»Der Plan« © Schultz-Berndt
»Der Plan« © Schultz-Berndt

Der Plan ist eine Dreifaltigkeit

Düsseldorf, 1979 - wir erinnern uns: Der Plan hatte ein Label und etwas zu sagen. Anfang der 1990er-Jahre war das hintersinnige, schräg-naiv klingende Trio auf dem Cover von skug #9. Nun wird Auferstehung gefeiert. Anlässlich des Comeback-Albums »Unkapitulierbar« (Veröffentlichung am 23. Juni 2017) standen Frank Fenstermacher und Kurt Dahlke skug Rede und Antwort. Moritz Reichelt, der dritte im Bunde, schwebt im Geiste darüber.

skug trifft Frank Fenstermacher, Mitbegründer von Fehlfarben/Der Plan, und Kurt Dahlke (aka Pyrolator), langjähriges Mitglied der Band, am Morgen nach dem Wiener Fehlfarben-Konzert (siehe Review hier) im Café beim Radiokulturhaus. Wir wollen uns allerdings vornehmlich über die neue Der-Plan-LP »Unkapitulierbar« unterhalten. Mit Formalitäten wird keine Zeit verloren und wir starten gleich hinein in die Misere unserer Zeit, die dadurch zu charakterisieren wäre, dass eine Kritik am kapitalistischen Produzieren kaum innerhalb kapitalistischen Produzierens möglich ist. Wo gibt es also noch Freiräume, die verhindern, dass wir als MusikerInnen, PerformerInnen oder auch MusikjournalistInnen nicht zu prekären Spaßangestellten reduziert werden? Zu Unterhaltungspunks, die noch so tun als ob … Ein paar erfreuliche Entwicklungen gibt es aber auch und es werden sogar einige dieser raren Geschichten über finanzielle Erfolge ausgepackt. Irgendwann schaltet dann endlich jemand das Aufnahmegerät ein.

Kurt Dahlke: Irgendwas läuft hier komplett in die falsche Richtung. Man wird einmal bezahlt für eine Komposition, eine Aufführung, eine Produktion, und danach war es das. Vom Urheberrecht kann man sich verabschieden.

skug: Es geht nicht um Urheberrechte, es geht um Verwertungsrechte.

KD: Ja, genau das meine ich. Wir merken als Band Fehlfarben, dass früher beim Merchandising CDs gekauft wurden, vor vier, fünf Jahren wurde das Vinyl wieder
gekauft und jetzt eigentlich nur mehr T-Shirts. Die Leute schauen sich das Album an und sagen: »Oh das sieht aber hübsch aus« und kaufen sich das T-Shirt. Nach dem vierten Konzert der Tour sind wir mit T-Shirts ausverkauft.

Frank Fenstermacher: Wir machen eigentlich nur mehr Musik, um T-Shirts zu verkaufen. Nur T-Shirts würde wohl leider nicht ziehen …

KD: Tristan Perich aus Brooklyn verkauft die Musik nur mehr als ein Objekt. Das ist konsequent. Es ist dann CD-Hülle mit Kopfhöreranschluss und darin ist ein Chip, auf dem die Musik drauf ist. Das ist dann ein Unikat, das auch nicht viel mehr als eine CD kostet.

Um noch kurz bei dem unerfreulichen Thema zu bleiben: die Preise für Elvis-Platten gehen gerade in den Keller. Man hielt sie für eine Wertanlage, aber die Leute, die das gedacht haben, sterben jetzt alle und neue Käufer kommen nicht nach.

FF: Klar, es kommen jetzt viele Platten auf den Markt… und die Interessenten werden immer weniger.

KD: Aber um jetzt mal wirklich was Positives zu sagen, ich habe mir damals meinen Umzug nach Berlin finanziert mit dem Verkauf von drei Vinyl-Schallplatten.

Ja und welche waren das?

KD: Die erste Platte von La Monte Young, von der der Händler meinte, dies sei keine Schallplatte, sondern ein Kunstwerk, das in einer Hunderterauflage erschien und hatte leider oben einen kleinen Schaden am Cover, somit nicht mehr komplett Mint, also kann ich nur 380 Euro geben. Die zweite war 350 Euro für Le Forte Four, eine kalifornische Band …

FF: … aus dem Umfeld der LAFMS [Los Angeles Free Music Society] …

KD: … und die haben eine Platte gemacht, die sollte die lauteste der Welt sein. Ich war bei einem Konzert, man bekam beim Eintritt Ohrenstöpsel.

Klar.

KD: Und es war ein handkopiertes Cover in ganz kleiner Auflage. So war mit drei Platten der Umzug finanziert und das sind dann wieder die Vorteile vom Vinylsammeln.

FF: Zum richtigen Zeitpunkt abgestoßen – nicht wahr?

War das diese La Monte YoungPlatte, wo nur ein stehender Ton drauf ist?

KD: Genau. So ein Gong. Vorne war ein Gong aufgezeichnet. Ach ja – und wofür ich 500 Euro bekommen habe, das war die Kassettensammlung von Beate Bartel und Chrislo Haas, woraus nachher Liaisons Dangereuses entstanden ist. Die Sammlung war wirklich großartig.

FF: Ach Mensch, die hättest du behalten sollen, da hätten wir eine CD draus gemacht bei Ata Tak.

Wie waren denn gestern die Fehlfarben im Museum, der Sound und so?

FF: Ja, die Bilder haben die Farben leider gänzlich verloren, wie das halt mit Fehlfarben so ist. Farbe verschwunden, verändert. Vermutlich ein Riesenschaden.

Der Herr Richter wird toben.

FF: Ist noch nicht klar, ob die Versicherung das zahlt oder wir.

