Unterwegs im Taxi vom rhiz nach Hause zieht der Nino neben dem Fahrer sitzend seine Sonnenbrille heraus und erweckt den Eindruck, in eine Rockstarpose verfallen zu wollen: Hallo Prater, hier kommt Nino, du kennst mich schon, aber um halb sechs in der Früh kannst du mich in meinem Versteck hinter meiner Nachtbrille nicht sehen. Oder zumindest genügt das Gefühl, eine im Morgenflug adäquate Abgehobenheit an den Tag gelegt zu haben. Sichtbar, aber unerkannt ins Hochbett. Dann, mittags am Couchtisch ein Griff zur Brille und der Feststellung: Da ist ja gar nichts aufgesetzt, die Brille ist geschliffen! Nino wollte mit dem Fahrer nur den Kurs abgleichen. Nichts ist hier orientierungslos, auf dem mittlerweile vierten Album von Nino, der nun eine Band ist, ein Quartett. Ein runder Rausch, ein Medley-Album, ruckzuck im mazedonischen Skopje in einem Studio mit einem gewiss gewöhnungsbedürftigen Eurodance-90ies-Gummibärsound aufgenommen. So far out uncool, dass der als singuläre Behauptung so stehen bleiben kann. Für mich klingt’s nach spanischem Poprock aus der unschuldigen Euro-Euphorie-Dekade, vielleicht klingen einfach Mittelmeerproduktionen so. Urweit weg, leidenschaftlich und mit der Sehnsucht nach Mehr. Drogenmusik ist das! In der deutschsprachigen Singvogellandschaft allein auf weiter Flur. Und ganz klar: Ohne zu kiffen ist eine vergleichbar stolze lyrische Dichte kaum machbar, und das will gar nicht despektierlich gemeint sein. Auch der Titel ist nicht so bedeutungslos wie der Nino selber in Interviews zu hintertreiben pflegt; ein bemerkenswert liturgischer Chorgesang fängt den Wurm.
Der Nino Aus Wien
»Bulbureal«
Problembär Records
Text
Pico Be
Veröffentlichung
07.02.2013
Schlagwörter
93
Aktivraum/Broken Silence
Der Nino Aus Wien
Problembär Records
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