Foto: Magdalena Blaszczuk
Foto: Magdalena Blaszczuk

Aaron Carl R.I.P.

Detroits begnadeter DJ-Crooner ist am 30. September einem Krebsleiden erlegen.

Foto: Magdalena Blaszczuk

Als Remixer u. a. für Underground Resistance, Manu Dibango, aber auch Peter Rauhofer/Club69, war Aaron Carl ebenso für seine Stiloffenheit bekannt wie als Produzent auf Labels wie Ovum, Metroplex, Sounds for People sowie seinem eigenen Stall Wallshaker Music … und als DJ eine Offenbarung!
Commandyoursoul hat Aaron Carl nach seinem legendären Wiendebüt in der Fluc-Mensa am 24. März 2006 zum zweiten Mal nach Wien geholt, in den Reigen. Erneut bestach er mit einer intensiven Performance, die Disco, Techno, Electro, Ghetto Tech, House und R&B locker zu einem unvergesslichen Set zusammenschwei&szligte. Die Folge waren Euphorieschübe en masse! Und wenn Aaron Carl zum Mikro greift, wird’s noch beseelter! Mit seinen Songs bleibt uns Aaron Carl als Ghetto-Kid, homosexuelle Bitch (er verschwieg sein Schwulsein nicht), schmachtender Crooner, leidgeplagte Diva u.v.m. erhalten. Kurz: Ein begnadeter DJ-Vokalist, der nicht nur mit seiner bekanntesten Vocalhouse-Hymne »Crucified« die Sonne aufgehen lässt!

Soul, Disco, Funk oder Kraftwerk sind als Einflüsse für Techno und House mittlerweile ja bekannt. Andererseits werden europäische Wurzeln wie Punk, New Wave, Synthie-Pop und Industrial nach wie vor beinahe ignoriert.

Aaron Carl: Ich würde nicht sagen »ignoriert«, sondern eher »weniger bekannt«. Im Detroit Underground war es üblich jede Art von Musik zu hören. So lange sie funky war haben wir uns wenig darum gekümmert, woher sie kam. Thomas Dolby, Culture Club, Human League, Phil Collins, Duran Duran – wir haben uns das alles gerne angehört, ohne Vorurteile.

Kannst du uns mehr über diese Einflüsse erzählen und wie sie dich und den Detroit-Sound geprägt haben?

Ich glaube es war wichtig nicht im ewig selben Style stecken zu bleiben. Prince war für uns das perfekte Beispiel eines »Genre-Crossing Genius«. Damals spielte er Rock, Funk, Blues – und alles war saugut! Nichts desto trotz hat Musik in meinem Leben immer schon eine wichtige Rolle gespielt.

Was hat diese europäische Musik so speziell gemacht? War es ihr transatlantischer Exotismus oder ihr futuristischer Anspruch?

Es war der Futurismus. Es war einfach anders, different. But somehow, it moved you just the same.

Was machte diese »wei&szlige« Musik so interessant für dich?

Ganz simpel die Tatsache, dass sie so soulful war, ohne schwarz zu sein. Ich habe erst später herausgefunden, dass all die »White Music«, die ich mochte, sehr stark von Sounds aus Detroit beeinflusst war. Das war sozusagen eine Art Kreislauf.

Wie und warum hast du angefangen Musik zu machen und Platten aufzulegen?

Ich habe schon immer Gedichte und Geschichten geschrieben. Da war der Schritt hin zur Musik fast unvermeidlich. Begonnen habe ich mit zwei Tape-Recordern, einem Stapel Büchern und einem Set von Pinseln und Bleistiften. Die Bücher dienten als Bass-Drum, meine Leselampe hab ich als Hi-Hat und für Snares verwendet (lacht).

Wie stellt sich die Situation in Detroit 2006 dar?

Der Wirtschaft geht es schlecht, es gibt viele Homeless People auf den Stra&szligen, aber das ist keine Neuigkeit. Interessant ist aber, dass viele Leute ZUR?CK nach Detroit ziehen. Sie halten diese Stadt am Leben. Aber musikalisch glaube ich, dass 2006 ein Breakout-Year für viele bisher noch ungehörte und unbekannte Talente werden wird.

Wie würdest du die Unterschiede zwischen Detroit/den USA und Europe bezüglich des Musikmachens, des Arbeitens als DJ, der Party-Kultur und dem Respect deiner Arbeit gegenüber beschreiben?

In den Staaten hat HipHop die Oberhand. Offen gesagt dominiert HipHop beinahe die gesamte Musikszene. Deshalb sind fast alle, die Electronic Music machen, beinahe dazu gezwungen »Underground« zu sein. In Europa ist elektronische Musik kommerziell mehr akzeptiert und respektiert und ist nicht nur »just for the clubs«.

Du hast gerade deinen eigenen Club eröffnet. Was ist da geplant?

Die Club-Nacht hei&szligt »Saturday Night Sanctuary @ Club Red Floor«. Ein wöchentlicher Abend mit persönlichen Einladungen, devoted strictly to House Music. Mein Ziel ist es, das Feeling des alten Heaven-Clubs, wo DJ Ken Collier aufgelegt hat, zu revitalisieren. Das hat mich zu House Music gebracht. Ich vermisse diese Tage.

Und anstatt darauf zu warten, dass irgend jemand das zurück bringt, habe ich dazu entschlossen, es selber zu tun. Im Moment konzentriere ich mich auf lokale Acts. Aber nur, weil Detroit immer noch genügend unbesungene House Music-Heroen hat, die ich gerne bekannter machen möchte. Für die Zukunft plane ich aber auch Acts aus der ganzen Welt einzuladen. As long as the spirit of TRUE House Music is alive, it doesn’t matter where you’re from.

Wie war es für dich, mit Musikern (Didi Kern und Airlock) aus Wien zu arbeiten?

Es war sagenhaft! Unglaublich und unerwartet toll (überschlägt sich fast)! Es wird eine Menge hei&szliger Musik aus diesen Kollaborationen kommen!

Im Song »Hateful« gehst du mit George W. Bush, Jr. ziemlich hart ins Gericht.

Ich habe diesen Song als Reaktion auf die Wiederwahl von Bush geschrieben. Darin hei&szligt es u. a.: » If you can’t tolerate my kind, you can kiss my fucking ass!« Das betrifft alles, was ich bin – black, gay, OUT, proud ?? whatever …

Official Sites
aaroncarl.com
warmth313.com

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Weitere Fotos
flickr

A Tribute to Aaron Carl by commandyoursoul
Superfly – Deephousemafia Radioshow, Fr. 1. 10. 2010, 20 Uhr

www.superfly.fm
Aaron Carl Special by commandyoursoul
Play.Fm live im Flex-Café, Sa. 2. 10. 2010, 22 Uhr

www.play.fm/radioshow/commandyoursoulradioshow

Home / Musik / Artikel

Text
Alfred Pranzl, Didi Neidhart

Veröffentlichung
01.10.2010

Schlagwörter

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