Kirche Zur Heiligsten Dreifaltigkeit, in Bau, Ansicht von Westen, Ende September/Anfang Oktober 1975 © Foto: Fritz Gerhard Mayr/Fotoarchiv F. G. Mayr, Wien
Kirche Zur Heiligsten Dreifaltigkeit, in Bau, Ansicht von Westen, Ende September/Anfang Oktober 1975 © Foto: Fritz Gerhard Mayr/Fotoarchiv F. G. Mayr, Wien

»Kunst als moralische Kraft«

Ein nicht religiöser, sozialistisch geprägter Bildhauer baut eine Kirche. Schnell erhielt Fritz Wotrubas Betonblock-Sakralbau am Wiener Georgenberg die Spitznamen »Trümmerkirche« oder »Ruinenbau«. Die Belvedere-21-Ausstellung »Wotruba. Himmelwärts« bringt nun die Entwurfszeichnungen.

»Fritz Wotruba und ich konnten es nicht fassen, dass nach langen Jahren des Ringens die Kirche Wirklichkeit wurde«, schreibt Margarethe Ottilinger. »Die Betonsockel der ehemaligen Flakkaserne des letzten Krieges wurden weggerissen. Erde häufte sich auf Erde, herausgerissene Betonstücke übersäten den Platz, alles war für uns wunderbar.« Ottilinger war ursprünglich von Karmeliterschwestern gefragt worden, den Neubau eines Karmels mit Kirche zu unterstützen. Prälat Ungar von der Caritas schlug den Bildhauer Wotruba vor. »Ich werde etwas gestalten, das zeigt, dass Armut nicht hässlich sein muss«, sagte ein faszinierter Wotruba. Der Steinbildhauer betonte aber auch immer wieder, dass er nicht gläubig sei. Bevor er die Düsseldorfer Jüdin Marian Fleck geheiratet hatte, war er aus der Kirche ausgetreten. Man plante, in Steinbach bei Wien eine Karmelkirche mit Kloster zu bauen, doch den Schwestern war der Entwurf zu opulent. Nach jahrelangem Suchen kam der Georgenberg im 23. Wiener Gemeindebezirk in Betracht. Die Haltung der meisten Architekten war aggressiv ablehnend – ein Bildhauer sei nicht imstande, eine Kirche zu bauen oder überhaupt in die räumliche Dimension zu gehen. Es kam zu »unglaublichen Quertreibereien« (Ottilinger). Der sozialistisch geprägte Bildhauer Fritz Wotruba glaubte an die »Kraft des neuen Menschen« und an die »Kunst als moralische Kraft«, führt die Kuratorin bei der Eröffnung der Ausstellung »Wotruba. Himmelwärts« im Belvedere 21 aus. Diese Ansichten nahm Wotruba nach 1945 aus seiner durchgehenden Einstellung gegen Krieg und Faschismus mit.

Fritz Wotruba in seinem Atelier bei der Arbeit an einem Tonmodell für das Projekt eines Karmeliterinnenklosters in Steinbach bei Wien, 1967 © Belvedere, Wien, Nachlass Fritz Wotruba

Wandlung und Verwandlung
Der österreichische Gewerkschaftsbund spendete erstaunlicherweise eine Million Schilling. Bei der Eröffnung saß dann Bruno Kreisky neben einer Karmeliterschwester in schwarzer Tracht ganz vorne. »Zu früh und noch vor Beendigung des Werkes ist Fritz Wotruba 1975 gestorben. In den wuchtigen, erdschweren Quadern, die sich empor zum Himmel erheben, lebt seine schöpferische Kraft: Geist und Glaube des 20. Jahrhunderts«, schrieb eine mit der Kirche zufriedene Ottilinger. Eine Karmeliterschwester sah die Kirche aus »schweren Trümmern, wie aus dem verwitternden Turm von Babel gebrochen«, bestehen, die »hier einander finden und stützen und halten zum Bau eines Gotteshauses«. Fritz Wotruba war aber nicht nur Bildhauer, sondern drückte sich theoretisch aus. So sah er die Kirche beim Bau in »ständiger Wandlung und Verwandlung. Einem Künstler, der von Anfang an ein unverrückbares Ziel ansteuert, traue ich nicht«. Sein Vater war übrigens Tscheche, Sozialist und Schneider und die Mutter eine Ungarin, die zu Fuß nach Wien kam, um Dienstmädchen zu werden. Wotruba lernte Stanzengraveur und arbeitete auch als solcher. 1933 schuf er mit Arbeitslosen und Kriegsversehrten das Mahnmal »Mensch, verdamme den Krieg«, das auf dem Friedhof von Donawitz aufgerichtet wurde. Arbeiter zerlegten und versteckten das Denkmal vor den Nazis. Schon 1934 musste Wotruba erstmalig Österreich verlassen, 1938 flüchtete er noch einmal in die Schweiz nach Zug, wo seine im Garten stehenden Skulpturen Stoffreste um die Hüften tragen mussten! Seine Frau erhielt als Jüdin erst keine Einreisegenehmigung – später doch, knapp vor ihrer Verschickung nach Eritrea. 1945 übernahm er die Leitung einer Meisterklasse an der Wiener Akademie. Kulissenbau, Kostüme und Masken für Theaterstücke folgten.

