© Niko Tavernise/Netflix
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Ein Meteorit als Metapher

Adam McKays stargespickte Komödie über das Ende der Welt darf als gelungen gelten, trotz zweier Baufehler: Sie wird der wahren Absurdität nicht gerecht und ist etwas zu einseitig in ihrer Schmähung.

Leonardo DiCaprio und Jennifer Lawrence spielen in »Don’t look up« zwei dieser ridiculously good looking people, die sie aufgrund ihres Aussehens eben immer spielen. Diesmal sollen sie ein bisschen heruntergeputzt werden durch ungeschickte Kleidung und unpassende Haartrachten. Das gelingt aber nicht wirklich und damit stolpert der Film gleich zu Beginn in eine dieser Unaufrichtigkeiten. »Don’t look up« will auf Seiten der »einfachen Leute« sein, in diesem Fall der ehrlich arbeitenden Wissenschaftler*innen, die mit winziger Karriere ihr Dasein in der Provinz fristen. Dann wird aber eben doch auf den Starstruck-Effekt gesetzt, weil sich die beiden Hauptdarsteller*innen im Laufe des Films von angeblich »hässlichen Entlein« zu Hotties entwickeln, die vom ganzen sterbenden Planeten begehrt werden. Zwar wird dies im Film selbst ironisiert, wenn DiCaprios Charakter Dr. Randall Mindy von den sozialen Netzwerken als AILF (Astrophysicist I’d like to fuck) gehandelt wird und in eine Affäre mit der Starmoderatorin Brie Evantee (ebenso hochkarätig besetzt mit Cate Blanchett) stolpert. Dennoch exerziert der Film zugleich die ausgelutschte Trope vom Landei durch, das gar nicht weiß, wie sexy es ist, und dann in der großen Stadt aufblühen darf. Der ungeheuer selbstreflektierte Film, der sich den »Wahnsinn« unserer Medienwelt noch mehr zum Thema gemacht hat als die Auseinandersetzung mit dem Weltuntergang durch Klimawandel, kommt damit aus der angeprangerten Absurdität nie ganz raus. Er benutzt die Stars eben als Stars und hofiert sie standesgemäß, während er zugleich das Starsystem kritisieren will.

Es ist ganz schön kompliziert

Diese Unfähigkeit, eine echte Gegenwelt zum Glamour zu entwerfen, zeigt sich auch sehr schön an dem Einsatz von Ariana Grande und Kid Cudi. Die beiden spielen, was sie sind, zwei sehr angesagte Music-Acts, die im Film ihr Beziehungsleben als Riley Bina und DJ Chello öffentlich ausleben und damit die Aufmerksamkeit der Öffentlichkeit vom drohenden Weltuntergang wegziehen. Das gelingt ihnen herzhaft übertrieben und witzig. Allerdings hätten sie niemals bei dem Film mitgemacht, wenn sie darin reine Witzfiguren geblieben wären. Somit erlaubt ihnen der Plot eine Läuterung und deshalb singen sie später im Film eine Herzschmerzballade, die dazu aufruft, die drohende Katastrophe ernst zu nehmen. Was bedeutet dies aber für die Kritik an der kaputten Medienwelt, deren Mechanismen im Film bissig verspottet werden sollen? Am Ende sind unsere Superstars eh ganz nett und helfen, wo sie können? Ernsthaft? Gegenthese: Die Macher*innen des Films sind den Stars, die sie für genügend große Publicity ihres Werkes brauchten, an einen dunklen Ort gekrochen. Und damit perpetuiert der Film eben jene Mechanismen starfixierter Aufmerksamkeitsökonomie, die er anzuprangern gedenkt.

Das ist aber ein noch eher harmloser Nebenwiderspruch. Unverkennbar ist der Meteoriteneinschlag ein handwerklich schlauer Kniff, um die Folgen des Klimawandels zu thematisieren. Letztere sind im Film schwer darzustellen, weil sie sich vergleichsweise langsam vollziehen. Der Meteorit kommt innerhalb von sechs Monaten und ist damit dem auf Tempo getrimmten Medium Film angemessener. Die Probleme sind fraglos ähnlich. Eine globale Bedrohung, die nur durch eine gemeinsame Anstrengung (möglicherweise) abwendbar wäre. Leider trifft der Meteorit, genauso wie der wirkliche Klimawandel, auf eine Weltgesellschaft, die der Aufgabe nicht gewachsen zu sein scheint, womit die schwierige Situation erst richtig knifflig wird.