KD: Ich war überrascht über den Raum, der ist ja eigentlich sehr geometrisch und hat viel Glas. Wir haben sehr Angst gehabt vor den Shutter Delays, aber sie hatten eine ausgezeichnete PA mit Line Arrays, die die Plätze einzeln bestrahlen.

FF: Die Leute waren vom Klang des Konzertes begeistert.

KD: Und wir hatten auf der Bühne auch ein gutes Gefühl, das hat Spaß gemacht.

Es waren Leute von skug da, die alles berichten werden.

FF: Naja, die haben das vielleicht anders gesehen …

Ja vielleicht, die sind sehr kritisch. Reden wir ein bisschen über Der Plan.

FF: Wenn es unbedingt sein muss, da war noch nie viel zu sagen.

Aber zu fragen. Deswegen haben wir Fragen, die ziemlich lang sind, damit so ein bisschen deskriptiv den LeserInnen was erzählt wird …

FF: Ja, dann fließt was ein. Da ist dann schon ein Kommentar in der Frage.

Genau. Vermutlich ist ja das skug-Publikum jenes Publikum, das sowieso den Plan schon gut kennt. Wir bewegen uns in erlesenen Kreisen. Ihr habt eine neue Platte vorgelegt und – wenn das noch niemand so in aller Deutlichkeit gesagt hat – die ist gut. Wir kommen um die Frage nicht herum, was sich in den letzten Jahrzehnten getan hat. Inwieweit hat sich die Band verändert und damit euer Produzieren, inwieweit hat sich das Plattenmachen heute gewandelt und damit euch? Konkret fällt auf: Auf »Unkapitulierbar« scheint stellenweise so eine altehrwürdige Liedtradition anzuklingen. Die Platte ist in Teilen eine Art »Winterreise« und wirkt thematisch schwerblütiger als frühere Aufnahmen, Titel wie »Der Herbst«, »Gesicht ohne Buch«, »Wie schwarz ist ein Rabe«. Es gibt die Liedzeile: »Ich weiß ich werde vergebens warten, denn das Tor wird kontrolliert«. Diese inhaltliche Stimmung wird getragen von melodisch klaren und reichen musikalischen Erfindungen, die – darf ich das sagen – nur mehr moderat absurd sind … Erleben wir hier einen milden und gereiften Plan?

KD: Die Altersmilde kommt sicherlich hinzu. Aber wenn ich auf die konkrete Frage zurückkommen darf: Wir haben angefangen mit nichts. »Geri Reig« war ein Programm, »making the most out oft he least«. Wir hatten damals nur einen Synthesizer, den MS 20, ein schönes Sennheiser-Mikrophon, eine Revox-Bandmaschine, und damit haben wir alles gemacht.

FF: Na und davor hatten wir ein Diktiergerät und einen Ûbungsraum, den Robert Görl von DAF und den Chrislo Haas als Mitmusikanten bei der ersten EP und das Diktiergerät hatte dann auch noch eine Batterieschwäche.

KD: Es haben sich mit den Jahren bis 1991 die Produktionsmittel verändert. Wir haben ein eigenes Studio gebaut. Und waren erstmals in der Lage, zu dritt Musik zu machen und nicht mehr einer nach dem anderen im Playbackverfahren. Bei der jetzigen Platte war es so, dass wir uns ein schweres Konzept vorgenommen hatten. Das Ganze sollte wie aus einem Guss klingen und wie eine Radiosendung funktionieren. Die Stücke sollten ineinander übergehen.

FF: Ja, so wie bei Zappa.

»A movie for your ears«.

KD: Genau. Von dem Konzept sind wir dann, je weiter wir kamen, immer weiter abgerückt. Eigentlich ist die Stärke, dass wir Songs machen, also Lieder machen. Ein Singer-Songwriter-Album von Der Plan – wenn ich so sagen darf. Die Ideen waren eher songorientiert und weniger experimentell. Vom ursprünglichen Konzept bleiben nur einige Stellen, wo wir so Collagen dazwischen gestreut haben oder Stücke ineinanderfließen ließen. Es ist eher in der Tradition der letzten Platten wie »Fremde und seltsame Welt« oder »Tiki Ballroom«, die hatten auch eher Songcharakter.

In dem File, das uns zum Vorhören geschickt wurde, ließen sich nicht alle Stücke anklicken. Das Konzept des Gesamteindrucks ist allein daran gescheitert.

KD: Ah, sehr schön.

FF: Und ich habe jetzt die CD oben liegen lassen …

Wie rum macht Der Plan das eigentlich, wenn ihr Songs macht? Gibt es eine textliche Idee, über die ihr redet, oder ist immer zuerst der musikalische Einfall da?

KD: Das kommt ganz drauf an. Eine Herangehensweise ist die, dass Frank ungefähr zehn Stücke in der Woche komponiert. Er hat einen unglaublichen Output.

FF: Aber ganz schnell und nur skizzenhaft.

KD: Es sind ja meistens Tracks, die er dann anliefert und die ich dann weiterverarbeite, und somit stammt die Ursprungsidee oft von Frank. Dann gibt es aber auch die Herangehensweise, wo ein Text da ist, wie beispielsweise bei »der Herbst«. Das war ein Text von Moritz [Reichelt], der schon über zehn Jahre bei ihm in der Schublade lag und wo er meinte, damit würde er gerne einen Song mit machen. Also die Herangehensweise ist bei jedem Stück ein bisschen anders.

Die musikalischen Ideen werden dann den anderen auf dem Saxophon vorgespielt?

