Das Alte Kino im Sandleitenhof. Foto © Hansel Sato
Das Alte Kino im Sandleitenhof. Foto © Hansel Sato

»Es entsteht Asche und ein Video«

In Sandleiten gibt es im Rahmen von SOHO in Ottakring derzeit eine Ausstellung zum Thema »Arbeit«. In was für einer Zeit leben wir? In einer, in der Künstlerinnen ihre Werke verbrennen?

Ein Feuerzeug auf einem Podest. Ein Spot erzeugt einen Lichtstrahl auf das Feuerzeug. Es strahlt und blendet beinahe. In der dreiteiligen Installation »Fluxus Fire« setzen sich die Künstlerinnen Iv Toshain und Anna Ceeh mit ihrem Arbeitsverhältnis als freie Künstlerinnen auseinander. »Wie kann das Arbeitsverhältnis einer freien Künstlerin definiert werden? Als ein Arbeitsverhältnis zu sich selbst?« steht im SOHO-Ausstellungs-Folder. Dieses Hinterfragen ihrer Arbeitssituation führte dazu, dass die beiden ihr Lager auflösten und ihr Archiv öffentlich verbrannten.

Der Film über die Kunstwerkeverbrennung an der grauen Donau im grauen Sand passt gut in das Alte Kino von Sandleiten, in dem SOHO in Ottakring die Ausstellung »Die Arbeit ist noch nicht zu Ende« präsentiert. Unrenoviert und aus Sandstein, mit einem trotzigen Charme, ist es ein gelungener, relativ großer Ausstellungsort für »art in progress«. Gleichzeitig macht das für die Ausstellung produzierte Werk unglaublich traurig. In was für einer Zeit leben wir? In einer, in der Künstlerinnen ihre Lagerkosten nicht mehr bezahlen können und ihre Kunst verbrennen?

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Iv Toshain und Anna Ceeh »Fluxus Fire«.
Foto © Hansel Sato

Kleine orangenfarbene Flammenwellen zerstören die Poster, auf denen zum Beispiel Marina Abramovic oder Nicolaus Schafhausen abgebildet wurden. Die junge Künstlerin mit dem flatternden Totenkopfschal stellt die Performance positiv dar: »Uns geht es auch um Humor. Unsere Poster wurden auf der ganzen Welt gehängt. Was ist nun der nächste Schritt? Wie bringen wir den an den Mann? Wir lachen darüber und verbrennen das. So entsteht die Asche und das Video.« Auch wenn die Künstlerinnen die Verbrennung ihres Lagers als eine Art von Befreiung darstellen (»We transfer«) bleibt ein Rest von Traurigkeit. Angesichts der historischen Assoziationen natürlich. Die sicher mitbedacht wurden.

Destroy all art

»Es geht auch um die Verdrängung von Kunstwerken«, erklärt Kurator Hansel Sato. »Online kann man nicht löschen. Nur das Materielle verschwindet«, ergänzt eine der Künstlerinnen. Doch selbst Kunst überlebt nicht. Denn auch online können ganze Blogs von heute auf morgen verschwinden, offline gehen. Im Gegensatz zu einem Kunstwerk im Roma-Pavillon auf der Venedig Biennale vor ein paar Jahren, in dem Roma-Kinder die in den Rinnstein gefallenen Flusen eines Baumes anzündeten und so laufende, leuchtende Spuren erzeugten, wirkt der Film von FXXXism Toshain/Ceeh trist. Auch durch die Außenperspektive auf Wien, von der Donau aus. Künstlerinnen vor den Toren Wiens. Trauer- und Erneuerungsrituale in der Dämmerung. Kurator Sato glaubt im Gespräch sowieso, dass alles erst noch schlimmer werden muss, bevor die Menschen aufstehen und etwas Neues entstehen kann. Wohl die einzige positive Vorstellung, die man der politischen Lage derzeit abgewinnen kann.

Der Fotograf Wolfgang Krammer, der im Sandleitenhof einen Verlag betreibt, untersuchte die Produktionskette von Holz für die Möbelindustrie. Er erhielt keinen Fototermin für das Holzfällen, weil es so gefährlich ist. Fotografierte aber die österreichischen Dörfer, durch die die schwer beladenen Holzlaster im Minutentakt fahren. Alles tschechische Lastwägen mit Diesel. »Es ist unsicher, ob im nördlichen Weinviertel aufgeforstet wird«, sagt Krammer auf Nachfrage. »Ganze Regionen müssten eigentlich aufgeforstet werden.«

»Use these matchs to destroy all art« steht auf der Zündholzschachtel von Ben Vautier, von der ein Foto an die Wand gebeamt wird. »Keep last match for this match«. Es handelt sich um die »Total Art Matchbox from Flux Year Box 2« aus 1968. Fluxus Kunst. Total Art? Kann es die überhaupt geben? Und wie wäre ihr Verhältnis zu dieser »gebauten Ideologie des roten Wiens« (Sato) im Sandleitenhof im äußeren Ottakring?

www.sohoinottakring.at

Einreichung für das nächste SOHO in Ottakring bis 8. November 2017.

Home / Kultur / Open Spaces

Text
Kerstin Kellermann

Veröffentlichung
30.10.2017

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