Leopold Maurer liebt, so scheint es, die Herausforderungen: Sieht man sich seine früheren, sehr unterschiedlich ausgefallenen Arbeiten an, so sind seine medialen Referenzwerke stets solche, die nicht nur auf den ersten Blick komplex, anspruchsvoll und fordernd anmuten. »Pynchon & Miller« stellt dahingehend keine Ausnahme dar, verbirgt sich doch hinter dem Comic Thomas Pynchons Mammutwerk »Mason & Dixon« (1997). Der epische Roman des großen Unbekannten der US-amerikanischen Gegenwartsliteratur bietet der Leserschaft eine postmoderne Neuerfindung des 18. Jahrhunderts und die literarische Verhandlung der Vermessung der sogenannte Mason-Dixon-Linie, die nicht nur Grenzstreitigkeiten zwischen kolonialen Bundesstaaten klären sollte, sondern auch zur kulturell relevanten Trennlinie zwischen Nord und Süd – quasi zwischen Freiheit und Sklaverei – werden sollte. Der umfassenden, ja ausufernden Erzählweise Thomas Pynchons hat Leopold Maurer einen schlichten, schönen Entwurf entgegengesetzt. Doch darf seine Arbeit nicht als Vereinfachung missverstanden werden; es ist dies vielmehr eine Kurzschrift, die nicht verkürzt, eine reizvolle Ver-Dichtung. Maurers Comic, der zentral um die Themen der Reise und der Freundschaft kreist, führt, ganz Pynchons vorformulierten Diktum »History is not chronology« gehorchend und den titelspendenden Figuren folgend, schließlich von der Unmöglichkeit der möglichen Liebe hin zur Möglichkeit einer für unmöglich gehaltenen Liebe. Hoffnungsfroher, so möchte man meinen, kann man kaum enden.
Auch der Rahmen zu »Mann am Mars« bietet so einiges: Entlang zweier Song-Zusammenstellungen, die den Comic gemäß der auch grafisch umgesetzten Plattenoberflächen samt Track-Verzeichnis in zwei Hauptkapitel unterteilen, wird man nach und nach, in Schlaufen und Schleifen, in die Welt des ersten Mannes am Mars eingeführt. Dem gekerbten und damit geordneten Raum der akustischen Rillen wird der glatte Raum der Marsoberfläche entgegengestellt, in der dieser unglückliche Solitär seinen unergiebigen Aufgaben nachgeht: Marsgestein beobachten, eine Tankstelle betreiben und hin und wieder dem Hauptquartier auf der Erde mittels Telefonzelle Berichte über die Fortschritte ebendieser Tätigkeiten zu geben. Doch damit nicht genug. Denn am Mars, auf dem alles »genauso [ist] wie auf den Fotos … nur ein bisschen größer«, tummeln sich von Episode zu Episode mehr eigenwillige Wesen, die den Alltag des anonymen, durchaus melancholischen Raumfahrers nicht nur einfacher machen. In jeder Episode, die einem der angegebenen Tracks entspricht, erfahren wir (vermeintlich) mehr über Schildkröte Darwin, den liebestollen Begleiter des Astronauten, den hinter einem Felsen vermuteten Gott und eine Vielzahl von außerirdischen Besuchern, die ihre Raumfahrzeuge auftanken wollen. Als sich auch noch Wahnvorstellungen hinzugesellen – verhasste Arbeitskollegen mit schlecht sitzenden Perücken und nicht minder problematische Familienangehörige mit überaus fragwürdigen politischen Haltungen – ist das surreale Setting vollständig. Jede weitere Episode, hin bis zur grausigen und (retrospektiv betrachtet) immer wieder schon angekündigten Auflösung der Ereignisse, ist noch eine Zugabe. Dass das Raumschiff verlegt wurde, die extraterrestrische Kundschaft ausbleibt und die Anweisungen vom fernen blauen Planeten immer undurchführbarer ausfallen, ist nur die Vorbereitung der absoluten Vereinsamung des ohnehin Verlassenen. Wie eine Negativfolie schmiegt sich Maurers jüngste Arbeit an »Miller & Pynchon« an, verhandelt er doch erneut die Machbarkeiten und Fallstricke einer denkbaren Politik der Freundschaft. Von der Vermessungslinie zum roten Planeten war es da wohl nur noch eine kurze Strecke.
Leopold Maurer: »Miller & Pynchon«, Wien: Luftschacht 2009, 174 Seiten, EUR 21,-
Leopold Maurer: »Mann am Mars«, Wien: Luftschacht 2011, 80 Seiten, EUR 19,-