FF (lacht): Nein, ich habe ein Zimmer mit vielen Perkussionsinstrumenten, Klavier, kleiner Orgel mit Akkordfunktionen, wie so eine alte Hohner mit Staubsaugermotor da drin und natürlich auch ein Programm im Rechner, zum Aufnehmen und Loopen. Und es steht eine Gitarre rum, die ich verstimmt habe und immer wieder neu stimme, weil ich ja kein Gitarrist bin. So skizziere ich zu Hause und freuʼ mich, wenn die anderen sagen, das ist ja gar nicht so schlecht …

KD: Na ja, aber ab und zu muss Frank eingebremst werden und nicht ganz so esoterisch sein, bitte. Außerdem liefert er dann auch wirklich sehr viel. Er ruft einen dann Ende der Woche an und sagt: »Hast du die Sachen gehört?« Und das war dann ein Zip-File mit 29 Songs.

FF: (lacht) Aha, jetzt kommt’s raus.

KD (lacht): Ja, jetzt kommt’s endlich raus.

FF: Okay, ich muss das also besser für euch sortieren, es mundgerechter machen. Na gut.

KD: Während bei Moritz es immer schon sehr klar ist. Der kommt und sagt: »Ich habe diesen Song, was können wir damit machen?« Dann setzen wir uns zu dritt hin. Wir haben uns bei »Unkapitulierbar« in zwei Abschnitten getroffen über drei Wochen hinweg und die Platte dann eingespielt. Es hat ja noch nie eine Plan-Platte gegeben, in der so viel gesungen wurde. Einfach, weil wir plötzlich Spaß hatten und sagten: »Lass uns mal Backing-Singen, da ist ja heute alles möglich«.

FF: Ach, wir hätten noch viel mehr singen können, hätten wir die Platte nicht so schnell rausgehauen.

Die Musik von Der Plan war immer sehr stofflich, in dem Sinne, dass die elektronischen Mittel immer als die elektronischen Mittel erschienen, die sie waren, also weder Sound noch Bilder sollen Natürlichkeit simulieren. Es scheint, deswegen altern die Sounds und Filme von Der Plan auch weniger, weil sie nicht ihrer mittlerweile überholten Ûberzeugungskraft überführt werden können. Euer Coverbild zu »Unkapitulierbar« habt ihr mit der DeepDream-Software bearbeitet, nicht wahr?

KD: Ja, stimmt.

Also ein Programm von Google, das automatisiert Muster mittels sogenannter »neuronaler Datenströme« erkennen soll. Meistens ergeben sich aus der Bildinterpretation dann diese charakteristischen Computerarabesken, wenn das Programm länger prozessiert, dann sieht es überall Hundevisagen.

KD: Ja, das sind verschiedene Einstellungen, die man innerhalb der Software machen kann. Also man kann auswählen, will man Richtung Tiergesichter, Richtung Pattern oder Richtung Landschaft. Insofern ist das Cover so, dass nur die Hintergründe verändert wurden. Unsere Gesichter und der Vordergrund aber kaum.

Klar, sonst hättet ihr Hundenase auf der Nase. Werner Herzog zum Beispiel reitet auch auf der Metapher rum, dass Maschinen jetzt »träumen«. Und was meint ihr nun, nach eurer jahrzehntelangen Arbeit mit elektronischen Medien, gibt es da die Idee von etwas Produktivem und Aktivem, das in den Apparaten drinsteckt? Die Träume der Maschinen?

KD: Na, ich träume ja schon ganz lange von so etwas. Es fing an in den Achtziger-Jahren mit einer Hardware, die nannte sich »Brontologic«, die damals von einem Düsseldorfer Elektroniker entwickelt wurde, und diese Hardware steht mittlerweile im rock’n’popmuseum in Gronau, die sie mir als Dauerleihgabe abgeluchst haben. Allerdings könnte ich sie auch gar nicht mehr aufstellen. Ich hab’ sie dann in Software verwandelt. Was ich jetzt gerne hätte, wäre eine Software, die mir die ganze Zeit Musik vorspielt und ich habe nur mehr den roten und den grünen Button und entscheide: finde ich das gut oder nicht. Daraufhin würde sich dann die Musik in meine Richtung verändern. Das Endziel der »Brontologic« ist eine Musik, die meinem Geschmack folgt. Das fließt dann auch in Produktionen ein, wo ich denke, hier setzen wir jetzt einen Faktor, einen modifizierten Zufall. Dieser steuerbare Zufall verhindert dann, dass es zu klar klingt. Das ist schon ein bisschen so wie du sagst, ein »deep dream«, in dem die Maschine befähigt wird, mitzudenken.

FF: Ich bin ja kein Maschinengläubiger und sehe kein Heil in der Maschine. Jedes Instrument hat seinen Klang und der Klang bringt mich dann auf eine Melodie, eine Rhythmik vielleicht oder auch etwas Atmosphärisches, was mich interessiert. Das kann eine Naseflöte oder ein Musikgenerator sein. Die Maschine ist ein Instrument, wie es viele andere gibt.

Ihr seid eine Zeit lang aufgetreten als Engel, Teufel und Roboter …

KD: Jaja, ganz genau.

… das schien ja so eine Dreieinigkeit …

FF: Wir sind immer dreifaltig gewesen. Wir waren auch eine Drei-Klassen-Band von unserer Herkunft her. Der Arbeiter, der Moritz aus dem akademischen Elternhaus und du [Kurt] warst ja der Kapitalist im Grunde genommen.

KD: …

FF: Also zumindest der Moritz war der …

KD: Intellektuelle.

Sein Vater war ein bekannter Maler.

FF: Nö, Arzt.

KD: Ja, aber hat auch gemalt. Es war bei Der Plan immer das Spannungsfeld, an dem wir uns gerieben haben: Engel, Teufel, Roboter. Frank ist der Analoge, der von Musik …

FF: … keine Ahnung hat …

KD: … und vom Instrument kommt. Das Instrument bedient und einfach macht. Moritz ist der, der sehr stark über die Dinge nachdenkt und sich intellektuell damit auseinandersetzt, bevor er etwas macht und ich …

FF: Er ist so der Dandy …

KD: … denke so stark in dem Computerbereich. Also die Dreiteilung ist geblieben.

