Foto: C C Hennix <br />&copy; Magdalena Blaszczuk
Foto: C C Hennix
© Magdalena Blaszczuk

Drones zwischen Mathematik und Spiritualität

Catherine Christer Hennix ist nicht nur Komponistin, sondern auch Philosophin, Mathematikerin und bildende Künstlerin. Ein E-Mail-Interview anlässlich ihrer Artist in Residence an der Akademie der bildenden Künste und des Kontraste-Gastspiels ihres Ensembles The Choras(s)an Time-Court Mirage.

skug: Es scheint kein Zufall zu sein, dass Ihre Masterclass in einer Institution stattfand, die nicht primär der Musik, sondern der bildenden Kunst gewidmet ist. Das Nebeneinander unterschiedlicher Zugänge ist auch kennzeichnend für Ihr Werk …

Catherine Christer Hennix: Historisch gesehen ist es nichts Ungewöhnliches, wenn Disziplinen wie Musik und bildende Kunst aufeinander Einfluss nehmen. Was die Verbindung zur Naturwissenschaft angeht: Die Akustik ist ein Teilbereich der Physik, zu dessen Veranschaulichung mathematische Modelle herangezogen werden. Dieser Aspekt kommt natürlich besonders stark im Bereich des computergestützten Komponierens zum Tragen. Einen weiteren wichtigen Punkt bilden jüngere Forschungen über »weiche Materie«: Sie lassen nämlich ein psychoakustisches Paradigma erkennen, das neues Licht auf die bewusstseinserweiternde Wirkung von Musik werfen könnte. Das ist ein Hauptthema bei dem Projekt »Illuminatory Sound Environment«, mit dem Henry Flint und ich uns derzeit beschäftigen.

Am Anfang Ihrer musikalischen Laufbahn wurden Sie von Komponisten wie Lannis Xenakis oder Karlheinz Stockhausen beeinflusst, Sie arbeiteten mit Avantgarde-Größen wie La Monte Young zusammen, und in den 1970ern begann wiederum Ihre Kooperation mit dem »Anti-Art«-Philosophen Henry Flynt. Wie verbinden sich diese unterschiedlichen Zugänge in Ihrer Arbeit?

Im Hinduismus, im Islam und im Judentum gibt es keinen Gegensatz zwischen Wissenschaft und Spiritualität. Selbst der Vatikan lädt WissenschaftlerInnen ein, über subatomare Physik und Quantenkosmologie zu sprechen. Wir wissen nicht sehr viel darüber, worin die Natur des Klanges besteht und wie er auf uns wirkt. Experimentelle Musik ist ein Versuch, dieses Defizit zu beheben.

Seit Ihrem Studium bei Pandith Pran Nath beschäftigen Sie sich mit der Beziehung zwischen Avantgarde und traditioneller indischer Musik. Wie gehen Sie mit den politischen Machtstrukturen um, die im Verhältnis zwischen Ost und West notwendigerweise mitschwingen?

Ich betrachte meine Arbeit nicht als politisch, möchte damit aber sehr wohl auf Wissensgebiete hinweisen, die von der westlichen Kultur ignoriert werden. Wenn das als politische Äußerung missverstanden wird, dann beruht dieses Missverständnis gerade auf jener Ignoranz, der ich entgegenzuwirken versuche.

In den 1970ern bot die Beschäftigung mit nichtwestlicher Philosophie und Musik eine Alternative zu westlichen Vorstellungen von Zivilisation …

Darin besteht ein wesentlicher Aspekt meiner Arbeit, der natürlich den gängigen westlichen Werten widerspricht. Aber nachdem ich auch strenge Wissenschaft schätze, befinde ich mich ebenso im Konflikt mit den Werten der gegenwärtigen orientalischen Kultur. Wenn wir bedenken, dass der Westen die Naturwissenschaft vom Islam übernommen hat, ist es paradox, dass der heutige Islam in wissenschaftlicher Hinsicht hinter dem Westen zurückgeblieben ist. Al-Farabi, ein Gelehrter aus dem 10. Jahrhundert, gehörte einem Sufi-Orden an, was ihn nicht daran hinderte, den Westen mit dem Trivium und dem Quadrivium bekannt zu machen. Ich sehe meinen Zugang zum Klang als Versuch, diese Ansätze zu verbinden und zu ihrer wechselseitigen Befruchtung beizutragen.

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Text
Lena Dražic

Veröffentlichung
07.10.2013

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