Für Leute, deren Ohren das Wort Genuss vernehmen, noch ehe es von Žižek & Co. ordentlich durch den Dreck gezogen worden ist, vorab: »Wir Genussarbeiter. ?ber Freiheit und Zwang in der Leistungsgesellschaft« von Svenja Flaßpöhler bedient sich eines grundsätzlich ambivalenten Begriffs von Genuss: Nur weil uns etwas Freude bereitet, muss es noch lange nicht gut sein – weder für eine/n selbst noch für den Rest der Welt. Ihre Wurzeln hat diese nicht nur Haare spaltende Debatte in Jacques Lacans ominösen Bemerkungen zur jouissance, also dem »Genuss«, der dann dem désir (»Begehren«) gegenübergestellt wird. Letztlich geht es dabei um die Kultivierung eines habituellen Misstrauens bezüglich all jener Tätigkeiten, denen man ??einfach so?? nachzugehen geneigt ist, wozu nicht zuletzt auch eine irgendwie uneingestehbare Freude an derjenigen Arbeit gehört, welche man angeblich allein um des Geldes willen macht. So oder so: Was zählt, ist, davon abgehalten zu werden, das zu tun oder zu erreichen, was man wirklich will, sprich begehrt.
Svenja Flaßpöhlers Ausführungen bleiben jedoch diesseitig und beschränken sich auf eine ab und zu doch etwas moralisierende Diffamierung des Genießenpols; die Tücken der anderen, potentiell weiterführenden Seite werden hinter knappen Verweisen auf »Selbstverwirklichung« nicht nur nicht erhellt, sondern eher verdeckt. Begriffliche Feinarbeiten seien der Autorin Sache ohnehin nicht, bemerkte kürzlich ein strenger Manfred Lütz in der »FAZ«.
Dies kann, muss aber nicht unbedingt zum Vorwurf gereichen, denn das durchaus flott geschriebene Büchlein will wohl weniger ein fachlich weiterführender Beitrag als eher eine globale Einführung darstellen. Den hoffnungslosen Fällen bleibt überlassen zu konstatieren, dass es allein schon deshalb – oder nur weil es angenehm leicht zu lesen ist – ganz zuunterst, also in der Genuss-Schublade, abgelegt werden müsste. Wohlige Schauer bereiten die mitunter ziemlich düsteren, ja geradezu nihilistischen Aussagen zum Status quo der herrschenden libidinösen Un-/Ordnung – und dass diese im lockeren Plauderton daherkommen, erzeugt Spezialeffekte, dank welcher die notorische Unheimlichkeit des Gewöhnlichen besonders drastisch vor Augen geführt wird. So wird zumindest offenbar, wie alltäglich eine Denkrichtung geworden ist, die einmal tatsächlich für Wirbel gesorgt hat.
Die zweite Ausgabe des seit kurzem erscheinenden »Philosophie-Magazin« ist dem Thema Arbeit bzw. der Frage »Macht Arbeit glücklich?« gewidmet, was gleichzeitig auch der Titel des Beitrags der stellvertretenden Chefredakteurin Svenja Flaßpöhler ist. Nun muss der umtriebigen Autorin zwar nicht alles abgekauft werden, aber dieser Artikel sei vorab empfohlen, um zu entscheiden, ob man sich auch ihrem Buch widmen möchte. Und als abgelutschtes Zuckerl gibt’s dort ein Žižek-Interview dazu.
Svenja Flaßpöhler: »Wir Genussarbeiter. ?ber Freiheit und Zwang in der Leistungsgesellschaft«, München: Deutsche Verlags-Anstalt 2011, 203 Seiten, EUR 17,99