33 Autoren schreiben über 33 deutschsprachige Popsongs. Im Gegensatz zum Ansatz von Nick Hornby geht es dabei nicht vordergründig über Lieblingslieder, sondern um Songs, die aus irgendwelchen Gründen besondere Relevanz für den Autor haben. Das reicht von Klaus Theweleits flammendem, mit Herzblut und Ärger geschriebenem Plädoyer für die Anerkennung von »Ich will nicht werden, was mein Alter ist« von Ton Steine Scherben als ersten genuin deutschen Rocksong, über eine blendend recherchierte Hintergrundstory über den »Skandal im Sperrbezirk« der ewigen bayrischen Rocker von der Spider Murphy Gang, bis hin zur nicht ganz verdienten, aber trotzdem stringenten und vor allem witzigen Textzerlegung von Hannes Waders »Rohr im Wind«. Wenzel Storch zieht darin alle Register, um einen eigentlich romantisch-egoistischen Text über das Herumtreiben und das Musikersein, in die Hölle der Lächerlichkeit zu transferieren. Nicht unerwähnt soll bleiben, dass auch Mitarbeiter dieser Zeitschrift diesem Band ihren Stempel aufdrücken. Alfred Pranzl widmet sich Sigi Marons »Ballade Von Ana Hoatn Wochn«, besser bekannt als »Leckts mi am Oasch«, einem Stück ewigen österreichischen Kulurgutes, wie dem »Herrn Karl« oder Danzers »Ruaf mi Ned An«. Das Duo Heinrich Deisl/Michael Giebl arbeitet sich an Falcos »Amadeus« und dem Nachhall von Mozart in Üsterreich ab. Der Band bietet 33 einmalige Positionen zu bemerkenswerten Songs, und lädt geradezu ein, in eine der einschlägigen Plattformen einzusteigen, um den famosen Sound der Ton Steine Scherben zu erleben (im Jahr 1971 waren die Rolling Stones zwar vielleicht Wracks, aber keine Rentnergang), verwundert vor DDR-Hits zu stehen oder Tocotronic doch eine Chance zu geben. Selten wurde deutschsprachige Popmusik so leichtfüßig und ohne Bierernst abgefeiert und gleichzeitig Lust darauf gemacht diese Songs endlich zu hören.
Erik Waechtler, Simon Bunke (Hrsg.): »Lyrix – Lies mein Lied«, Freiburg: Orange Press 2011, 256 Seiten, EUR 20,60