Selten eine Ausstellung besucht, die mit so wenig Text auskommt! Das mag daran liegen, dass sich Bernhard Leitners Ton-Raum-Skulpturen auf eine ganz andere Weise erklären, nämlich nur durch sich – also den Menschen – selbst.
Es ist die erste große Ausstellung des in Feldkirch geborenen Künstlers Bernhard Leitner in Österreich. Ähnlich wie James Turrell im Bereich des Lichtes immaterielle Räume kreiert, schafft Bernhard Leitner neue Räume mittels Ton. Die Unterscheidung zu Klang ist ihm dabei wichtig, denn der Klang würde zu sehr mit Musik in Verbindung gebracht werden. Die Besucher und – gleichzeitig – Benutzer dürfen sich mental von ihren tradierten Raumbegriffen lösen und Boden, Decke, Wand hinter sich lassen. Es gilt in Ton-Skulpturen einzutreten und die Wahrnehmung mehrmals auf den Prüfstand zu stellen. Zum Beispiel zwischen den massiven Walzblechen, die den schönen Werktitel »Pulsierende Stille« tragen: Der Raum dazwischen wird nur über die Vibration der Festkörper hörbar. Außen herrscht Stille. Oder die eigens für St. Pölten konzipierten »Klang-Spiegelungen«: Die Objekte klingen, und noch mehr, sie wollen angefasst werden, doch weit daneben – der Klang kommt von woanders her! Wände, die miteinander kommunizieren und in deren Feld auch der Mensch ein Wort mitzureden hat. Denn nur durch die Bewegung selbst werden die meisten Raum-Kompositionen Bernhard Leitners erfahrbar.
Mensch als Klangquelle
Anders verhält es sich bei zwei seiner frühen Werke, die ebenfalls zu sehen sind: dem »Ton-Anzug« (1975), mit dem der Mensch, bestückt mit vier Lautsprechern, zur Klangquelle wird, und der »Ton-Liege« (1974), die ausgestattet mit zwei Lautsprechern an Kopf- und Fußende den Körper in Schwingung versetzt. Nicht nur das Ohr hört, der ganze Körper ist involviert. An dieser Stelle herzlichen Dank an die Museumssaufsicht bzw. an den technischen Mitarbeiter, der mir die unterschiedlichen Installationen als jeweiliges Einzelerlebnis ermöglicht hat!
Einen anderen Zugang gewinnt man in der von Stefan Fricke kuratierten Ausstellung durch die vielen Skizzen, Studien und Fotos des Künstlers. Sie erlauben einen Einblick in die Herangehensweise und referieren auf die Notwendigkeit der Arbeit im Maßstab 1:1. Den geeigneten Ort zum Experimentieren hat Bernhard Leitner nach Aufenthalten in New York und Berlin in einer ehemaligen elektrischen Getreidemühle in Gaindorf gefunden. Die Geschichte seines Ateliers ist im Begleitband zum Ausstellungskatalog dokumentiert. Der Katalog ist überhaupt eine wunderbare Ergänzung zur Ausstellung. Das Ton-Raum-Manifest aus dem Jahre 1977, der nicht nur unter der Architektenschaft gewichtige Essay »Sound Architecture«, sowie Textbeiträge von Stefan Fricke und Florian Steininger geben einen guten Einblick in die Pionierarbeit Bernhard Leitners.
Die Ausstellung ist noch bis 31. Juli zu sehen. Besonders sehens/hörenswert zu wenig frequentierten Zeiten!
BERNHARD LEITNER. Ton – Raum – Skulptur 05/03/2016 – 31/07/2016
Shedhalle St. Pölten/Landesmuseum Niederösterreich