Thomas Edlinger © Ingo Pertramer
Thomas Edlinger © Ingo Pertramer

»Die Zukunft ist abgesagt«

Ein Gespräch mit Thomas Edlinger, künstlerischer Leiter des Donaufestivals, über die endlose Gegenwart, eine verlorene Zukunft und das unbändige Gefühl, die Vergangenheit nicht mehr loszuwerden.

Die »endlose Gegenwart« ist das Leitmotiv des diesjährigen Donaufestivals, das zwischen 27. April und 6. Mai 2018 in Krems stattfinden wird. »Nichts endet wirklich, aber auch nichts beginnt neu«, heißt es da im Programmheft. Wir, die von einem steten Drang nach Selbstoptimierung und Gewinnmaximierung Getriebenen, sind damit gemeint. In gewisser Weise soll alles gleich und doch letztlich alles anders, besser und optimierter sein – der nächste Klick ist der nächste Kick, nie zur Ruhe kommen in einem ewigen Rausch der Sinne, dem Verlangen nach nichts anderem als purer Hedonie. skug hat den Kulturjournalisten und künstlerischen Leiter des Donaufestivals Thomas Edlinger vorab getroffen, um ein Gespräch zu führen über die verlorene Zukunft als Äquivalent zur endlosen Gegenwart, das Zombiehafte von kulturellen Formen und das Gefühl, die Vergangenheit nicht mehr loswerden zu können.

skug: Herr Edlinger, wann haben Sie zuletzt ein Album gehört, das für Sie gänzlich neu und überraschend war?
Thomas Edlinger: Gute Frage! Das Album von Farce (»Ich sehe im vorbeifahrenden Auto den Unfall mitvorbeifahren in Zeitlupe und rueckwaerts«), einer österreichischen Künstlerin, hat mich sehr positiv überrascht und wirklich emotional eingenommen. Vielleicht auch das Album von Chino Amobi (»Paradiso«). Ein Album, das ich vielleicht gar nicht oft hören würde, weil es nicht wirklich einen Hörgenuss im herkömmlichen Sinne bietet. Aber mit der Art, wie es konzeptuell aufgebaut ist, sticht es doch sehr heraus. Es ist aber gar nicht so einfach, diese Frage zu beantworten – womit wir wahrscheinlich schon bei dem Thema der Innovationsansprüche oder dessen sind, was ein Album einzigartig macht. Mit der Zeit türmen sich ja auch immer mehr Hörerlebnisse auf. Das ist ganz unabhängig von der Entwicklung der Musik, quasi ein Gewöhnungseffekt, der sich beim jahrzehntelangen Hören von popmusikalischen Sachen einfach ergibt.

Ich stelle diese Frage ja auch in Bezug auf das diesjährige Leitmotiv des Donaufestivals: »endlose Gegenwart«. Der britische Kulturjournalist Mark Fisher hat einmal geschrieben, dass die Vergangenheit nicht vergessen und die Gegenwart nicht erinnert werden kann. Leben wir in einer Gegenwart der ständigen Vergangenheit?
Ich glaube, die Gegenwart unterhält ein eigenartiges Verhältnis mit der Vergangenheit. Es ist oft von einer Retromanie die Rede. Simon Reynolds hat das ja ausgiebig diskutiert und seine Belegstücke auch überzeugend vorgestellt. Allerdings glaube ich nicht, dass nur eine einfache Sehnsucht nach der guten alten Zeit am Werk ist. Die Retromanie zeigt vielleicht den Taumel einer Gegenwart an, die nach Bezugspunkten in einer Vergangenheit sucht, von der sie glaubt, dass sie dort noch so etwas wie Zukunft entdecken könnte. Also eine Art funktionierende Zeitlichkeit oder Perspektive. Das ist ein Wunsch, der sich ironischerweise eben in die Vergangenheit richtet. Nicht ohne Grund sind die 1960er-Jahre ein Bezugspunkt der Vergangenheit, weil die Sixties eine Gegenwart waren, in der es nach vorne ging. Das ist das Eigenartige an diesen retrofuturistischen Bezügen auf das Vergangene. Wir können die Vergangenheit nicht mehr in dem Ausmaß abschließen oder überwinden, wie es ein historisierender Zeitbegriff vorgeschlagen hat. Wenn man sich so etwas wie die Französische Revolution vorstellt, das war ein Abschluss mit der Vergangenheit: »Weg mit dem Palast«. Auch die Avantgardisten haben davon gesprochen, dass die Vergangenheit abgeschlossen wird, dass allein diese Begrifflichkeit in den Mülleimer der Geschichte gehört.

