The Who ist eine jener Bands vor der umsichtige Musiklehrer zuweilen warnen. Musik, Texte und auch die Plattencover verstehen es den Geist von Teenagern zu erfassen und zeitweilig komplett auszufüllen. Endlich scheint das Entscheidende deutlich ausgesprochen: Mit der Welt der Erwachsenen stimmt einfach etwas nicht! Die Verlogenheit der Alten ist unaushaltbar. Allerdings kann sich auch herrlich lustig drüber gemacht werden. Bei The Who war Aufmucken immer auch oberwitzig. Ihre Verbindung von wildwütender Aggression und ständigem Wunsch die Leute zum Lachen zu bringen war singulär. Diese Fähigkeit allerdings, das aus dem Frust erwachsene Bedürfnis alles kurz und klein zu schlagen, ironisch zu durchweben, wurde mit dem Tod des Schlagzeugers Keith Moon zu Grabe getragen. Er war es gewesen, der begonnen hatte die Instrumente durch den Raum zu schmeißen und damit den Sound von The Who so wunderbar abzurunden. Roger Daltrey und Pete Townsend haben es ihm nur nachgemacht und der Bassist John Entwistle hat sich und seine Instrumente meist nur in Sicherheit gebracht.
Deswegen waren die Warnungen von Musiklehrern, The Who nicht zu viel Glauben zu schenken, deplatziert. The Who hat nie mit falschen Versprechungen agiert und die zarten Seelen junger Menschen verführt, denn es war ja alles offensichtlich ironisch. Die Diskrepanz zwischen dem sozialen Elend ihrer Fans und dem Wohlleben der Rockstars von The Who wurde immer offen dargelegt. Nur in einem Punkt waren die Warnungen berechtigt, denn im Laufe der fortschreitenden Adoleszenz war es zunehmend schwieriger aus den Werken von The Who noch Sinn zu filtrieren oder gar Lebensorientierung. Neil Young, Bruce Springsteen oder – ohne Frage – Bob Dylan altern mit ihren Hörerinnen und Hörern. In späteren Jahren entsteht zwar eine Distanz zu der ein oder anderen triefig geratenen Kitschpassage, aber es kann weiterhin ein Bezug aufgebaut werden. Vielleicht zeigen sich sogar erst mit eigener Reife tiefere Dimensionen der Werke (Okay, das gilt nur für Dylan), aber bei The Who? Es ist wirklich alles ein bisschen beknackt. Was bitte soll das für eine Metapher sein? Ein blinder Taubstummer der wahnsinnig gut flippert? Das ergibt mit Siebzehn eine kurze Weile Sinn und dann darf man sich ein bisschen verarscht vorkommen während man die Aufnäher von der Jacke kletzelt. Zumindest das Wort »prätentiös« beginnt einem dann irgendwie einzuleuchten.
Fast vier Jahrzehnte Abschiedstournee
Nach Keith Moons Tod 1978 war es irgendwie um The Who geschehen. Ein Rätsel, das niemand, insbesondere die Bandmitglieder, je lösen konnte. Nach 1978 schien alle Innovationskraft verbraucht. Der heute allseits bekannte Signature Tune der Fernsehserie CSI »Who are you?« wurde zum Siegel der Hits. Danach kam nichts mehr. Die Feier des Vergangenen wurde für die Band zu einer Belastung über die sie gerne in Interviews Auskunft gab. Bei diesen Interviews blitzte wieder ihre Humorbegabung durch. So sehr, dass fast gesagt werden kann, diese Gespräche wären ihr neues künstlerisches Ausdrucksmittel, nachdem es mit der Musik nicht mehr lief. Ähnlich wie der alte Heiner Müller, der nicht mehr dichten, sondern nur mehr quatschen wollte, beschenkten sie die Welt mit den schönsten und abgeklärtesten Rockanekdoten. Einige Kostproben. Roger Daltreys Zusammenfassung von Woodstock: Alle, absolut alle waren auf Droge, deswegen behaupten sie das Festival sei so gut gewesen, weil sie sich an nichts mehr erinnern können. Als Sänger habe man nie Spaß, weil man einfach fit sein müsse. Seit Anfang der 1970er fülle Mick Jagger Tee in Whiskeyflaschen und esse dauernd Jogurt und bei ihm (Daltrey) sei es nicht anders. Pete Townsend meinte, als er jung war, habe er sich vorgestellt, es sei cool in jeden Club reinzukommen und nicht in der Schlange zu stehen. Heute denke er, die meisten Clubs lohne es nicht zu betreten und außerdem mache es ihm gar nichts aus mit anderen in einer Schlange zu stehen.
Die Frage ob eine Band Ironie hat oder die Ironie die Band, gehört zu den schwer entscheidbaren Poprätseln. Auf der jetzigen Tour »The Who Hits 51« (51 sind die Jahre seit der Gründung) kann jede und jeder versuchen sich selbst ein Urteil zu bilden. Und mit einer Sache haben sie sicher Recht behalten: Mit der Welt der Erwachsenen stimmt wirklich etwas nicht. Es fällt nur weniger auf, wenn man selbst dazu gehört. Wer sich noch dran erinnern kann, wie lieb er einmal The Who gehabt hat, könnte sie also in der Wiener Stadthalle am 14.9. besuchen oder auch Leute, die einfach ein immer noch ziemlich, verdammt gutes Rockkonzert sehen wollen.