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Die Reichen sind böse und dumm

In der Zeichnung dieses Problemzusammenhangs hat der Film seine größte Stärke. Zunächst wird die Gefahr aufgrund anderer politischer Streitigkeiten schlicht geleugnet. Dann aber soll die Katastrophe von einem Sexting der US-Präsidentin (sehr lustig: Meryl Streep) ablenken, die einen Softpornodarsteller zum Höchstrichter gemacht hat. So weit, so leider realistisch. Plötzlich wird das ganze nationale Getöse der US-Supermacht aufgeboten, um die Welt zu retten, und eine Armada aus Nukes könnte das Meteoritenproblem aus der Welt bomben. Aber weit gefehlt. Der detailgenau gezeichnete Milliardär-Psychopath Peter Isherwell (gespielt von Mark Rylance) kann – weil Superspender der Präsidentin – die Raketen stoppen lassen, nachdem er entdeckt hat, dass der Meteorit für den Bau von Smartphones wertvolle Substanzen enthält. Der durchgeknallte Superreiche schlägt deshalb vor, die edlen Metalle des Meteoriten für die Menschheit zu nutzen. Unerschöpflicher Reichtum für alle winke, den sich Isherwell selbstverständlich allein einzuverleiben gedenkt.

Diese Wendung sitzt schmerzlich gut. Die Ergebenheit Big Tech gegenüber und dessen Fähigkeit, die Öffentlichkeit zu manipulieren, ist bestürzend realistisch gezeichnet. Der Tech-Heiland Isherwell möchte mit seinen Superrobotern den Meteoriten in kleine Teile sprengen und dann die Brocken aus dem Ozean fischen lassen. Ein windiges und wenig aussichtsreiches Projekt, dem aber alle zustimmen (auch zeitweilig Leonardo DiCaprios Dr. Mindy), weil sie vom drittreichsten Mann der Welt gekauft wurden. Jeff Bezos, Elon Musk und Bill Gates öffentliches Agieren ist damit zunächst schlau eingefangen. Allerdings, diese allzu realen Endzeitfiguren propagieren mit ihren windigen Weltraum- und Klimarettungsversprechen eine bessere Welt, an die sie selbst nicht eine Minute lang glauben. Sie kaschieren damit lediglich ihre eigenen Profitabsichten. Dies wiederum kann der Film nicht aufzeigen. Isherwell will nicht, wie seine realen Vorbilder, öffentlichen Gelder erbeuten und Marktmacht durch neue digitale Infrastruktur aufbauen, sondern scheint wirklich an den von ihm verbreiteten Unsinn einer Nutzung des Meteoriten zu glauben.

Einseitiges Ende

Damit ist das Schicksal der Welt besiegelt. Wenn Superreiche das Ruder übernehmen, ist die Welt verloren. Eine zutreffende Botschaft, die sich die Zuseher*innen mitnehmen dürfen. Ansonsten drischt der Film ein wenig zu einseitig auf die Rednecks und Trump-Anhänger*innen ein. Deren fraglos vorhandene Leichtgläubigkeit wird ausgiebig – und zutreffend – dargestellt. Der Meteorit nähert sich der Erde? Einfach nicht zum Himmel schauen (»Don’t look up«) und das Problem ist gelöst. Treffend wird auch aufgezeigt, wie schwer eine Debatte geworden ist, wenn die wissenschaftlichen Fakten zum politischen Streitfall geworden sind. Die eine Seite will einfach nicht wahrhaben, was nicht mehr zu leugnen ist, weil sie damit der anderen Seite beipflichten müssten. Die einen schauen deshalb dauernd rauf, die anderen hingegen nie. Die häufig in Qualitätsmedien (von »Standard« bis »Spiegel«) zu lesende »Analyse«, dass die verfeindeten Lager endlich wieder aufeinander zugehen müssten, wird ebenso clever karikiert. Man solle eben zugleich nach oben und nach unten schauen, sagt ein Pundit im Fernsehen, um damit das Land zu heilen. Das ist natürlich Blödsinn und längst nicht mehr möglich. Weder im Film, noch in der Realität.

Das eigentliche Problem fällt hierbei unter den Tisch. Es ist ziemlich billig, die Dummheit der »Klimaskeptiker*innen« anzuprangern, wenn zugleich nicht die andere Seite ihr Fett wegbekommt. Warum verfolgen die angeblich avancierten Kräfte nicht ein konsequentes Gegenprogramm? Jede*r kann gerne einmal Grünenpolitiker*innen oder grüne Parteimitglieder aus der Nachbarschaft darauf ansprechen. Österreich hat einen grünen Vizekanzler, der ununterbrochen den jeweils aktuellen ÖVP-Kanzler über den grünen Klee lobt. Deutsche Grüne haben Christian Lindner zum Finanzminister gemacht. Da meint es jemand offensichtlich nicht ganz ernst mit dem Klimaschutz, sondern hat es sich mit der Schutzbehauptung bequem gemacht, es könne sich nichts ändern, weil einfach die parlamentarischen Mehrheiten fehlen. Die Lächerlichkeit dieses Defätismus, diese himmelschreiende Verantwortungslosigkeit von (halb-)linken Kräften, die es sich auf ihren Posten und Pöstchen bequem gemacht haben, hätte der Film ebenso aufs Korn nehmen können. Die meisten US-Demokrat*innen sind beispielsweise mit dem Abblasen des »Green New Deal« ja nicht soooooo unzufrieden. Diesen Spott spart sich der Film komplett und zeichnet damit ein bequemes Bild, das auf die rechten und konservativen Kräfte lustvoll einschlägt, die den Film ohnehin nicht ansehen werden.