Heute haben wir es mit dem Zombiehaften von kulturellen Formen zu tun, aber auch von politischen Ideologien, die eine Wiedergängerexistenz entwickelt haben. Jacques Derrida hat von Marx’ Gespenstern gesprochen, aber es ist nicht nur der Marxismus, der sich als untote Bewegung zeigt. Es sind zum Beispiel auch die Religionen, die nie überwunden oder vorschnell auf einem Müllplatz der Geschichte entsorgt wurden. Wir sehen aber, dass sie gar nicht tot sind. In der Musik findet man das auch. Das ist viel diskutiert und gerade auch von Mark Fisher sehr überzeugend dargestellt worden; also wie sich über bestimmte Bezüge auf Sehnsüchte in der Vergangenheit eben diese Vergangenheit als spukhafte Qualität wiederfindet. Zum Beispiel in der Musik von Burial oder von Demdike Stare. Festzustellen ist das auch in der bildenden Kunst. Seit zwei Jahrzehnten wird davon gesprochen, dass die Moderne unsere Antike ist und dass der Versuch besteht, bestimmte Ausformungen und Errungenschaften der Moderne zu retten oder aber in deformierter Form weiterleben zu lassen. Die Gegenwartskultur kann sich von der Vergangenheit nicht lösen, wird von ihr heimgesucht und unterhält eine gestörte On-Off-Beziehung mit ihr.

FAKA © Nick Widmer

Könnte man sagen, dass uns die Gegenwart heute gar nicht mehr bewusst ist? Sind wir gefangen in einem Loop – unfähig, neue Erinnerungen zu erzeugen?
Wenn man es pointiert formuliert, würde ich sagen ja. Es gibt eine Art Atmosphäre, eine Stimmung der Endlosigkeit von Gegenwart. Das entzieht sich jetzt natürlich einer wissenschaftlichen Beweisführung. Eine Stimmung ist ein Gefühl der Gesellschaft. Ich glaube aber schon, dass es dieses Gefühl gibt, einerseits aus dieser Empfindung heraus, die Vergangenheit nicht loswerden zu können, sie quasi im Rücken sich auftürmen zu sehen und zugleich den Bezug und die Perspektive auf eine Zukunft verloren zu haben, die etwas anderes ist als die Verlängerung der Gegenwart. Natürlich passiert die Zukunft, sie bedrängt uns sogar in vielerlei Hinsicht. Aber sie präsentiert sich nicht als utopische Qualität. Die Vorstellung, zum Mond fliegen zu können, ist uns abhandengekommen. Wir sind schon sehr lange nicht mehr auf dem Mond gewesen. Die Zukunft ist in gewisser Weise abgesagt.

Sie haben vor Kurzem in der FM4-Sendung »Im Sumpf« ein Interview mit dem Soziologen Heinz Bude geführt, der das ähnlich formuliert hat: »Die Zukunft ist verbaut, sie ist eine Kategorie der Bedrohung.« Die verlorene Zukunft als Äquivalent zur endlosen Gegenwart, wäre das nicht sogar das plakativere Leitmotiv?
Könnte man so sehen. Die Zukunft ist allerdings schon länger verbaut, zugestellt und zurückgewiesen. Kulturell oder populärkulturell beginnt die Zukunftsskepsis ja bereits in den späten 1960er-Jahren, die sich dann im Punk, in »No Future« und im Vorwurf gegen die »Wreckers of Civilization«, die Industrial-Ikonen Throbbing Gristle, zeigt. Schon in den 1970er-Jahren erschien die Zukunft als verdüsterte, graue Qualität. Punk war ja dann so etwas wie eine symptomatische, kulturelle Verdunkelung dieser Aussicht auf Zukunft. »No Future« war eben nicht ohne Grund eine exemplarische Aussage von Punk. Auf einem geschichtsphilosophischen Level hat man dann in den späten 1980er-Jahren von einem Ende der Geschichte gesprochen; sicher auch eine berühmte Zeitdiagnose, die ja eher mit dem Zusammenbruch des Realsozialismus und der Vorstellung zu tun hatte, dass sich dann so etwas wie eine marktwirtschaftlich orientierte, liberale Demokratie als dominante Regierungsform global durchsetzen würde. Eine Zeit lang hat es ja auch so ausgesehen, als würde das im Großen und Ganzen hinkommen. Jetzt sehen wir, dass das realpolitisch so nicht zu halten war. Eine zusätzlich neue Qualität ist mittlerweile, dass die Verdunkelung der Zukunft atmosphärisch schon dadurch gewährleistet ist, dass wir das Gefühl haben, sie jeden Tag dadurch zu verbauen, wie wir leben. Es braucht also keinen »roten Knopf« mehr wie in früheren Dystopie-Vorstellungen.

