Das Modell einer Damenkapelle in einem Pratergasthaus, die Bremsen und der Bremsensitz des Riesenrades aus 1895 oder die Ringelspielfigur »Fortuna« aus 1890: Im alten Pratermuseum im Wiener Planetarium sind nur noch die Inschriften der »freistehenden Großobjekte« zu sehen, die Objekte selbst fehlen, denn es wird gesiedelt. Ein Glücksspielkonzern gab eine lange, schmale Fläche mitten im Wurstelprater frei, nachdem das »kleine Glücksspiel« verboten worden war, und so wird auf diesem Gelände gerade das neue Pratermuseum errichtet. In der Straße des Ersten Mai. Mit viel Holz! Ein Lindwurm aus der Grottenbahn von 1955, die geballte Faust eines Kraftmessers, die einen Tisch zerschlägt, ein Heiratsvermittlungsapparat, aus dem nach Geldeinwurf der ideale Liebespartner herauskommen soll – auf einem Zettel.
»Wenn es ein wichtiges Thema in der Welt gab, dann kommt es im Prater an«, meint Wien-Museum-Kurator Werner Schwarz, »es zogen zum Beispiel viele wandernde anatomische Ausstellungen durch. Erstmals wurden in Europa den Menschen ihre eigenen Körper nahegelegt – im Sinne von Verklärung, nicht nur Aufklärung. Man ging nicht nur in den Prater, um sich zu amüsieren, sondern um sich selbst darzustellen. Der Prater ist ein theatraler Raum.« Der Kurator behauptet sogar eine sehr starke psychoanalytische Komponente des Praters: »Kinder verschwinden zum Beispiel im Karussell, um ein paar Sekunden später wieder ihre Eltern zu sehen. Durch Technik und Fantasie gleichzeitig wird ein Gegenstand wie ein Karussell mythologisch verblendet.«
Politischer Ort
Der Wiener Stadtforscher und Historiker Hans Pemmer sammelte ausführlich für sein privates Pratermuseum im dritten Bezirk, das schon in den 1930er-Jahren in seiner eigenen Wohnung angelegt war. In den 1960er-Jahren vermachte Pemmer dann seine Sammlung der Stadt Wien. »Pemmers Buch ›Prater einst und jetzt‹ ist die Bibel«, meint Kuratorin Susanne Winkler. Werner Schwarz interpretiert den Prater als »politischen Ort«. Er behauptet sogar fröhlich einen »Beginn der Demokratie« im Wurstelprater, denn »jedermann kann sich hier vergnügen. Seit der Eröffnung gab es keinen Zentraleintritt, niemand merkt, ob man dazu gehört oder nicht, auch wenn man kein Geld hat«.
Der Künstler Olaf Osten erstellt gerade ein riesiges Wimmelbild mit 600 Personen darauf, für den Durchgang im neuen Pratermuseum. Die Querung soll nämlich gratis sein. »Wir hoffen, die Leute zu erfreuen. Es gab einmal acht Kinos im Prater, das Erzählkino wanderte durch die Stadt. Das bewegte Bild, die Entwicklung der Optik spielt im Prater eine große Rolle. Die Querung soll Menschen anlocken, die in kein Museum gehen würden. Der Prater hat übrigens keine Bauordnung, es müssen nur die Sichtachsen frei bleiben. Jeder kann bauen, wie er will.«
Kolonialistischer Menschenzoo
Im Prater kann man sich riskanten Situationen in 120 Fahrgeschäften aussetzen. Von den zwanzig Praterfamilien stammen circa dreißig Prozent von einem sogenannten »Rumpfmenschen« ab, der zehn Kinder hatte und in »Menschenschauen« auftrat – einem schrecklichen, kolonialistischen »Zoo für Menschen«. »Es ging um den fremden, den abnormen und den gesunden Körper«, erklärt Schwarz. Wie die Zeit des Nationalsozialismus ausgeführt werden soll, wird auf der Pressekonferenz nicht genauer erläutert.
Im Planetarium schaut das Riesenrad durchs Fenster herein. Dessen Geschichte ist inzwischen den meisten bekannt, aber es gibt bestimmt noch viele Erzählungen aus den Generationen der diversen Praterfamilien dazu. Man darf gespannt sein. Im März 2024 soll die Eröffnung stattfinden. Ob der Platz reichen wird? Oder ob manchmal, wie in der singulären Ausstellung »Strange Views. Völkerschauen im Wiener Prater« der Kuratorin Karin Schneider vor vielen Jahren, auch Plätze wie Gasthäuser oder im Winter leerstehende Orte bespielt werden können?