A wie Anfang. Und die Behauptung des Komponisten Peter Ablinger: »Information ist Redundanz.« Ein Zitat zu seiner Stückreihe von O-Tönen mit Klavierbegleitung lautet: »Jede Beschreibung, Erklärung, Analyse, Definition ist genau in der analogen Weise Verdoppelung, Wiederholung, Redundanz, wie das die Tautologie auch ist. Entsprechendes gilt auch für ›Information‹. Es ist nicht so, dass Information das ist, was sich vom Redundanten abhebt. Es ist vielmehr umgekehrt, dass Information ohne Redundanz gar nicht möglich ist. Redundanz hat etwas zu tun mit ›Rahmen‹; etwas wiederholen, heißt, es näher zu fassen kriegen, es fixieren, ausschneiden aus seiner Umgebung, es rahmen.« Es gibt keine Kunst ohne Rahmen.
E wie Epilog. E wie Ende. Jetzt schon? Nein, eher: »Prekär zu leben, bedeutet, nicht planen zu können. Andererseits fördert es das Wahrnehmungsvermögen, denn man arbeitet mit dem, was zur Hand ist«, so die Anthropologin Anna Lowenhaupt Tsing. Sie folgt einem Pilz bis ans Ende der Welt. »Übersetzung ist – der Anthropologin Shibo Satsuka zufolge – die Überführung einer welterzeugenden Bestrebung in eine andere.« Und noch ein Zitat aus ihrem Buch über das Leben in den Ruinen des Kapitalismus: »Störungen richten die Möglichkeiten für sich wechselseitig verändernde Begegnungen neu aus.« Anna Lowenhaupt Tsing gibt zu bedenken, dass wir »den Beurteilungsverfahren Aufmerksamkeit zollen, durch die wir überhaupt erst von einer Störung sprechen.« Es gibt keine Kunst ohne Störung.
I wie Innovationsfieber und Wiederholungswahn. I wie: Immer wieder neu ewig das Gleiche. Befindet die Erziehungswissenschafterin Marianne Gronemeyer. Wer erzieht zur Kunst? Aber zitieren wir die Kunst: »Paradoxerweise wird das Leben von Kunstwerken oft besser geschützt als das Leben von Menschen, Tieren und Pflanzen. Kulturelle Barbarei oder ein großes kulturelles Desaster rufen bei den Menschen schneller geschlossene Verachtung hervor als die Barbarei der Gewalt gegen Menschen, die Tag für Tag in unserer Nähe geschieht.« Und noch ein Zitat von Bojana Kunst: »Wenn wir Kunsträume wirklich als Orte der Zuflucht, als Orte einer gemeinsamen Heilung, einer sinnlichen und materiellen Neuorientierung von Körpern denken, dann sind die Orte der Kunst in Wirklichkeit weniger Zufluchtsstätten als vielmehr eine Art von Brutstätten, in denen sich Menschen treffen, für die nicht gesorgt wird, sodass die Besorgnis um sich selbst zu einem Teil der Sorge wird.« Es gibt keine Kunst ohne Schutzräume.
Oder ist es ganz anders. Wann leidet zum Beispiel die Kunst? »Die Kunst leidet, wenn der Künstler alles mag«, so Chilly Gonzales. Und in seinem Song »Supervillain« bekennt er: »If I wanted culture I would eat a yogurt.« O wie overseer. O wie O-Ton Bojana Kunst – once again: »Aber bereits die Unterscheidung zwischen verschiedenen Bedeutungen des Wortes care im Englischen kompliziert die Vorstellung, dass sich dieses Wort von vornherein mit einem guten Wert verbinde, denn curator kann im Englischen, wie die Kuratorin Kate Fowle schreibt, auch guardian (Wächter, auch Vormund) und overseer (Aufseher) bedeuten.« Es gibt keine Kunst ohne Aufsicht.
Und wie lässt sich die Arbeit an dem transversalen Begriff, an dem Hyperobjekt Sorge nun rahmen? Die Architektin Hannah Mucha sucht nach der Verräumlichung der Sorge. Joan Tronto und Berenice Fisher unterscheiden in »Towards a Feminist Theory of Caring« folgende Phasen der Sorge: »Caring about / Besorgt sein oder sich sorgen (um). Taking Care of / sich kümmern um oder sorgen für. Care-giving / Sorgen oder (Aufrecht-)Erhalten. Care-receiving / Sorge empfangen. Caring with / die solidarische Sorge.« Es gibt keine Kunst ohne Sorgen. Es gibt keine Kunst ohne Sorgende. Und kein Ende.
*Anmerkung Redundanz: von lateinisch »redundare«: überlaufen, reichlich ergießen. Das Vorhandensein überflüssiger Information.Â
*Anmerkung Tautologie: inhaltliche Wiederholung.
Quellen (chronologisch):
A
Peter Ablinger: »Voices and Piano« (Liner notes), Kairos Music, 2009
E
Anna Tsing Lowenhaupt: »Der Pilz am Ende der Welt. Über das Leben in den Ruinen des Kapitalismus«, Verlag Matthes & Seitz, 2018
I
Marianne Gronemeyer: »Immer wieder neu und ewig das Gleiche. Innovationsfieber und Wiederholungswahn«, Verlag Primus, 2000
Bojana Kunst: »Das Leben der Kunst. Transversale Linien der Sorge«, transversal texts, 2023
O
Chilly Gonzales: »Enya. A Treatise on Unguilty Pleasures«, Rough Trade Books, 2020
U
Hanna Mucha: »Die Verräumlichung der Sorge«, Diplomarbeit TU Wien, 2023