Die erste Begegnung mit einem Werk von Thomas KERAMIK Mock, einem der bedeutensten österreichischen Graffiti-Künstler, erfolgte vor etlichen Jahren in Form eines Mixtapes, das mein Bruder von einem HipHop-Jam in Wien mit nach Hause brachte. Der verspielte, kindliche Stil des Covers und die freche, eklektische Musikauswahl gefielen mir Jahre später, im Rahmen meiner Diplomarbeitsinterviews zum Thema Kunst im öffentlichen Raum lernte ich ihn dann persönlich kennen. Seitdem verfolge ich mal mehr, mal weniger intensiv, welche gestalterische Spuren Thomas KERAMIK Mock hinterlässt, und da ich, zumindest subjektiv, das Gefühl hatte, dass es reichlich ruhig um seine Person wurde, wollte ich dem Ganzen auf den Grund gehen und habe ihn um ein leitfadengeführtes Gespräch exklusiv für skug gebeten.
skug: Wie bist Du zur Graffiti-Kultur gekommen?
Thomas KERAMIK Mock: Als Kind hab ich beim Herumgehen, beim Fahrradfahren in Wien die Graffitis auf der Straße gesehen und es hat mich angesprochen. Airbrush konnte ich mir nicht leisten, so habe ich angefangen zu sprühen. Die großen Formate sind mir zugute gekommen, später habe ich privat als Hobby verschiedene zeichnerische Sachen ausprobiert. Nach der Schule stand ich vor der Entscheidung, einen Beruf zu ergreifen oder zu studieren. Das Architekturstudium verlinkte für mich viele Sachen, die mich interessieren, reine Malerei zu studieren habe ich als blödsinnig empfunden. Bei Architektur konnte ich malen und zeichnen, Ideen am Modell dreidimensional umsetzen. Man sieht die Stadt anders, kann sie besser bespielen und besser lesen und davon habe ich profitiert.
Wenn ich nur Malerei studiert hätte, hätte ich mir die ganze Zeit die Frage gestellt, ob jeder Künstler werden kann, wenn er es nur studiert. Oder gibt es den Unterschied, dass man Künstler ist, weil man einfach nicht anders kann. Ich kann nichts anderes außer das, was ich mache. Ich habe mir Architektur angesehen, habe mir Werbe-Design angesehen und bin draufgekommen, dass ich das zwar auch kann, aber es geht mir nicht gut dabei, ich gehe dabei seelisch zugrunde. Beim Malen fühle ich mich glücklich und nicht ganz so verarscht von der Welt und mir selber.
Wo kommt der Name Keramik her?
Von der Baustoffvorlesung. Eine Keramik ist ein Kunstgegenstand, den du aus einem natürlichen Material herstellst und zu einem Kunstgegenstand hochstilisierst. Es ist ein Kulturgefäß, wo eigentlich nichts drin ist. Wenn du willst, kannst du auch was einfüllen und wenn du nicht aufpasst, ist es hin. Es soll unsere fragile Welt symbolisieren.
Seit wann kannst du von deiner Kunst leben?
Leben kann ich davon schon seit mehreren Jahren. Graffiti ist ein Teil von dem Erfolg und der Grund, warum ich jetzt Aufträge bekomme oder warum man mich kennt. Ein auslösender Moment war, dass alle, die mich damals gekannt haben gesagt haben, mit Graffiti kannst du kein Geld verdienen. Ein Teil von meinem Stil war immer, mach nie das, was die anderen machen. Und ich habe noch nie Geld mit was anderem außer mit meiner Kunst verdient, ganz ehrlich. Das Künstlerische kann auf viele Arten ausgedrückt werden. Zurzeit vor allem bei mir im Atelier. Oder auf Wänden, aber nicht mit Sprühdosen, sondern mit Rolle und Pinsel.
Es gibt ein Bild von dir namens »Politics ain?t easy«. Was hast du für einen Arbeitsethos?
Für mich gibt es zwei Arten von Jobs. Die eine ist, du bezahlst mich, weil du selber nicht umsetzen kannst, was du gerne haben willst (dein Logo, deine Grafik …).
Da bin ich ein menschlicher Drucker, ich druck dir dein Bild aus, auf welche Größe auch immer. Ich signiere solche Bilder nicht. Da bin ich nur jemand, der das halt handwerklich kann und innerhalb einer bestimmten Deadline umsetzt. Die andere Form der Anfrage ist, wenn jemand ein Werk von mir haben möchte. Da bekomme ich eine Vorgabe, habe aber freie Hand in der Umsetzung. Freie Arbeiten, die ich so die letzten zwei Jahre mache, mache ich vor allem privat für mich und habe ich auch noch nicht ins Internet gestellt.
Wie geht die Stadt Wien mit Graffitis um, Stichwort Wiener Wand?