Heute äußert sich die Vorstellung des Katastrophischen der Zukunft so, dass die Gegenwart einfach weitergeht, dass wir den Kipppunkt also schon versäumt haben, um das Rad der Geschichte neu zu justieren. Nach dem Motto: »Es ist schon fünf nach Zwölf, nicht mehr fünf vor Zwölf.« Und möglicherweise haben wir gar nicht auf die Uhr gesehen, oder sehen die Uhr nicht. Diese Vorstellung ist relativ neu. Aus meiner Sicht kommen aber noch zwei andere Wahrnehmungen dazu. Das eine ist der verstärkte Rückgriff der Zukunft auf die Gegenwart, die die Gegenwart ständig neu umbaut. Zum Beispiel im Bereich der Finanzspekulationen, wo man auf die Zukunft wettet, diese Wetten aber rückwirkend andauernd die Gegenwart umformen, und zwar in einer Art der Beschleunigung, der Engführung von Gegenwart und Zukunft. Das sind dann keine getrennten Kategorien mehr, sondern ein ineinandergreifendes, maschinelles Netzwerk. Zum anderen verlangt die Digitalisierung heute im Alltag ein beständiges Kontinuum von uns selbst in Netzwerken. Man steht in der Früh auf, schaltet den Computer ein und es ist egal, wann dir jemand eine E-Mail geschickt hat. So tickt ja auch die Ökonomie, nicht ohne Grund heißen Supermärkte »24/7«. Alle Warenumschlagplätze laufen 24 Stunden.

Vor Kurzem habe ich von europäischen Nachrichtenportalen gelesen, die in Australien oder New York eigene Büros aufmachen, um die Zeitverschiebung zu umgehen. Weil es eben nicht mehr reicht, den ständigen Feed nur noch zu den eigenen Bürozeiten zu füllen. All das beschreibt ja auch eine Endlosigkeit der Betriebsamkeit, die sich gegen den Schlaf als Unterbrechung und gegen jegliche Formen menschlicher Zeit richtet. Das Festival MaerzMusik in Berlin spricht zum Beispiel von einem Krieg der verschiedenen Zeitlichkeiten, in dem wir uns befinden. Digitale, netzwerkkapitalistisch organisierte Zeit vs. menschliche Zeit vs. Zeit, die sich in Form von Naturphänomenen ausbreitet. Gletscher haben ein anderes Zeitempfinden als Menschen und die wiederum ein anderes als digitale An- und Verkäufe an den Börsen. All das beschreibt, was man unter dem Stichwort der endlosen Gegenwart benennen könnte.

The Agency © Nico Schmied

Das geht in einer gewissen Weise auch mit einer Uniformität, einer Gleichförmigkeit der globalisierten Welt einher. Dabei wäre doch Spannung die notwendige Ressource für Transformation und Veränderung. Fehlt gegenwärtig die Spannung in der Kunst, in der Gesellschaft, vielleicht auch in der Musik?
Vielleicht ist die netzwerkkapitalistisch organisierte Zeit eine ganz gute Beschreibung für eine auf Uniformität, auf eine Synchronizität und Gleichförmigkeit – im Sinne eines Austausches von Zeichen und von Kapital – abstellende Qualität, die sich weiter ausbreitet. Im Zuge des Festivals interessiert es mich aber nicht allein, diesen Umstand bloß festzustellen und in eine defätistische Haltung zu verfallen, sondern vielmehr zu sehen, wo denn Störgeräusche möglich sind, wo etwas zu knirschen beginnt und wo es ein temporal zu fassendes Aufbegehren gibt – als eine Art Ungleichzeitigkeit des Gleichzeitigen, die man auch zeigen und vorstellen kann. Natürlich ist das nicht so leicht zu finden und natürlich bieten sich hier auch keine einfachen Lösungen an. Es ist eher ein Versuch, aus diesem globalisierten Takt der Zeit herauszufallen. Ich glaube, dass das durch verschiedene Formen entstehen kann. Beispielsweise durch Übertreibungen, Überaffirmationen, die eine Tendenz erkenntlich machen und dadurch eine Verdichtung, eine Kompression oder gewissermaßen Irrwitz vorstellen, der einen in Turbulenzen stürzt. Umgekehrt können es aber auch genauso gut Verlangsamungen und Brüche sein, die den Versuch des Heraustretens beschreiben. In beide Richtungen tendiert das Programm des Donaufestivals.

