© ÅÅsAA
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Farväl ShitKid; hej ÅÅsAA

Die schwedische Sängerin Åsa Söderquist veröffentlichte von 2016 bis 2023 Musik unter dem Namen ShitKid und bereicherte die Punkszene mit ihrem frechen Lo-Fi-Sound. Heute nennt sie sich ÅÅsAA und macht Electropop.

Aufgewachsen in der schwedischen Kleinstadt Kramfors, zog Åsa Söderquist mit nur 16 Jahren nach Göteborg und war dort Teil einer Punkband, bis sie unter dem Namen ShitKid ihre Solokarriere begann. Auf ihre selbstbetitelte Debüt-EP 2016 folgte das erste Album »Fish« im Jahr 2017. Das Albumcover inszenierte Söderquist in 1950er-Jahre-Schlager-Ästhetik: Vor gelbem Hintergrund steht sie da in biederer Bluse und Blümchenrock, zwei geflochtene Zöpfe werden von Schleifen zusammengehalten, im Arm hält sie eine Akustikgitarre, der Blick ist strahlend lächelnd in die Ferne gerichtet. »Modern Music by ShitKid« steht in großen pinken Lettern über ihr geschrieben. Fast könnte man sich beirren lassen von diesem Anblick. Doch der Künstlername allein reicht aus, um die Ironie zu erkennen, noch bevor man sich das Album anhört. Eine Platte, die mit »Never Seen a Girl« behutsam eingeleitet wird, ab dem zweiten Titel jedoch an Tempo und Rotz gewinnt. Mit patzigem, provokativem Gesang auf Melodien, die nach Wohnzimmersession und Kassettenrekorder klingen, gelang ShitKid damit der überzeugende Auftakt zu einer unverzichtbaren Diskografie. 

Parody Pop

Es folgten abwechslungsreiche Releases, vom verspielten Pop-Punk-Album »Detention« aus 2019 bis zum von Synths und Drumcomputer dominierten Langspieler »20/20 ShitKid« aus dem Folgejahr. ShitKid brachte außerdem 2019 mit The Melvins die »Bangers«-EP heraus, nachdem sie gemeinsam durch die USA und Europa getourt waren, und veröffentlichte 2020 mit »Duo Limbo / Mellan Himmel å Helvete« ein halb englisches, halb schwedisches Album. Noch dazu lieferte sie im selben Jahr den Soundtrack zu »Always Amber«, einem Dokumentarfilm, in dem es um Genderidentität geht. 

Seit Beginn ihrer produktiven Musikkarriere probierte Söderquist sich in verschiedenen Genres aus, parodierte sie offenherzig und doch mit Hingabe. Wenn sie Lust auf einen Popsong hatte, schrieb sie einen Popsong; wenn der nächste in Richtung Doom ging, dann kam er eben auf ein anderes Album. Unter dieser Prämisse funktionierte ihr Projekt, bis sie es 2021 an den Nagel hängte. »Sort Stjerne!«, schwarzer Stern, sollte der letzte Release unter dem Namen ShitKid sein. Dabei handelt es sich um 23 bis dahin unveröffentlichte Songs, unfertig, undurchsichtig und ebenso charmant wie ihr Debüt. 

Bevor das Kapitel ShitKid beendet war, erschien 2023 noch »Rejected Fish« – eine Neuauflage ihres Debütalbums, mit frischen Masters und komplexeren Tonspuren. Damit zog Söderquist aber endgültig den Schlussstrich, zumindest für ShitKid. Auf dem dazugehörigen Instagram-Kanal postete sie den Hinweis, dass Follower auf dieser Seite keine Neuigkeiten mehr zu erwarten hätten und lieber dem neuen Profil folgen sollten. Dort postete sie seit Dezember 2024 verschiedene Ausführungen des Albumcovers, welches das Debüt von ÅÅsAA schmückt. Erschienen ist dieses selbstbetitelte Album am 1. Februar 2025.

Parody Electropop?

Wer Söderquists Schaffen der letzten Jahre verfolgte und schätzte, muss die neue Wende mit Spannung erwartet haben. Die zuvor veröffentlichten Fotos gaben vage Hinweise auf ein modernes Image; auf einen cleanen und futuristischen Sound. Es sind Porträts der Künstlerin, entweder in kühler Farbgebung mit silbern glänzendem Tribal-Geweih oder rosa leuchtend mit durchsichtig schimmernden Teufelshörnern auf dem Kopf. Sie suggerieren Progressivität, Stärke – und irgendwie auch Synths. Mit letzteren dient ÅÅsAA allemal. Dieses neue Projekt ist ein elektronisches, es ist Electropop, vielleicht ein bisschen Wave, aber das ist heute eh fast alles. »Looking For Something Else« heißt der erste Titel und beschreibt wahrscheinlich genau das, womit Söderquist die letzten Jahre beschäftigt war. Ob sie es nun gefunden hat, in dubbigen Beats, sinnlich gehauchten Lyrics und repetitiven Songschemata?

Die übrigen Songs haben Titel wie »Brat Guys«, »In Da Club« oder »Silly Girl« und klingen ein bisschen wie das, was brat guys und silly girls in da club hören würden. Catchy sind sie immerhin, die Kompositionen zwar nicht revolutionär, doch das ist auch nicht der Anspruch. Es ist eben something else, Söderquist möchte nicht mehr ShitKid sein und wem der neue Kram nicht taugt, der*die hat genügend alte EPs und Alben, die immer und immer wieder gehört werden können. Wer weiß, vielleicht macht sie sich auch nur über Electropop lustig und meint alles ironisch. Damit wäre zumindest ein bisschen ShitKid-Attitüde übrig.

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Text
Ariana Koochi

Veröffentlichung
04.02.2025

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