Als »österreichischster unter den österreichischen Regisseuren«, »Meister der leichten Muse« und »Bel Ami aus Wien«, war Willi Forst (1903-1980) bekannt. Doch eben genau das wollte er nie sein: Aushängeschild für Üsterreich und Sinnbild für eine Welt mit antiquiertem Charme, für eine operettenhafte Welt, in der sich Heiterkeit, Musik und Kitsch vereinen.
Der Römer Francesco Bono, Professor für Film, Fotografie und Fernsehen an der Università in Perugia, Italien, nähert sich in seinem filmkritischen Porträt, dem umfangreichen und, wenn man ein wenig an Oberfläche und Zuckerglasur kratzt, sehr komplexen Werk dieses Großen des deutschsprachigen Films der 1930er. Dabei rücken auch unbekannte Werke ins Blickfeld.
»Ich bin keinesfalls der maliziösen Ansicht von George Bernhard Shaw, dass ein Film, der mehr als zehn Prozent der Zuschauer gefällt, nicht mehr gut sei«, bekannte sich Forst zum Mainstream und blieb seinem Credo, das ihm später zum Verhängnis werden sollte, ein Leben lang treu. Sein Regiedebüt »Leise flehen meine Lieder« (1933) und »Maskerade« (1934) brachten ihm ersten Ruhm. Um den Zweiten Weltkrieg erreichte seine Laufbahn mit »Bel Ami« (1939) und drei weiteren Filmen ihren Höhepunkt, denn Forst gelang es in der Nachkriegszeit nicht, an seine früheren Erfolge anzuknüpfen. Sein Stil wirkte obsolet. Weder gelang es ihm mit »Die Sünderin« (1950) aus seinem gewohnten Genre (dem Operettenfilm) auszubrechen, noch mit »Kabarett« (1954) an alt bewährte Stile anzuschließen.
Ins Zentrum des Porträts rückt Bono nicht Forsts Karriere als Schauspieler (»Cafe Electric«, »Ein blonder Traum«), sondern neunzehn Regiefilme, anhand derer er stilistische Merkmale aufzeigt. Nicht der augenscheinliche Inhalt war ihm wichtig, sondern »das Bild, die Inszenierung und die Perfektion«. Seine Prämisse galt der Form, die den Ton bestimmte. Charakteristisch für sein Werk waren außerdem ein ironischer Unterton, eine »Bereitschaft mit dem Film und seiner Technik zu experimentieren«, ein gelungener Umgang mit Musik, und eine »subtile, spannungsreiche Ambivalenz«: Er kreierte eine imaginäre Welt, und entlarvte sie gleichzeitig als Illusion. Aber auch ein Blick, der die Zukunft scheut und die Vergangenheit verherrlicht, ist ebenso symptomatisch für sein Werk wie der 3/4 Takt. Bono geht sorgfältig vor und interpretiert Szene für Szene. Er arbeitet wiederkehrende Motive in Forsts Filmen heraus, bettet ihn nicht nur neben dem Musikfilm und der sophisticated comedy, sondern auch dem amerikanischen Film Noir und Expressionismus ein.
Die Kritik endet mit einer bemerkenswerten Analyse von »Wien, du Stadt meiner Träume« (1957), denn was wie eine Hommage an die Hauptstadt klingt, entpuppt sich als bissige Parodie. Mit diesem letzten Film, skizziere Forst ein »museales Exponat« und entblöße Wien als eine Traumstadt ohne Inhalt, eine Illusion und »Kulisse, die etwas vortäuscht«. Als Leserin ertappt man sich immer wieder bei einem zustimmendem Nicken und wissendem Schmunzeln. Und wenn man genauer hinsieht, so wie Bono das tut, dann weiß man auch, dass hinter Willi Forsts Werk viel mehr als nur unbekümmerte Bonvivants, flehende Lieder und blonde Träume stecken.
Francesco Bono: »Willi Forst. Ein filmkritisches Portrait«, München: Edition text + kritik 2010, 344 Seiten, EUR 29,90