Sie haben die Überaffirmation angesprochen, aber auch die Kritik. Vor einigen Jahren haben Sie ein ganzes Buch zur Kritik geschrieben. Gibt es die Kritik als subversives, substanzielles Element eigentlich noch?
Die gibt es fraglos. Was es aber gleichzeitig auch gibt, ist ein Abnutzungskrieg in der Kritik, also bestimmte Formen des kritischen Vokabulars oder des kritischen Gestus, die von Abnutzung bedroht oder als stumpf, als leer, als phrasenhaft erscheinen. Zugleich ist die Kritik als Ressource für künstlerisches Arbeiten extrem begehrt. Sowohl von KünstlerInnen als auch generell von dem ganzen Betrieb. Institutionen lechzen heute nach Institutionskritik. Das ist eine Standardressource, die hergestellt werden soll. Das kann man zum Beispiel an der Rhetorik von Biennalen erkennen. Es gibt kaum mehr eine relevante Verkaufsmesse, die nicht das Vokabular der Kritik für sich selbst beansprucht. Auf der einen Seite ist Kritik also sehr begehrt, hat sich ausgebreitet – kaum jemand will mehr unkritisch sein, weder KünstlerInnen, aber auch KuratorInnen nicht. Selbst KäuferInnen im Kunstsystem geben sich gern kritisch. Das ist es auch, was ich in meinem Buch zu beschreiben versucht habe. Diese Paradoxien, die aus dem Ganzen heraus entstehen. Was heißt das also für kritisches Handeln im künstlerischen Zusammenhang? Muss man dann bestimmte Strategien, die als kritisch gelten, neu bewerten? Muss man sich neu überlegen, ob diese überhaupt noch eine Funktion erfüllen? Und gibt es auf der anderen Seite auch Formen der Ästhetik oder des künstlerischen Handelns, die von sich gar nicht mehr beanspruchen, kritisch zu sein, und vielleicht gerade deshalb eine interessante, aufsprengende Qualität erzeugen?

Das fasst ja auch das Eigenartige an kritischer Kunst zusammen. Wenn man ihre kritische Absicht zu schnell oder zu vordergründig erkennt, dann ist man vielleicht nicht verstimmt, aber die Kritik ist unter Umständen stumpf und erfüllt eher ein Ritual, als dass sie tatsächlich etwas ausrichten kann. Ein heute vielfach zu bemerkendes Problem mit kritischer Kunst ist ja, dass sie eine leicht durchschaubare und dadurch auch instrumentalisierbare Form annimmt, bei der sich alle gut fühlen, solange sie bei dem Spiel mitmachen, während die Kunst gleichzeitig wenig aussagt und bewirkt. Das wäre mein Unbehagen mit der Kritik, was aber natürlich nicht heißt, dass jede Form von Kritik deswegen entsorgt ist. Die Frage ist eben nur, wie man Kritik betreibt. Mit meinem Buch habe ich den Versuch unternommen, Kritik nicht abermals als Metakritik der Kritik zu kritisieren, sondern überhaupt eine andere Sprache, eine andere Reflexionsform zur Kritik vorzuschlagen.

Rudi van der Meerwe © Beatrix Gyenes

Um einen Schwenk hin zum Programm des Donaufestivals zu machen. Es wird ein gewohnt interessantes Musik- und Performance-Programm präsentiert. Dazu kommt ein sehr vielversprechendes Diskurs-Format, u. a. mit Simon Reynolds, Tilman Baumgärtel, Christian Dany und Armen Avanessian. Im Vergleich zum restlichen Festival-Programm hier aber auffallend viele Männer …
Naja, es sind schon auch Frauen dabei. Eva Horn wird zu Gast sein. Außerdem ist Karin Harrasser zu Gast, Veronica Kaup-Hasler moderiert. Es sind also schon auch Frauen dabei. Bei den geladenen Gästen im Diskursprogramm vor Ort, das stimmt, ist es nicht ganz ausgeglichen. Im Reader, mit den geschriebenen Beiträgen, ist es hingegen ausgewogen. Beispielsweise haben auch Kathrin Röggla und Marina Gioti Texte dafür verfasst.