Sie sind draufgekommen, sie können Graffiti nicht verhindern, da es ein Teil einer jeden Großstadt ist. Deswegen macht es die Stadtverwaltung im Wiener Stil und kommt den Leuten entgegen und bietet legale Flächen an, in der Hoffnung, dass sie angenommen werden. Es gibt halt ein Bedürfnis der Jugendlichen, sich künstlerisch auszudrücken. Viele Leute sprühen ja auch illegal, weil sie nicht wissen, wo man legal sprühen kann und darf. Ich habe im Rahmen des Projektes Wiener Wand zwischen den Leuten der Stadt und den Sprayern vermittelt, ihnen klargemacht, dass nicht alle Sprüher nur Züge bemalen wollen. Es ist ein schönes Vorzeigeprojekt, ich glaube andere Länder wollen das auch übernehmen.
Was sagst du zu dem Wiener Zetteldichter Helmut Seethaler, der ja zur Zeit wieder mit massiven existenziellen Problemen kämpft und immer noch ständig Anzeigen, zum Teil für mit abwaschbarer Kreide beschriftete Gehsteige, bekommt?
Ich kenne Seethaler schon seit 30 Jahren (nicht persönlich). Als kreativer Künstler kämpft er schon ein Leben lang um seine Message und lässt sich nicht aufhalten, wobei es jetzt schon an seine Substanz geht. Finanziell war das schon immer so, das dürfte ihn jetzt nicht so überraschen. Die Gedichte pflück ich ab und zu. Er ist ja eigentlich in Wien der Pionier für die jetzt so genannte Street Art.
Ein paar Worte zu deiner letzten Ausstellung (»artyfucked – the walls can speak«) die du im Juni 2010 in der Galerie Zeitvertrieb gemacht hast.
Wenn ich Graffiti ausstellen möchte, dann mache ich ja nicht Graffiti und stelle es aus, sondern kann nur eine Atmosphäre widerspiegeln. Ich habe in Bildform versucht, jemanden, der mit Graffiti nichts am Hut hat, zu zeigen, was der Schmäh ist. Und zwar nicht mit Dose einen Buchstaben hinsprühen und zu sagen, da ist jetzt ein Graffiti.
Das ist dann mehr Grafikdesign, schöne Formen und Farben. Es ist die Ästhetik von Graffiti auf Leinwand. Graffiti ist draußen, das kannst du nicht reinbringen. Ich habe mal bei einer Galerie angefragt und gesagt, ich möchte eine Graffitiausstellung machen. Und zwar eine echte, die folgendermaßen abläuft: Ich komme zu euch in der Nacht, schlag eure Scheiben ein, bombe alles voll und haue dann ab. Am nächsten Tag ist dann die Eröffnung, mit Polizei und allem Drumherum und ihr könnt euch das ansehen. Die wollten das dann nicht machen, weil zu teuer und so …
Du bist ja vor ein paar Jahren auch schon mal im Amerikanischen Art & Culture Magazin »Juxtapose« vorgestellt worden. Wie kam es dazu?
Ein Freund von mir kennt die Leute, die das machen. Mit ihm habe ich schon einige Jahre, auch im Ausland, gemalt. Er hat uns dann connected. Man erreicht damit halt viele Leute, das lesen auch Skateboarder, Snowboarder, BMX-Fahrer, alle die da lifestylemäßig dranhängen, die lesen das in ihrer Freizeit.
Spielt das Thema Vanitas, der Tod, die Vergänglichkeit in deinen Arbeiten in der letzten Zeit eine verstärkte Rolle?
Ich habe schon in der Volksschule auf dem Schreibtisch Totenköpfe gezeichnet, weil ich gesehen habe, du malst einen Totenkopf und alle sind schockiert. Ich habe mir damals schon gedacht, das ist arg, dass das so eine kräftige Wirkung hat. Die Vanitas-Bilder die ich gemalt habe, das war eine Phase, wo ich schon länger Bilder im Kopf hatte, beeinflusst von Nachrichten. Da gibt es dann auch Bilder, wo Mord und Totschlag verherrlicht werden. Dieses Stille, Edle und Große von Leben und Tod sichtbar zu machen – mir ist es dabei nicht unbedingt sonderlich schlecht gegangen.
Hast du Angst vor dem Tod?
Ja, weil dann ist es vorbei. Ich glaube nicht, dass es einen Menschen gibt, der keine Angst vor dem Tod hat. Der muss sehr autistisch veranlagt sein, komplett gefühlskalt. Das bin ich ja nicht, ich spiele es zwar und stell mich so dar. Aber wenn es um die Sache geht, schreit jeder nach Gott oder der Mama. Ich nehme es nicht auf die leichte Schulter. Vielleicht kommt es so rüber, aber ich spiele mich damit, um es besser zu verstehen.
Wie würdest du deinen Stil beschreiben?
Ein Schmäh und eine Watsche. Ein aggressiv-lustiger, intelligent verpackter Witz. Manche sagen schwarzer, zynischer Humor oder das typisch wiener-depressive Morbide. Ich baue meine Bilder so auf, dass du freudig hinläufst und sagst: »Das ist ja urlustig, bunt und geil, schau die Figuren!« Dann stehst du davor und wirst urtraurig, weil du verstehst, was da alles gezeigt wird. Das Leben ist nicht nur Party, aber auch nicht nur Krieg. Ich möchte beides zeigen, das ist schon in jedem Strich, den ich mache irgendwie drinnen.