Fotos: © mo.ë
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mo.ë: Should I stay or should I go?

Kurze Anmerkungen zum Widerstand gegen die Schließung des unabhängigen Kunstzentrums mo.ë in Wien und den damit eng verbundene Fragen der Kunst, des Besitzes und der Gentrifizierung.

Bei der halb traurigen, halb erfreulichen Entwicklung des unabhängigen Kulturzentrums mo.ë gilt es wohl zwei Sphären voneinander zu trennen: das möglicherweise aufrechte, moderne Gebot zur »Nomadologie« einerseits und den Profitzwang andererseits. Die Fluchtlinien der Kunst sollten nicht gegen den Warenfetisch ausgespielt werden. Es stimmt: Kunstinitiativen versulzen nach einigen Jahren. Abhauen, Zelte abbrechen und was Neues beginnen kann richtig und wichtig sein, nur eben nicht gerade dann, wenn es einer Immobilienfirma in den Kram passt, und auch dann nicht, wenn ein Mietvertrag endet. Obsessive Besessenheit mit dem Gebot der Regelbefolgung ist eine der schlimmsten kleinbürgerlichen Sünden. Es darf daran erinnert werden, dass in den luftigen Höhen des großen Geldes immer nachverhandelt wird.
An der leidigen Diskussion über legal und legitim kommt man an dieser Stelle kaum vorbei. Die Chancen stehen gut, dass die Immobilienfirma in so ziemlich jedem Punkt rechtlich Recht hat. Nur: Befristete Mietverträge und Zwischennutzungen sind grundsätzlich abzulehnen, weil ihre Sittenwidrigkeit selbst aus konservativ-liberaler Sicht argumentierbar ist (siehe unten). Rein praktisch gesehen müsste ein Leerstand entsprechend besteuert werden, um die Immobilienbesitzer zur baldigst möglichen Vermietung oder zum Umbau zu bewegen. Allerdings: Mit rechts-bürgerlichen Mehrheiten wird dies kaum je durchsetzbar sein, in einem Land, in dem die meisten Bürgerinnen und Bürger glauben, dass sie eher persönlich etwas zu verlieren haben als durch Gemeinwohl zu gewinnen. Wie weit diese Einstellung ins »›allgemeine Bewusstsein«‹ gesickert ist, zeigt sich, wenn Latifundien selbst in linken Underground-Szenen zäh verteidigt werden. Es ist überraschend, wie viele auch hier ein Häusel von der Oma geerbt haben und es erbarmungslos teuer vermieten, schließlich »machen es doch alle so!«

Besitz und Nutzen
moe.jpgDer dem Gentry zugehörige John Locke hielt Eigentum für ein Naturrecht (d. h. universell gültig/höchstinstanzlich), schränkt das Eigentum aber durch seinen notwendigen Bezug zum Gebrauch ein und meinte letztlich sogar: Wenn jemand ein Feld beackert, dann sollte es ihm nach einer gewissen Zeit auch gehören. Dieser Argumentation des englischen Imperialismus (sie diente später der Erbeutung Nordamerikas) aus konservativer, liberaler Sicht der Dinge darf sich eine linke Kunstinitiative gerne bedienen. Der Landadelige Locke hätte sicherlich beigepflichtet, dass es ein Unding ist, Menschen die Arbeits- und Lebensmöglichkeit unter dem Allerwertesten wegzuziehen. Dem Argument, dass die Verträge (Zwischennutzung, befristete Verträge) eben derart ausgehandelt worden seien, zu widersprechen ist wichtig. Besitzlose sind – pathetisch formuliert – weitgehend Entrechtete und diese müssen die Erlaubnis haben, schlechte Verträge, die ihren Interessen widersprechen, zu unterschreiben, wohlwissend, dass sie sich ihrerseits an die Ertragserfüllung nicht werden halten können. Denn wenn sie es nicht tun (im Fall mo.ë getan hätten), dann hätten sie niemals eine Chance gehabt. Selbstverständlich muss ein jeder Fall der Regelüberschreitung sorgfältig überprüft und (selbst-)kritisch erwogen werden, denn willkürliche Gesetzesübertretung kann zu einer Lage führen, die stets den Schwachen mehr schadet als den Starken.
Im Ûbrigen sollte die Stadt Wien die »›Immobilienentwickler«‹ mutig an deren Zwänge erinnern: »›Warum habt ihr die Hütte nicht vor fünf Jahren abgerissen? Jetzt haben sich die Spatzen ein Haus gebaut und ihr gebt eEuch bitte mit den Mieteinnahmen zufrieden. Bzw. wartet halt ab, vielleicht ziehen sie eh weiter, sind ja aufgrund der Instabilität der Moderne zum Nomadentum verpflichtet.«‹ (siehe oben)

Sonntag 3. Juli 2016: Aktionstag im mo.ë, Thelemangasse 4, 1170 Wien
KULTURRAUM ALS GEMEINGUT
Soli-Tag fürs mo.ë / Kinderprogramm / Runder Tisch / Performance / Musik

Programm
12 Uhr – Kinderprogramm mit Maja Rački (Montessori)
14 Uhr – Sonntagsbrunch
16 Uhr – Diskussionsrunde: Kulturraum als Gemeingut (Kulturraum vs. Neoliberalismus)
Begrüßung: Alisa Beck / mo.e (Wien) und Brigitte Bauer / LINE IN (Wien)
Einleitende Statements: Mileta Mijatović / Matrijaršija (Belgrade) und Mikal Maldoror / AU
(Wien)
Diskussionsrunde mit Roland Schütz (masc foundation), Ula Schneider (Soho in
Ottakring), Jonas Aebi (Universität Basel), Bernhard Tobola (Tingel Tangel), Peter A.
Krobath (Stadtfrucht), Susi Rogenhofer (Gemeindebautöne), Alfred Pranzl (skug),
WienTV.org und Augustin …
18 Uhr – Abschluss und Ausklang
19 Uhr – Cler und Klainer (Live)
21 Uhr – AC/Boy (Live)
23 Uhr – Soli-Party im AU, mit AU Residents: maRie cheRie / power (DJ-Set)

Home / Kultur / Thinkable

Text
Frank Jödicke

Veröffentlichung
29.06.2016

Schlagwörter

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