Mir ist das nur auf den ersten Blick aufgefallen. Frauen haben also nicht weniger zur endlosen Gegenwart zu sagen als Männer?
Nein, natürlich nicht. Es hat sich zufällig so ergeben, dass das Verhältnis der geladenen Talk-Gäste nicht genau 50:50 ausgefallen ist. In der bildenden Kunst sind es dafür mehr Frauen. Ich hoffe, es gleicht sich halbwegs aus. Letztes Jahr waren im Diskursprogramm eine Spur mehr Frauen vertreten. Wir trachten dementsprechend schon danach, dass das Programm über alle Formate hinweg auch bezüglich des Geschlechterverhältnisses ausgewogen ausfällt.

Am letzten Tag des Festivals findet ein acht Stunden langes Format namens »as waves go by« statt. Mit dabei sind unter anderem KünstlerInnen wie Chra und Gosheven. Was kann sich das Publikum davon erwarten?
Ich hoffe zum einen, dass es als Format, als Erfahrung tatsächlich noch einmal auf eine spannende Weise mit dem Festivalmotto in Dialog tritt. Es ist der Versuch, ein ineinandergreifendes Ganzes entstehen zu lassen, bei dem sich die einzelnen KünstlerInnen nicht nur im metaphorischen Sinn den Stecker in die Hand geben. Es soll eine Situation entstehen, die zwischen Jam-Session, Improvisation und Konzert zu verorten ist. Musik, die auf- und abschwillt; die sich an dem, was vorher war, orientiert und im besten Fall darauf reagiert. Gleichzeitig ist das kein unmittelbarer Zwang. Wir werden sehen, wie das die einzelnen MusikerInnen handhaben werden, weil vor allem auch die Musikstile – zwischen Elektronik, Gitarrenmusik und Drone – verschieden sind. Ich hoffe jedenfalls, dass dieses Format die BesucherInnen im Sinn einer ausgedehnten Wahrnehmung herausfordert. Was es also heißt, wenn man dort (Forum Frohner, Anm.) stundenlang Zeit verbringt und die Musik zwischen Ambient und genauerem Zuhören verschwimmt; wenn man nicht genau weiß, wann das Eine aufhört und das Nächste beginnt. Gleichzeitig fragen wir auch danach, was es heißt, wenn man – so wie bei in die Länge gezogenen Performances – einfach mal kommt, dann wieder geht, sich ein Getränk holt, um irgendwann wieder zurückzukehren, also in einem anderen Moment in diesen Strom eintaucht. Deswegen eben auch die Wellenmetapher als Titel. Wenn man am Meer liegt, geht man unter Umständen vielleicht auch mal in den Schatten und kommt später wieder, um das Meer in einer anderen Stimmung vorzufinden: aufgepeitscht, ruhig, bei Nacht, bei Tag.

Würden Sie sagen, dass das Festivalprogramm die Stimmung der Gegenwart abbildet, sie repräsentiert?
Das wäre vermessen zu sagen. Aber ich hoffe, dass es doch ein paar interessante Vorschläge zeigt, wie man die Gegenwart heute kulturell bearbeiten kann. Aber es ist schon der Anspruch da – einerseits über die Programmauswahl und andererseits über die Entwicklung der Leitmotive – eine Art Glossar der Gegenwart zu entwickeln, einen Werkzeugkasten zur Erkundung der Gegenwart. Wenn man nach dem Festival nach Hause geht und es einen Mehrwert gibt, der über das Programm hinausgeht, wenn das Festival das herzustellen vermag und die Menschen weiter etwas damit anfangen können, dann wäre ich sehr glücklich damit.

Nadah El Shazly © Sidy Benamar

Das Donaufestival findet von 27. April bis 6. Mai 2018 in Krems statt. Einen Ausblick darauf sowie das ganze Interview mit Thomas Edlinger gibt es am Dienstag, dem 17. April 2018 ab 21:00 Uhr auf Radio Orange zu hören. Eine Reihe von Empfehlungen findet sich außerdem hier: »Endlose Gegenwart«, interrupted

Link: https://www.donaufestival.at

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