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Mutter

»Hey Jude« | »Die Shaolin Affen EP«

Mauerstadtmusik

Frank Behnke, bis 2002 Mutter-Gitarrist, hat im Archiv gekramt und 20 Stills der Mutter-Geschichte zum Jubiläumsalbum kompiliert. Die Vorläufergruppe Campingsex mitgerechnet feiern die nämlich 25-Jähriges. Auch in der B-Kategorie (Livematerial, Outtakes, Footage) waren (und sind) Muttersongs immer Brocken: klobig, zäh, sich aufbäumend (ohne wirklich hoch oder von der Stelle zu kommen); SloMo-Noiserock, der den legendären Flipper viel verdankt. Deren nihilistische Weltsicht hat Mutter in paranoide Traurigkeit gewandelt. Sie strahlt aus, wovor uns die HumorarbeiterInnen des Neoliberalismus immer gewarnt haben: Betroffenheit. File under: konkurrenzgesellschaftliche Optimierung und Gemütsautotuning. Das Betroffensein von Mutter ist kein Mitgefühl-to-go, sondern Distanzlosigkeit, die auf die konkrete Traurigkeit konkreter Menschen in abstrakten Verhältnissen zoomt. V. a. Max Müllers Stimme hat jenes Elend, das gesellschaftliche Wirklichkeit, nicht existenzielle Konstante ist, in sich aufgesogen, um es wieder auszukotzen und sich darin zu wälzen. GG Allin meets Mutter Theresa. Vgl. die Livefassung von »Alt und schwul«, dem beklemmenden Antihit der ersten LP »Ich schäme mich Gedanken zu haben die andere Menschen in ihrer Würde verletzen«. Und es gibt eine Wiederbegegnung mit dem erhobenen Zeigefinger (auch so ein No-Go). Die Fingernägel tiefschwarz, die Knöchel schorfbedeckt richtet er sich noch einmal auf. Ob er uns etwas zeigen oder sich nur an Stellen kratzen will, von denen wir lieber schweigen wollen, lässt sich nicht sagen. Aber egal, für den Fall einer ?berdosis Pro7-Comedy gehört Muttermusik in jedes Medizinschränkchen. Als Manager und Freund kümmert sich Behnke noch um Klaus Beyer. Beyer ist »der deutsche Beatles« und wurde in skug ja schon ausführlich vorgestellt. Mit »Das Wei&szlige Album« hat er seine ganz private Beatleswerdung abgeschlossen und endlich alle Beatlesplatten ins Deutsche übertragen. Als Zugabe schiebt er »Hey Jude« nach, eine Zusammenstellung von Singles, die nicht auf den offiziellen Studioalben enthalten waren. Ohrwürmer wie »Nicht zu Kaufen« und »Taschenbuch Schreiber« sind eine gute Einstiegsluke in Beyers Welt und können die Beschäftigung mit schwierigerem Material wie »Glück ist ein warmes Gewehr« und »Erdbeerfeld für immer« vorbereiten. Beyers Platten sind dabei viel mehr (und viel komplexer) als jene Incredibly Strange Music, die er natürlich trotzdem zu höchster Vollendung führt. Aber dazu ein andermal. »Die Shaolin Affen EP« bietet ihm Erholung vom Beatleskatalog. Hier interpretiert er Songs von Osaka Popstar. Trotz oder wegen der Beteiligung ehemaliger Misfits und Ramones spielen die eher altersweitsichtigen Glampunk, den wir schon oft genug gehört haben. Mit Beyers Hilfe kommt aber auch der die entscheidende Galaxie weiter.

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