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Falsches Finale

Nachdem alles verloren ist, trifft sich die heilige Familie zum letzten Abendmahl. Dr. Mindy (DiCaprio) wird von seiner betrogenen Ehefrau zurückgenommen, seine Doktorandin (Lawrence) hat sich einen braven Boy aufgegabelt, der nicht ganz ihre Kragenweite hat, aber sogar beten kann. Damit die Gesellschaft ein bisschen divers ist, kommt als Person of Colour auch noch Dr. Teddy Oglethorpe (Rob Morgan) mit hinzu, weil er offenbar kein eigenes Familienleben hat. Man versichert sich, es zumindest versucht zu haben, und will die letzten Stunden mit einem guten Essen verbringen. Dr. Mindy sagt am Ende den schönsten und schwermütigsten Satz des Films. Als alle über ihre kulinarischen Vorlieben sinnieren, meint er, eigentlich hätten sie alles gehabt. Damit hat er Recht. Die Bilder von Neugeborenen, von Nilpferdbabys und ihren Müttern, von Ameisen und sonstigem freundlichen Getier erinnern noch einmal daran, wie schön diese Welt ist und wie viel Liebenswertes sie beinhaltet. Es ist eine Schande, dass wir dies so geringschätzen. Der Komet knallt rein, ein letzter Lichtblitz und der Film hätte zu Ende sein sollen.

Ist er aber leider nicht und stellt sich damit ein letztes Mal selbst ein Bein. Die Gravität des Themas Weltuntergang verträgt keine weiteren Witzchen. Der Film verkneift sie sich aber leider nicht und fiedelt damit zugleich das Liedchen der Milliardärspropaganda. Die Präsidentin und der mit der Rettung der Welt gescheiterte Peter Isherwell hatten natürlich einen Plan B. Sie düsen mit einem Fluchtraumschiff durchs Weltall und entkommen dem Inferno. Dies ist aus zwei Gründen falsch. Einerseits wird die Explosion der Welt zum dümmlichen, schon tausendmal durchexerzierten Eye Candy. Ja, sieht wirklich toll aus, wie mit CGI alles in Stücke fliegt. Damit wird aber der letzte Moment der Protagonist*innen banalisiert, die nichts mehr sehen als den großen Knall. Die Zuseher*innen dürfen die göttliche Außenperspektive genießen, in der alles in Zeitlupe geschieht. Das ist Illusion und falsche Versöhnung zugleich. Dein Streben, liebe*r Erdenbürger*in, wird nicht so »groß« enden. Es wird nur ein leises »Puff« sein und aus ist’s. Allein in diesem »falschen« Finale zeigt sich diese gewisse Unfähigkeit des Films, sich der wahren Absurdität und Tragik seines Themas zu stellen.

Schlimmer noch, die Reichen kommen davon und fliegen auf einen fernen Planeten. Da werden sie zwar nackig im Garten Eden von riesigen Hühnern verspeist, aber diese Pointe ist schal und verlogen. Zum Mitschreiben: Es gibt keinen bewohnbaren Planeten, der jemals mit Raumschiffen zu erreichen wäre. Der nächstgelegene (wenig aussichtsreiche) Kandidat (Proxima Centauri b) für erträgliche Lebensbedingungen ist mehr als 40 Billionen Kilometer entfernt. Die mindestens fünfzehn Jahrtausende währende Reise dorthin würde Maschinen erfordern, die (völlig unbekannte) lebenserhaltende Maßnahmen für die im Raumschiff (eingefrorenen?) Menschen bereitstellen müssten. Ein Lebenserhaltungs- und Navigationsapparat, der mehrere Jahrtausende lang fehlerfrei funktioniert? Come on! Eine absurde und völlig falsche Hoffnung, die der Film – wenn auch ironisch – illustriert. Die unsinnige Propaganda der superreichen Sternenträumer wird damit unnötig weiterverbreitet. Dabei wäre den filmguckenden Erdbewohner*innen offen und ehrlich nur eines zu sagen: »Dieser Planet oder keiner.«

Link: Netflix

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