Auf eurem Bandfoto zu »Unkapitulierbar« habt ihr die drei Kränkungen der Menschheit personifiziert durch Kopernikus, Freud und Darwin dargestellt, aber als Handpüppchen. Heißt das jetzt, wir sind durch mit den Kränkungen, die haben wir jetzt im Griff …

KD (lacht): Ja genau so kann man das sagen. Das sind nur mehr die Werkzeuge, die das 21. Jahrhundert zu bieten hat.

Die Kränkungen sind verarbeitet. Beruhigend. Machen wir kurz weiter mit der Ikonografie. Das Cover zeigt eine Bearbeitung des Delacroix-Gemäldes »Die Freiheit führt das Volk«. Man sieht am Boden die Flaggen der Nationalstaaten GB/USA und darüber das triumphale Banner der EU. Nun, wie soll ich sagen: Schaut es danach aus?

KD: Ist es nicht wirklich fantastisch, dass die ehemals Linke, die sich noch vor zehn Jahren gegen Europa und gegen die Globalisierung gestellt hat, plötzlich diejenige ist, die die Freiheit Europas verteidigen muss gegen den erstarkten Nationalismus. Das ist eine wunderbare Wendung der Geschichte. Wir müssen jetzt die Freiheit verteidigen, die wir lange in trockenen Tüchern geglaubt haben und die uns jetzt Schritt für Schritt genommen wird. Wir haben 1982 ein Konzert gegeben, da hat Moritz ganz laut den Slogan gerufen »Europäer wollen reisen ohne Grenzkontrollen«.

FF: Das war auf einem Parteitag der Grünen.

KD: Ja, das war einer der ersten Landesparteitage der Grünen und Moritz hat sich in den Vertrag reinschreiben lassen, Der Plan darf politisch sagen, was er will, und Moritz hat dann ein riesiges Poster entrollt, da stand drauf: »Die absolute Mehrheit wählt SPD.« Die Grünen haben uns nicht einmal ausgepfiffen, die haben nur gelacht. Und dann auch dieser Slogan »Europäer wollen reisen ohne Grenzkontrollen«. Es hat sich alles bewahrheitet in der EU und jetzt soll uns das wieder genommen werden. Das können wir nicht dulden, deswegen ist dieses Cover eine der zwei politischen Botschaften, die wir tatsächlich haben.

Und die zweite ist die mit den Grundrechten?

KD: Genau. Das Recht auf Wohnraum ist ein Recht, das die politischen Parteien von heute anscheinend verdrängt oder vergessen haben. Es ist aber ein ganz wichtiges Recht. Die urbanen Zonen, in denen sich die Menschen immer mehr ballen, darin geht der Wohnraum verloren, weil Spekulanten am Werke sind, die damit viel Geld verdienen wollen. Das Grundrecht auf Wohnen sollte im Grundgesetz verankert sein … ansonsten halten wir uns mit politischen Botschaften zurück.

FF: Mein Song »130«, zur Einführung von Tempo 130 auf deutschen Autobahnen, ist leider nicht genommen worden. War zu klein das Thema.

KD (lacht): Zu konkret.

FF: Obwohl ich ja die Partei wählen würde, die das auf ihr Programm setzt.

Es ist ein Wahnsinn. Man regt sich drüber auf, dass in den USA alle verrückt sind, weil jeder ’ne Waffe hat, und in Deutschland kann jeder Trottel mit 250 km/h fahren …

FF: Lauter Mörder. Haben alle schwarze Audis und vorne ’ne Strichliste, wie viele sie schon auf den LKW haben fahren lassen, weil sie Gas gegeben haben beim Ûberholen von rechts.

… und auf der Stoßstange klebt der Aufkleber »No Fear«.

KD: Für mich gab es so ein Erlebnis vor vierzehn Tagen in einem Club in Berlin. Draußen hat es unglaublich geknallt, alle sind nach draußen gelaufen – da sind zwei Autos in der Innenstadt Berlins mit 90 gegeneinander gefahren. Die haben sich ein Wettrennen geliefert. Ûber 200 Meter lagen die Einzelteile verstreut und die Autos waren Matsche. Ein Wunder, dass die Leute überlebt haben. Man fragt sich, weshalb regiert da so viel Dummheit.

Die Stadt Frankfurt hat ja mal versucht, Tempo 30 im Innenstadtgebiet einzuführen, und da waren die Bürgerinnen und Bürger kurz vorm bewaffneten Kampf. Dabei wäre sofort alles besser in Frankfurt oder Berlin.

KD: Es gibt ja Konzepte, die funktionieren. In London, auch wenn es ein komplettes Verkehrschaos gibt, muss jeder, der von außerhalb in die Innenstadt kommt, 9 Pfund bezahlen. Das ist ein vernünftiges Konzept. Im rot-rot-grünen Berlin ist das Konzept, die beiden Haupteinfahrtsstraßen nur mehr einspurig zu machen, dass jeden Morgen durchgesagt wird …

FF: Stau bis Hannover.

KD: So werden die Leute nicht gezwungen, auf den Nahverkehr umzusteigen.

Ich war an dem Morgen in London, nachdem Ken Livingstone die congestion charge eingeführt hatte, und das war eine unglaubliche Stimmung. Es war fast so, als ob sich die Leute auf der Straße umarmen wollten. Später wurde es wieder schlimmer, aber die ersten Tage war es eine andere Stadt, weil es fast keine Autos mehr gab …

FF: Genau. Sonntagsfahrverbot, das wär’s, das war gut.

KD: Ich bin vom Flughafen gefahren worden mit einem Chauffeur, wir haben in einem einzigen zähflüssigen Verkehr gestanden. Wir haben 35 Minuten bis Chelsea gebraucht und er stieg aus, schaute auf die Uhr und meinte: »Das ging aber heute gut«.

