Tamara Soldan © Tamara Soldan
Tamara Soldan © Tamara Soldan

Kraft schöpfen via Gemeinsamkeit

»Uniting Our Voices«: Kooperation statt Konfrontation lautet die Devise der Klangzeit Sommeredition am 26. Juli 2025. Ein Coming Together wider die Vereinzelung im Weingarten des Klanghaus Untergreith mit Literatin Dragica Rajčić und Sonic Meditations von Tamara Soldan, Olga Nosova und Yakovlev.

Klangzeit 2025 reagiert auf die Verkommenheit politischer und wirtschaftlicher Eliten, die die Welt an den Abgrund rücken. Die Verschaltung von Sound Art und zeitgenössischer Musik ist ein Wesensmerkmal des von Mia Zabelka und Zarah Mani kuratierten Festivals in den südsteirischen Weinbergen. Individuen müssen zu solidarischen Gemeinschaften zusammenfinden. Demokratie ist nicht selbstverständlich, sondern benötigt aktives Sich-Einbringen, insbesondere im Alpe-Adria-Raum. Wie das bei der Sommeredition des Festivals am Samstag, dem 26. Juli 2025 ab 17:00 Uhr im Weingarten vor dem Klanghaus Untergreith möglich sein kann und welche Auswahlkriterien in Sachen interdisziplinäre Klangkunst ausschlaggebend sind, erzählt Zabelka im skug-E-Mail-Interview. 

Mia Zabelka Zahra Mani © Wolfgang Seierl

skug: Das heurige Motto »Uniting Our Voices« ist ein Gegenentwurf zur grassierenden Endzeitstimmung. Während Tech-Milliardäre zur Vereinzelung beitragen und Negatives befeuern, kann die Antwort nur mehr Gemeinsamkeit lauten. Die Wiener Festwochen beschworen die Kraft der Liebe und im Kleinen die Klangzeit die »Einheit unserer Stimmen«. Ist neben den gegen die reaktionäre Gegenaufklärung auftretenden Künstler*innen auch das Publikum mitgemeint?

Mia Zabelka: Im Rahmen eines Coming Together, das bereits am Nachmittag beginnt und bis in die späten Nachtstunden andauert, entsteht ein lebendiger, kommunikativer Austausch zwischen dem Publikum und den darstellenden Künstler*innen. Neben den künstlerischen Darbietungen steht der Dialog im Mittelpunkt: Das Publikum ist Teil von »Uniting Our Voices« – nicht nur als Zuschauer*innen, sondern auch als aktiv Mitwirkende. Bei ausgewählten Performances wird das Publikum direkt einbezogen und gestaltet so das gemeinsame Erleben mit.

Wie sucht ihr – kuratiert wird Klangzeit nach wie vor von dir und Zahra Mani – die Artists für eine Klangzeit-Ausgabe? Am Beispiel Olga Nosova? Bzw. welche Rolle hat die Literatin Dragica Rajčić bei Klangzeit inne?

Olga Nosova ist uns seit vielen Jahren bekannt, unter anderem durch ihre Zusammenarbeit mit Alexei Borisov. Ihre Arbeit schätzen wir sehr. Sie hat bereits mehrfach im Duo mit Zahra zusammengearbeitet. Auch im Rahmen des Klangzeit Festivals werden die beiden gemeinsam auftreten. Dragica Rajčić ist Autorin kroatischer Herkunft und lebt derzeit in der Schweiz und in Österreich. Sie schreibt in einer von ihr entwickelten »Gastarbeiter*innensprache« und bewegt sich damit zwischen verschiedenen kulturellen Welten. Durch diese mehrsprachige und transkulturelle Perspektive bringt sie besondere Erfahrungen und Einsichten zum Thema »Uniting Our Voices« mit.

Olga Nosova © Olga Nosova

Spannend wird sicherlich auch Tamara Soldans Aufführung: Klang-Fragmente mittelalterlicher Musik und gregorianische Gesänge treffen auf Live-Electronics. Welches Instrument ist ihr im Programm »Mittelalter-Fidel« genanntes genau? Besteht ein Konnex zu den Live-Visuals von Mauro Lovisetto und könnte Soldans Intention die Imagination von Vergänglichkeit als Einbettung in die universelle Ewigkeit der Atome sein? »Du bist Staub und zum Staub wirst du zurückkehren«, heißt es in der Bibel (Buch Genesis) bzw. formulierte der von mir sehr geschätzte afroamerikanische Musiker Lonnie Holley in einem seiner Songs viel lyrischer, dass er nach seinem Ableben in Staubkörner im Weltall transformiert werden wird. »Space ist the place«!