Fritz Wotruba, Skizze zu einer Architektur, 1966 © Foto: Harald Eisenberger/Belvedere, Wien

Sich im Stein herumschlagen
»Ich träume von einer Skulptur, in der Landschaft, Architektur und Stadt zur Einheit werden. Es kann eine Stadt wie Marseille sein, eine vor Hitze brüllende Stadt, die sich plötzlich verwandelt … Was alles ist eine Stadt?«, schreibt Wotruba. »Mit seiner Kirche erfand er nichts Neues, sie war kein Ausflug, kein Experiment«, erklärt die Belvedere-21-Kuratorin in Wien, »sondern die Architektur war bereits in seinem Werk drin.« Als Künstler vergisst er nie die beiden Weltkriege: »In diesem Augenblick haben wir kein Recht darauf, unsere Zeit mit der Anbringung von Schönheitspflästerchen auf dem angstverzerrten Antlitz der Welt zu vergeuden«, denn es schiene, dass »dem Menschen von heute zwar nicht die Schöpferkraft, dafür aber die Macht der Vernichtung dieser Welt in die Hand gegeben« sei. Der Text nennt sich »Sinn und Aufgabe der Kunst in der Gegenwart«. Elias Canetti schrieb über Wotruba: »Er bekennt sich zur Gefangenschaft des Menschen. Er schlägt sich im Stein herum. Seine Arbeit ist die Bekämpfung und Gestaltung des Gefängnisses. Der Mensch ist sein eigenes Verlies.« (Anm. gekürzt) Und über die »Große Liegende«, eine Hommage an die todkranke Marian: »Der Schatten aber ist die Ahnung eines Antlitzes. Nur in dieser Ahnung ist es da, wie das Antlitz des Nächsten, den wir durch den Tod verloren haben.«

Kuratorin Gabriele Stöger-Spevak während der Pressekonferenz zur Ausstellung »Wotruba. Himmelwärts« © Foto: Johannes Stoll/Belvedere, Wien

Rückgrat kräftigen
Spannend für die Bewegung gegen das Heeresgeschichtliche Museum Wien bzw. für ein größeres Haus der Geschichte Österreichs dürfte aber Wotrubas starkes Eintreten für ein »Archiv der Republik« sein: »Die Zweite Republik ist ein hohles, gebrechliches Gehäuse, in dem ein sehr zartes Geschöpf lebt, das sich Demokratie nennt«, beginnt er (Anm. leider ohne Jahreszahl). »Wir wissen, dass die Begriffe der Demokratie und der Republik in unserem Staat noch nicht genügend verankert sind, und wir wissen, dass etwas Grundsätzliches getan werden muss«, fährt er fort. Die politischen Ideen müssten Form annehmen, körperhaft und greifbar werden. Wotruba schlägt dazu ein Archiv der Republik bzw. ein großes Haus der Republik vor, denn es könnte einen Typus von Bürger mit sich bringen: »Ein Bürger, der in Krisenzeiten sein Rückgrat versteift und nicht sofort zum politischen Hasardeur wird. Dieses Rückgrat ist bei uns bis jetzt vernachlässigt worden, an seiner Entwicklung zu arbeiten, es zu kräftigen und zu stärken, ist Aufgabe der Verantwortlichen.« Der Künstler wünscht sich »ein republikanisches Bauwerk der Besinnung«: »Ein solches geistiges Arsenal der Republik wäre kein Luxus, sondern eine Notwendigkeit.«

Literatur:
Fritz Wotruba: »Kirche zur Heiligsten Dreifaltigkeit. St. Georgenberg, Wien Mauer«, Erker Verlag 1976.
»Um Wotruba. Schriften zum Werk«. Herausgegeben von Otto Breicha. Europa Verlag 1967.

Link: https://www.belvedere.at/wotruba-himmelwaerts

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