Es ist ja wirklich eine »fremde und seltsame Welt« in der wir leben.

KD: Kann man so sagen.

Die manchmal als Easy Listening gelabelten Stücke, wie zum Beispiel »Glitzer-Gleiter«, haben immer eine gewisse Horrorfilm-Qualität, es klingt, als würden sie im »Carnival of Lost Souls« erschallen. Ist diese Wirkung viel Arbeit oder passiert das einfach, weil euch da die verlorenen Seelen mithelfen?

KD: Die Absurdität der Realität hilft am meisten. Letztens kam ein angeheirateter Verwandter aus Neuseeland das erste Mal in den Kölner Karneval. Er hat überhaupt nicht begriffen, was das alles soll. Wir haben uns als Der Plan damals im Karneval als schwarze Clowns verkleidet. Alles komplett schwarz angemalt, auch die Gesichter und die Masken. Wir sind dann im Karneval angefeindet worden: »Das ist überhaupt nicht lustig«. Ja, aber der Punkt ist ja, die Leute, die als Cowboys und Indianer verkleidet sind, das ist auch nicht lustig. Tut mir leid, aber das fällt keinem mehr auf.

FF: Wir haben uns dann verkleidet und sind nicht erkannt worden, nämlich als Zeugen Jehovas mit Schildern vorm Bauch: »Erwachet!« Das war dann auch eine Provokation, die Leute haben gesagt: »Wenigstens heute könnt ihr doch zu Hause bleiben.« Allerdings, die Frauen haben versucht uns zu verführen, die wollten immer unbedingt uns küssen.

Netter Trick.

FF: Okay, zugegeben, es war ganz erfolgreich, wir haben etliche kennengelernt.

KD: Was uns am meisten bei Der Plan hilft, ist die Absurdität der Realität, es ist immer eine fremde und seltsame Welt geblieben.

Irgendwo in der Nähe von Köln ist ein US-amerikanisches Bataillon stationiert und die sind mitgelaufen im Rosenmontagszug …

KD: Engländer waren das.

… und die waren verkleidet als Clowns und dann hat der Kommandant gesagt, sie sollen nur mehr in ihren richtigen Uniformen mitlaufen. Niemandem fiel die Absurdität auf, dass die Prinzengarde historische Uniformen verspotten will und dass aktuelle und echte Soldaten im Grunde nun Gegenstand eben dieses Spottes werden müssten.

Zur Sache mit den Masken bei euch. Wie bei den Residents oder Devo habt ihr viel mit Masken oder maskenhaften Blicken gearbeitet. Das scheint bei Der Plan aber mehr zu sein als diese Absage an das Starsystem und das übliche Bühnenbrimborium, das Stärke und Coolness signalisieren soll, sondern da ist vielleicht sogar so eine Art Dialektik. Und zwar habt ihr mal im BR einen Text vorgelesen mit »Gedanken« und in diesem Text ging es um Masken und Paranoia. Da sagt ihr so Dinge wie: »Macht versteckt sich hinter Masken, die Mächtigen behandeln die Idioten als die, die sie sind.« Dem entgegen gilt es, Bewusstsein zu nutzen, um Gesellschaft gestalten. »Gewässer, Atemluft und Phantasie« kann nur gerettet werden, wenn jede/r einen Schlussstrich zieht und an gemeinsamen Nutzen denkt. Den möglichen Schaden oder den Nutzen der gemeinsamen Welt im Blick hat und Ûbereinstimmung mit der Wahrheit sucht, nur dann werden sich individuelle Freiheiten genießen lassen.

FF: Stimmt, das hat Moritz damals schon gut formuliert gehabt und da hat sich nichts geändert.

Gibt es da, wenn der Plan des Plans verfolgt werden soll, eine Dialektik der Maske, denn erst im Aufsetzen der Maske kann die festgewachsene Maske abgelegt werden? Muss man sich deswegen verkleiden?

KD: Da geht es eher um Zeichentheorie. Es gibt diesen Plan-Text: »Achte auf die Zeichen …«

FF: »Deine Augen reichen nicht. Rot-Grün-Rot, wer nur Zeichen sieht ist tot.«

KD: Was man sieht ist ein Zeichen, eine Maskerade, aber was dahinter steht …

FF: Und wir haben natürlich auch zu Masken gegriffen, weil wir keinen Sinn sahen, unsere eigenen Gesichter zu zeigen … mit zunehmender Entwicklung haben wir mal Masken benutzt, mal nicht. Wir haben kein Dogma entwickelt.

Stimmt es, dass es bei dem Namen »Der Plan« um Gordon Rattray Taylors Buch »Die biologische Zeitbombe« geht, weil wir eben ’nen Plan brauchen, um zu überleben?

KD: Ursprünglich hat sich das herausgeschält aus der Gruppe Weltaufstandsplan.

FF: Und Weltaufstandsplan war vorher Weltende. Mit Jürgen Kramer, dem Beuys-Schüler. Aus der Band Weltende entstand also Weltaufstandsplan, da waren wir zu dritt mit einem Bassisten ohne Kurt und daraus entstand Der Plan – ganz konstruktiv.

Es ging anscheinend bei Der Plan immer auch um so philosophische Grundfragen und da habe ich eine Entdeckung gemacht, die ich faszinierend fand, nämlich, wie viel oder wie wenig sich seit 1984 verändert hat. Ihr ward da bei Peter Illmann in der Sendung »Formel Eins«.

FF: Stimmt. Ein Mal.