Tamara Soldan spielt eine Fidel, die auch Vielle genannt wird. Sie ist der Vorläuferin der modernen Geige verwandt, unterscheidet sich aber u. a. durch einen flacheren Steg, fünf Saiten und ein tropfenförmiges Korpusdesign. Soldans Werk könnte tatsächlich auf diese Art der Transzendenz, also das Spiel mit Vergänglichkeit als Teil einer ewigen, atomaren Transformation, verweisen. Gregorianik als musikalisches Erbe der Ewigkeit, die Fidel als Klangkörper der Geschichte und die Elektronik als zeitgenössisches Echo im digitalen Raum. »Space ist the place« … ganz im Geiste von Sun Ra oder eben auch Lonnie Holley. Die Idee, dass Raum und Klang einander bedingen, dass der Mensch als Schwingung, als Teil des Universums weiterexistiert, ist ja nicht nur poetisch, sondern auch physikalisch faszinierend. Man könnte daher Soldans Performance als Sonic Meditation über die Endlichkeit im Kontext kosmischer Unendlichkeit deuten. Ein Konnex zu den Live-Visuals von Mauro Lovisetto ist durchaus vorstellbar, mir aber nicht bekannt.

Hast du beim Festival TV Athens Control erstmals mit Andreas Yakovlev Michaelides zusammengespielt? Was macht das Festival in der griechischen Hauptstadt so besonders bzw. Yakovlev, Musiker-Alias von Michaelides?

Andreas Yakovlev Michaelides ist ein außergewöhnlich kreatives Talent. Trotz seines jungen Alters überzeugt er bereits durch eine beeindruckende künstlerische Ausdruckskraft. Es freut mich sehr, dass Klangzeit ihn erstmals nach Österreich einlädt. Es ist zu erwarten, dass wir in Zukunft noch viel von ihm hören werden. Besonders beeindruckt hat mich beim TV Athens Control die Diversität und Offenheit des Publikums. Nach dem Konzert wurde ich zu zwei Interviews eingeladen und war überrascht vom großen Interesse sowie der reflektierten Qualität der Fragen. Griechenland ist eben nicht ohne Grund die Wiege der abendländischen Philosophie.

Yakovlev © Andreas Yakovlev Michaelides

Final noch bitte Kurzes zu den Österreichern im Teilnehmerfeld: DJ Steve S. Putnik wird wohl den Festivalausklang beschallen. Was zeichnet ihn aus? Und warum fiel die Wahl auf den famosen Veteranen Reinhard Ziegerhofer und auf den mir vorerst noch unbekannten Jungspund Leon Erdödy. 

DJ Steve Putnik gestaltet den Ausklang des Festivals und nimmt in seiner Musikauswahl Bezug auf das Thema »Uniting Our Voices«. Er zeigt eine große Offenheit für Improvisation und experimentelle elektronische Musik und schafft so einen stimmigen Übergang zu seinem insgesamt zugänglicheren, durchaus auch tanzbaren Set. Reinhard Ziegerhofer kenne ich noch aus den Zeiten der Reform Art Unit – wir haben gewissermaßen beide bei dem großartigen Fritz Novotny gelernt. Heute sind wir zwischen Graz, der Steiermark und Wien künstlerisch tätig. Josef Klammer vom STIO Festival Graz meinte einmal treffend, dass wir sowohl von der Grazer als auch von der Wiener Schule das Beste mitgenommen haben – das verbindet uns. Im Rahmen des Klangzeit Festivals werden wir erstmals gemeinsam im Duo auftreten. Leon Erdödy ist ein vielversprechendes junges Talent aus Graz. Ursprünglich hatte er Interesse bekundet, an einem meiner Workshops teilzunehmen – seine künstlerische Arbeit hat mich jedoch so überzeugt, dass ich ihn direkt zum Festival eingeladen habe. In seinem Set wird er das Publikum aktiv einbeziehen und zur Teilnahme unter dem Motto »Uniting Our Voices« anregen. Wie genau dies umgesetzt wird, bleibt offen – umso spannender wird der gemeinsame Moment.

Reinhard Ziegerhofer © Reinhard Ziegerhofer

Link: https://klang-haus.at/

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