Alva Noto – aktuelles Album »univrs« im Konnex zum Werkkatalog von Carsten Nicolai.

Der bildende Künstler, Komponist und Labelgründer Carsten Nicolai aka. noto oder alva noto wurde ursprünglich ausgebildet, um als Landschaftsarchitekt neue Landschaftsräume zu entwerfen. Die dabei erworbene Praxis, verschiedenste Bereiche miteinander in Beziehung zu setzen und kommunizieren zu lassen hat auch seine akustische Raumkompetenz, also die individuelle Reflexion über die eigenen akustischen Alltagsräume, das Wissen über die Konstruktion der eigenen akustischen Lebenswelt, die Qualitäten und Probleme innerhalb dieses hörsamen Umgebungsraumes, geschärft. Dabei stand vor der Clicks&Cuts-Karriere die Malerei, inspiriert von Carlfriedrich Claus, einem deutschen Grafiker und Schriftsteller, Klaus Hähner-Springmühl, einem lokal prägenden Aktions- und bildenden Künstler sowie dem konstruktivistischen Bildhauer Hermann Glöckner – alle im Dauerdunkel des Chemnitzer Dunstkreises ihre Spuren ziehend – im Vordergrund der individuellen Grundierung.

Ende der 1980er Jahre erfolgen dann erste performative Soundprojekte und zu Beginn der 1990er Experimente mit extrem hohen und tiefen Testfrequenzen, um dabei im Selbstversuch die Auswirkungen auf die menschliche Wahrnehmung auszuloten. 1999 dann die Gründung des Labelverbundes raster-Noton. archiv für ton und nichtton, um als Bedroom Producer die Time in Bed zu erhöhen und technische Töne und nicht Instrumente oder klassische musikalische Stilmittel zu verarbeiten. Sound wird analog der Mathematik als universelles System definiert, Abstraktion zur Freilegung von Grundlegendem angewandt und das Studio als Experimentierraum genutzt, da die Sound-Outputs in klassischen Präsentationsräumen wie Clubs etc. zum Teil nicht aufführbar waren. Als seine wichtigste Arbeit bezeichnet Nicolai die Schnittstellen-Arbeit »syn chron«, die 2005 in der Nationalgalerie in Berlin als Licht-, Sound- und Raum-Hybrid zu erleben war.

Und jetzt? Zur Erreichung einer universelleren Ebene in seinen künstlerischen Arbeiten verlässt er auch gerne das Referenzsystem Kunst, um sich wieder dem Referenzsystem der Naturwissenschaften anzunähern. Für die noch bis 20. November am Wiener Schwarzenbergplatz situierte Sound-Skulptur »The Morning Line« hat er die Komposition »The Morning Line Quanta« beigesteuert. Die formalen Organisationsmuster dieser Komposition waren vom Space Weather, genauer vom Sonnenwind, von der Anordnung kleinster Soundpartikel – akustischer Quanten äquivalent zu Einsteins Lichtquanten – bestimmt. Nicolai ist anscheinend zurzeit »ein bi&szligchen durch den Sonnenwind«. Sonne und Sonnenwind, Magneto-, Iono- und Thermosphäre scheinen auch beim Neuling »univrs« Pate zu stehen. Die paneuropäische Musikszene wird mit 14 Tracks, aus einem Live-Kontext generiert, beglückt. Als Wortspender tritt der Franzose Anne-James Chaton, wie schon auf dem Album »unitext« von 2008 in Erscheinung. In alphabetischer Reihenfolge werden drei Buchstaben lange Akronyme rezitiert. Als Sample-Spender für den Track »uni rec« wird niemand geringerer als Martin L. Gore genannt. Sound-Impulse, akustische Momente, im Jetzt angekommen. Wir danken für die Orientierungshilfe.
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Alva Noto:
»univrs«
raster-noton

© foto: www.alvanoto.com

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Text
Michael Franz Woels

Veröffentlichung
17.10.2011

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