Die Frage ist, ist das verrückt aktuell oder tut sich halt nichts? Der Illmann fragt euch, was euch gerade beschäftigt und worum es in eurer Musik geht, worauf einer von euch sagt: »Was gerade abläuft, ist eine Paranoia, und Angst können wir nicht gut gebrauchen.« Dann kommt die Nummer »Gummitwist«, in der ihr mit einer kleinen Stubenfliege redet, die mit der Computerisierung nicht zu tun haben will und der gesagt wird: »Ja, das musst du, kleine Fliege, ich bin der Hacker im System, ich schleich mich in die NATO ein, ich könnte auch ein Russe sein.« Diese Zeilen könnten statt aus dem Jahr 1984 auch aus diesem Jahr stammen.

FF: Absolut!

KD: Ja, aber es ist noch absurder geworden. Durch viel russisches Geld ist heute das dark net größer geworden als das real net. Das, was unter der Oberfläche im Netz stattfindet und was da an Kontrollmechanismen abläuft, sei es NSA oder wer auch immer, das hat sich nochmals potenziert. Und wie wir das in »Gesicht ohne Buch« sagen: Das Tor wird kontrolliert. Das ist auch das [Netzwerk]-»tor« im Sinne von dark net. Das selbst wiederum ein Kontrollmechanismus geworden ist, weil man heute Daten miteinander abgleichen kann und die Menschen sich durch ihr eigenes Tun erpressbar machen. Wer heute sagt, »Wieso, ich hab’ doch nichts zu befürchten«, muss sich klar sein, das ist ein Quatsch. Durch umfassende Kontrolle sind Freiheit und Pressefreiheit unterminiert.

Man sieht ja auch, wie es um Deutungsmacht geht. Wer die hat, der legt fest, was verbrecherisch und falsch ist und was opportun.

KD: Genau.

Dann gab es noch diesen WDR-Auftritt, wo ihr »Alte Pizza« gespielt habt, und daran musste ich jetzt tatsächlich denken wegen dieser Ûberwachungsfrage. Es ist ein bisschen so, als würde gerade der zivilisatorische Druck noch weiter steigen und alle – insbesondere die Jungen – haben das Gefühl, als könnten sie etwas falsch machen, weil es ja dann für immer im Internet zu sehen ist. Der Plan nun ist vorbildlich im WDR aufgetreten mit Pizzakartons auf dem Kopf. Kleinbürgerlich betrachtet darf so etwas ja auch als »peinlich« gelten, nur wer sich einmal vielleicht auch gründlich blamiert hat, der ist befreit, weil er merkt: Es passiert nichts Schlimmes. Dann wird er weniger erpressbar, wenn ihm jemand ein Handy unter die Nase hält mit ungeschickten Aufnahmen.

KD: Ich denke wir sind darüber hinaus. Wer sich einmal blamiert, lebt völlig ungeniert. Ich denke, wir haben die Freiheit, zu machen, was wir wollen und können, und das ist eine große Freiheit. Bedauerlicherweise können tatsächlich nur mehr wenige Prozent der Menschheit in dieser Freiheit leben.

Ist doch auffällig, wie viele YouTuber heute auf verschiedenste Perfektionen achten, alles ist streng nicht improvisiert, sondern achtet sklavisch auf gewisse Vorbilder. Da scheint ein Druck dahinter, was man alles falsch machen kann.

FF: Du meinst diese Videos, die Leute dann reinstellen von sich. Na ja, das verfolge ich nicht wirklich, was da auf der Straße in YouTube so los ist. Ich such’ immer nur die speziellen Musiktitel.

Ich dachte, dies habe etwas mit dem Ûberwachungsthema zu tun und es läuft auch über sozialen Druck, dass man befürchten muss, wenn man einmal einen Schmarrn gesagt hat oder schlecht aussah, dass das dann …

FF: Ach so, ja und das wird dann direkt verteilt. Tja, »1984« …

KD: Schon lange überholt worden …

FF: Es ist verrückt, dass es wirklich eintritt oder droht einzutreten.

Ich darf annehmen, ihr fiebert dem nächsten Samstag entgegen …

FF: Nein, was ist denn da?

Der Eurovision Song Contest!

FF: Oh je. Treten wir da auf?

Das wäre eine gute Gelegenheit.

FF (lacht): Würde ich machen. Sofort – natürlich.

Beim Song Contest hat sich im Kleinen noch mal nachvollzogen, was bei der Neuen Deutschen Welle schief gelaufen ist …

KD (lacht): Im Großen meinst du …

Okay, also im Großen. Offensichtlich haben mächtige Fernsehproduzenten Leute auf die Bühne gestellt und witzige Sachen machen lassen, die komplett durchchoreografiert waren. Ohne jeden direkten Impuls. Zusätzlich liefern die auch eine Fehlinterpretation von eurem Konzept des »elektronischen Schlagers«, weil die Heulbojen heute ihren Schmalz mit Kopfschuss-Techno unterlegen. Aber ihr würdet euch trotzdem in die competition begeben?

FF (lacht): Klar, aber nicht mit solcher Musik natürlich. Wir würden da vollkommen strategiefrei hinfahren, aber gleichzeitig inhaltsbezogen. Also die Chance nutzen, der Welt was zu erklären. Zumindest es zu versuchen. Naja, es geht halt um Unterhaltung, die Masse muss unterhalten werden. Im Grunde ist es schon erschreckend. Ich finde die Medien heute noch populistischer als in der Zeit Ende der Siebziger, Anfang der Achtziger, wo wir uns dagegen aufgelehnt haben. Da gab es nur drei – quasi staatliche – Plattenfirmen, drei staatliche Fernsehprogramme, und trotzdem gab es damals wenigstens noch ein paar Redakteure, die irgendwas Interessantes gemacht haben. Oder die Sachverständige in ihre Sendung geholt haben, die wirklich zu einem Thema was sagen können. Heute ist es nur populistisch. Zum Thema Lebensmittelindustrie interviewen sie einen Starkoch aus der eigenen Kochsendung. Weil der ist den Leuten bekannt. Wer sich mit diesem Thema tatsächlich beschäftigt hat, maßgebliche Bücher geschrieben hat, diejenigen kommen nicht zu Wort. Die Medien sind heute viel reaktionärer geworden.

