchster Konzentration. Wir haben die Zeit im Studio 100% genützt. Vor allem ist er auch als Typ ziemlich sympathisch und angenehm beim Zusammenarbeiten. Man bemerkt seine Erfahrung, so wie er Dinge angeht. Es ist im Studio nie stressig gewesen. Außerdem mag er uns musikalisch sehr gern.

Norman
Er hat gesagt, er findet es ziemlich super, dass wir wissen was wir wollen. Er hat mit Bands zusammengearbeitet, die wollen mit ihm eine Platte aufnehmen, kommen ins Studio und fangen eigentlich dort erst an zu proben.

Brandlmayr
Wir haben fertige Stücke und genaue Vorstellungen darüber, wie das klingen soll. Die Mischverhältnisse können nur wir wissen. Tontechniker würden unsere Sachen oft ganz anders abmischen. Die Elektronik weiter hinten in den Raum setzen und die Instrumente in den Vordergrund. Wir wollen das allerdings möglichst gleichwertig neben einander stehen haben. Nicht so wie eine klassische Band abgemischt wird. John McEntire war in dem Sinn ja auch nicht Produzent. Produktion heißt, dass er in den musikalischen Prozess eingreift. Das ist kaum vorgekommen. Er hat einfach aufgenommen und gemischt. Da war er extrem gut. Er ist z.B. ein Experte, das Schlagzeug aufzunehmen. Zum Schluss hat er zu mir gesagt, es war für ihn super, weil er keinen einzigen Kompromiss eingehen musste, von seinem ästhetischen Verständni
s her. Das hat mich extrem gefreut.

Németh
Es passiert bei ihm gar nicht so viel am Computer, wie ich es sonst aus Österreich bei Studios gewohnt bin. Es basiert sehr viel auf externer Analog-Technologie. Es schaut dementsprechend eindrucksvoll aus, wie im Science-Fiction-Studio. Eine ganze Wand mit einem Modular-Synth. Das ist kein Gimmick, er verwendet es wirklich um den Sound zu verändern. Bei zwei Nummern hat er das Schlagzeug da durchgeschickt.

Brandlmayr
Ich habe noch eine Geschichte aus dem Studio. Wir hatten irrsinnige Schwierigkeiten mit dem Netzbrumm. Eine Nummer war definitiv mit dem Brummen des Bass-Verstärkers gebaut. In den USA ist der Netzbrumm in einer anderen Frequenz und hat auch anders geklungen. Jetzt haben wir das alles extrem kompliziert nachgebaut. Wir haben also extra den europäischen Netzbrumm dazugemischt und er hat den amerikanischen vorher weggefiltert.

Németh
Und so haben wir bei dieser Nummer relativ viel im Studio gemacht. Es ist mehr im Studio entstanden als gewöhnlich bei uns.

Mich hat beim Hören der neuen CD überrascht, dass sie sehr transparent und ruhig ist. Bei eurem letzten Konzert im Rhiz war der Sound sehr dicht und richtig rockig.

Brandlmayr
Ich halte die Platte von unseren Veröffentlichungen für am wenigsten spartanisch. Eine Nummer wie »Jet« finde ich durchaus rockig.

Németh
Durch die Veröffentlichung auf Vinyl waren wir gezwungen, die Länge auf zwei mal 20 Minuten zu beschränken.

Norman
Ab 20 Minuten pro LP-Seite geht nämlich die Press-Qualität ziemlich verloren. Ursprünglich wäre die Platte circa 49 Minuten lang geworden.

Németh
Wir hatten drei Nummer zu viel. Das hätte das Spektrum wieder in eine andere Richtung verschoben. Und so wie die CD jetzt ist, hängt ganz stark damit zusammen, wie wir die Reihenfolge eingesetzt haben.

Norman
Und John hat gemeint, es wär ehrlicher und netter, wenn die CD als Version die gleiche ist wie die LP, anstatt die eine oder andere Nummer noch extra auf die CD raufzupacken und eine andere Reihenfolge zu machen

Németh
Diesmal hatte ich das Gefühl, wir haben den Überblick, wie ein Album gestaltet wird. Wir haben bemerkt, dass es wichtig ist, Nummern dabei zu haben, die etwas loslassen und dass man nicht ständig versucht Spannung aufzubauen. Das Zuhören ist schwer, wenn es acht Nummern gibt, von denen jede die Erste sein will.

E-Musik? Rock? Elektronik?

In Wien werdet ihr ja hauptsächlich als Elektronik-Act wahrgenommen. Wie ist das in andern Ländern und im speziellen bei Thrill Jockey?

Norman
Wir spielen in Österreich und bei den mit den Österreichern verbundenen internationalen Veranstaltern im Elektronik-Umfeld. Aber für die Musiker sind wir durchaus eine Band. Es gibt da keine präzise Positionierung. Und darüber bin ich auch ziemlich froh.

Németh
Wir sind im elektronischen Bereich kein Elektronik-Act, im improvisierten Bereich kein Impro-Act, im E-Musik-Bereich keine E-Musik und im Rockbereich keine Rockband. Es gibt im Prinzip immer das Gefühl, nicht direkt einer Szenerie zugehörig zu sein. Wenn man danach Musik macht, ob das wo reinpasst, kann man es gleich lassen. Das ist eine Strategie, die ich für sinnlos halte. Musik sollte nicht davon abhängig sein, ob da jetzt ein Pickerl draufsteht.

Das ist klar, aber das sind doch die Probleme des Marktes. Kategorien funktionieren ja nur aufgrund bestimmter Marktstrukturen, denen man als Kreativer ausgeliefert ist und die Wahrnehmungen regulieren.

Németh
Die Strukturen sind schon so, wie du sie beschrieben hast, aber ich würde das auch nicht überbewerten. Ich habe sehr viel Respekt vor den Leuten, die Platten kaufen und sich einfach für Musik interessieren. Die sind durchaus cool drauf und kaufen, was ihnen taugt. Wenn außerhalb von Wien Artikel über uns publiziert werden, kommen Assoziationen, auf die ich nie gekommen wäre. Auch die Plätze, wo wir gebucht werden sind sehr unterschiedlich. Offensichtlich können Leute aus den verschiedensten Bereichen etwas an dieser Musik finden.

Norman
Daher bin ich auch ziemlich froh, dass wir bei einem Label gelandet sind, das ziemlich viel Verschiedenes drin hat. Ein Dach für alle sozusagen. Ich glaube, dass Bettina Richards von Thrill Jockey Acts aufgenommen hat, die ihr gefallen haben und der erste war witzigerweise H.P.Zinker, wo wir einen weiten Kreis zu Österreich geschlossen hätten und in der Zwischenzeit viel Wasser die Donau hinunter geplätschert ist. Es wird alles von der großen Liebe der Chefin zur Musik zusammengehalten.

Der Artikel zum Interview ist in skug 51 zu finden.

Links
www.thrilljockey.com

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