KD: Ja, was du eben sagtest, die Deutungshoheit, das ist ein ganz wichtiges Thema. Wer kann die Fakten so interpretieren, dass es passt? Dass es für die jeweiligen politischen Zustände passt? Aber diese Prise Anarchismus und Experiment, das ist unheimlich wichtig in einer Gesellschaft, und diese Prise wollte Der Plan immer gerne einstreuen.

Ich denke, wir kämpfen einen gemeinsamen Kampf, ich bitte euch auf www.skug.at unseren Artikel über die Neuordnung der Presseförderung in Österreich (für Neugierige: hier) anzuschauen. Die neuen Mittel sollen alle an die Boulevard-Medien gehen. Vielleicht könnt ihr das teilen …

FF: Na klar.

… es ist sehr österreichspezifisch, aber die Grundmisere, die ist in Deutschland und USA dieselbe.

KD: Die ist wahrscheinlich dieselbe. Ich habe gestern einen Artikel gelesen, dass der Bund Berlin einen zusätzlichen Etat von 230 Millionen Euro pro Jahr für Kultur bewilligt. Da habe ich mich im ersten Moment gefreut und gedacht »Wow« und dann habe ich die Aufschlüsselung gelesen: 90 Millionen gehen in das Symphonieorchester, 75 Millionen in die Oper. Der ganze Etat geht in die etablierten Institutionen und für die alternativen Kunstformen bleibt nix …

FF: Alles für die Herrschaftskultur.

KD: … und das ist europaweit ein Phänomen.

In Österreich – um es auf den Punkt zu bringen – gehen die zusätzlichen Fördergelder alle an die Oligarchen. Das läuft zum Beispiel so: Die haben irgendwann Kunst gesammelt, sie wollen, dass die Kunst im Wert steigt, dann muss das Zeug in ein Museum, sie geben die Werke als Dauerleihgabe, die Assets sollen ja steigen, und dann bekommen sie für das Unterbringen der Kunstwerke, für das sie sonst selbst zahlen müssten, auch noch Geld vom Staat. Halleluja.

KD: Oh je, ja so ist es.

Es gibt viel zu tun für den Underground.

FF: Ja, erstmal die Renaturierung der Welt, allein das schon. Braucht man gar nicht drüber nachdenken. Ich bin manchmal echt verzweifelt. Ich habe eine Tochter, wir haben alle Kinder beim Plan. Wir haben alle erst mit Fünfzig angefangen, diese Idee zu entwickeln. Aber es macht mich todtraurig, zu sehen, dass die Welt von morgen keine atembare Luft haben wird, kaum mehr Tiere. Die Vögel schweigen sowieso, es hört denen ja keiner mehr zu, weil alle Stöpsel in den Ohren haben. Also, ich würd’ dann auch nicht mehr singen. Und als Sänger braucht man auch nichts mehr sagen oder nur das, was in den Stöpsel passt.

KD: Es geht ja auch immer weiter, ich hatte neulich ein Gespräch mit dem Jochen Arbeit von den Neubauten. Die hatten in China gespielt und er hat gesagt, da geht die Welt der augmented reality mittlerweile so weit, dass alle mit Handy vor der Nase durch die Innenstädte gehen, um zu sehen, wo dann im nächsten Supermarkt die Bananen billig sind. Also, die augmented reality hat so Einzug gehalten in die Welt, da sind wir noch zwei Jahre entfernt…

FF: Deshalb empfehle ich jeder Schwangeren, die Nabelschnur dranzulassen.

Als Interface …

FF: Ne, das Kind gar nicht erst abnabeln. Das ist wahrscheinlich das Natürlichste, was sich noch machen lässt. Hat das mal wer gemacht? Wie entwickelt sich das Kind dann weiter?

Ich schätze die fällt von allein ab.

FF (lacht): Okay …

Wo geht’s jetzt hin?

KD: Bielefeld.

Mit den Fehlfarben. Aber neue Der-Plan-Konzerte? Wird es die wieder geben?

KD: Ja …

FF: Steht in den Sternen.

KD: …wir haben Konzepte, aber wir brauchen ein Theater oder eine Institution, die das heben kann, weil wir gewisse Ansprüche haben an das, was wir machen wollen …

FF: Wir können nicht durch die Rockschuppen tingeln.

KD: Wir können nicht als Band auftreten, weil wir das, was wir auf der Platte machen, nicht musikalisch live aufführen können in der Form. Wir müssen viel mit dem Visuellen arbeiten, was unsere Arbeit ja ausmacht …

FF: Vielleicht diesmal als Ballett, damit wir mal was Tänzerisches machen …

Dann heißt es jetzt trainieren.

FF (lacht): Och, es gibt unterschiedliche Ausdrucksformen der Körpersprache.

Es müssen Szenerien gebaut werden.

KD: Ich habe einen Freund, der ist Opernregisseur, und der hat mir über die Entwicklung der Operntechnologie an den Bühnen erzählt …

FF: Robert Wilson soll mitmachen!

KD: Da habe ich dann sehr gestaunt, was heute möglich ist. Ich habe ganz großartige Inszenierungen gesehen und dachte mir, da geht die mediale Welt der Liveaufführung hin. Man muss heute gar nicht mehr projizieren, weil man heute mit LEDs arbeiten kann, die so flexibel sind, dass sie sich über die Gegenstände drüberlegen lassen. Es gibt halbdurchsichtige Gazen, vor denen sich die Sänger bewegen, und über ihnen erscheint der Text wie eine Sprechblase im Comic. Die bewegen sich überhaupt teilweise durch Comicframes. So sollte Der Plan auch arbeiten, bevor wir wieder mit Pappe anfangen was zu machen. Lieber diese neue Art der Projektionen.

Eine wichtige, allerletzte Frage noch: Wer ist Kurt Martin?

KD: … ein Konstrukt.

Kurt Martin taucht in mehreren Der-Plan-Songs immer wieder als diese schlechte Figur des Bösen auf, aber es gibt da keinen konkreten …

KD: Nein, den gab es nie konkret.

Na, dann kann man beruhigt sein.

FF: »Die Macht greift ganz sachte …«, ich dachte es ist ein Kindername. Irgendein Kind ist gemeint.

KD: Oder ein Erwachsener, der sich von der Macht verführen lässt. Das faustische Element bei Der Plan, der Verführte.

FF: Es war der Vorgänger des Ronald-McDonald-Clowns, der am Wegesrand steht und Kinder einlädt, gezuckertes Fleisch zu essen.

Auf die Welle ist Der Plan auch ganz früh aufgesprungen: der gruselige Clown.

KD: Ja, noch vor Stephen King hatten wir den dangerous clown.

FF: Bin mir nicht sicher, ob »Es« nicht vorher erschienen ist.

KD: Nein, es ist drei, vier Jahre später erschienen, ich habe es recherchiert.

FF: Echt?

Hier muss ein Plagiatsprozess angestrengt werden. Was glaubt der Stephen King …

FF: Ich wollte auch prozessieren gegen Bill Gates, weil ich als Fenstermacher das Fenster zur Marke erhoben habe. Nur bei den Microsoft-Anwälten – ich glaube, ich würde heute noch zahlen.

Jetzt sind wir wieder bei der ungerechten Verteilung gelandet. Ich würd’ jetzt mal sagen: Dem Plan vielen Dank für das Interview. Wir sehen jetzt in vielem klarer.

FF: Wir haben zu danken, die Fragestellungen waren so schön formuliert, die haben das Wichtigste, was zu uns zu sagen ist, bereits gesagt.

skug ist stets gut vorbereitet.

KD: Ich bin ja froh, dass es skug immer noch im Bahnhofbuchhandel gibt. Wie ist denn eure Auflage?

Wir sind nur mehr online …

KD: Oh je, seit wann?

Seit eineinhalb Jahren, vielleicht machen wir mal wieder einen Reader einmal im Jahr oder so. Tja, wie gesagt, die Erhöhung der Presseförderung. Es sieht alles ziemlich schlecht aus. Es geht nicht nur die Umwelt unter, sondern wir gleich mit. Aber wir machen es noch online …

KD: Bleibt dabei!

Ja, wir bemühen uns, Dinge aufzugreifen, die sonst überall untergehen.

KD: Bei mir direkt um die Ecke sind die Redaktionen von »Musikexpress«, »Rolling Stone« und »Metal Hammer« und die Leute kommen freitags zu uns in den Club. Das Traurige: Ohne Axel-Springer-Verlag würde es diese Musikzeitschriften nicht mehr geben. Die Auflage trägt den »Musikexpress« nicht mehr, die haben noch vier Leute in der Redaktion und sechs Praktikanten.

Oh je, es ist schwierig, leider. Haben wir noch ein besseres Schlusswort? Vielleicht, dass wir uns auf eine Oper von Der Plan noch freuen dürfen?

FF: Das Plan-Ballett. Endlich wird die Erdanziehungskraft überwunden – die zunehmende.

Wenn skug Geld hätte, wir würden es veranstalten. Das kriegt man schon irgendwie hin mit der Gravitation. Aber wartet bitte nicht drauf.

FF (lacht): Mal schauen … also du konntest was mit der Platte anfangen?

Ich fand sie gut. Gut auch jenseits des Filters, dass ich den Plan immer schon mochte, womit ich durchaus zuweilen isoliert war. »Oh, mein Gott, ist das nervig« waren so Reaktionen.

FF: Das geht vielen Plan-Freunden so.

Ja, aber auch gerade inhaltlich. Freunde, die dann später Rechtsanwälte wurden oder so, die sagten: »Du gräbst immer irgendwelche Punker aus, die einem dann sagen, wie man zu leben hat.« Das war so eine typische Reaktion. Was nützt es, denen zu erklären, das ist alles gar nicht normativ gedacht …

KD: Ja, belehrend sollte das alles nicht sein.

Habe ich auch nie so empfunden.


cover_small.jpgDer Plan: »Unkapitulierbar« – Bureau B/Hoanzl, VÖ: 23.06.2017
Format CD / LP+CD / Digital / Ltd farbige Vinyl+7″+CD Vertrieb Indigo

Plattentipps
http://www.lafms.com/

Le Forte Four
https://www.youtube.com/watch?v=qVhWdcZ8o-I
https://www.youtube.com/watch?v=IK9NYxwEIC0

Beate Bartel und Chrislo Haas
https://www.youtube.com/watch?v=HISye5bB330

Tristan Perich
http://www.tristanperich.com/
https://www.youtube.com/watch?v=XZEXX9Yezjw
https://www.youtube.com/watch?v=Rl_ovH9ypkM

Der Plan (Meisterwerke – Auswahl)
https://www.youtube.com/watch?v=GyCcLC_jvho
https://www.youtube.com/watch?v=arl9QNEpJzs
https://www.youtube.com/watch?v=jRRvqA5SY8s
https://www.youtube.com/watch?v=XUb66v3rsAo
https://www.youtube.com/watch?v=fZTgo4uEO3o

Label
http://www.atatak.com/

Jürgen Kramer
https://rabe500.blogger.de/

Den Weg ins dark net bitte selbst suchen!

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