peggy lee
Peggy Lee, Cole Schmidt

»Forever Stories of Moving Parties«

Self-release

Lesen wir »Gitarre« in der Besetzungsliste, so haben wir im Grunde noch keinen blassen Schimmer, was uns erwartet. Elektrisch? Wenn ja, verzerrt? Funky? Jazzig-clean? Oder akustisch und wenn ja, Stahlsaiten? Nylons? Resonator? Offene Stimmung? Cole Schmidt reizt einen Gutteil dieses Spektrums aus, somit ist das Album »Forever Stories of Moving Parties« auch eine Auslage für die Vielfalt der Klangspektren, welche sich aus unterschiedlichen Gitarren herausholen lassen – falls sie so virtuos gespielt werden, wie von Schmidt. Außerdem zeigt sich beim Abhören der breit gefächerten Kompositionen, wie gut ein Cello und (verschiedene) Gitarre(n) zusammenpassen. Peggy Lee entlockt ihrem Cello schrille Flageoletttöne ebenso wie klare, herzhafte Striche oder zartes Vibrato. Die beiden Headliner werden von einem ganzen Orchester unterstützt: Violine, Trompete, mehrere Saxophone, Flöte, Fagott, Bass, Schlagzeug, Electronics und zwei Sängerinnen, die ebenfalls Electronics spielen. Der Charakter der Musikstücke reicht von jazzig-balladesk bis hin zu World Music im Stück »It Will Coe Back«. Dort kommt es gefährlich nahe an die Kitschgrenze, insbesondere, wenn Sunny Kim ihr Rezitativ über schöne Töne ausbreitet. Lee versucht im letzten Viertel des Songs die Honigsüße mit Hilfe von eher schrillen Cellotönen etwas abzumildern, bevor das Ganze in einem reinen Tone-Wheel-Orgel-Moll-Akkord ausklingt, treffsicher gespielt von der Avantgarde-Ikone Wayne Horvitz. An vielen anderen Stellen wirken die klassisch gesetzten Harmonien und Läufe beruhigend auf den Rezensenten. Der Cut »Doctor Dawn« steigert sich vom Unisono aus dem Gesang von Erika Angell und Lees Cellospiel über spärlich-cleanen E-Gitarren-Akkorden und einem sehr entspannt gespielten Schlagzeug zu energetischen Improvisationen, um wieder zu dem schon eingangs bewährten Zusammenspiel Vox vs. Cello, das jetzt in tieferen Regionen gestrichen wird, zurückzufinden. Das Album wurde mit »experimental« getaggt; ich würde es eher als »eklektizistisch« einstufen. Die Band passiert Freak Folk, Jazz, Klassik, um schließlich bei »Gloop« im Progrock zu landen, wenn Schmidts verzerrte Gitarren Horvitz’ Orgel auf beiden Seiten eskortieren. (Mein Haupt fühlte sich gezwungen, ekstatisch auf und ab zu nicken.) Geil die Steigerung hin zum abrupten Schluss. Die Sonnengötter des darauffolgenden Tracks sind ganz offenhörlich nordischer Provenienz. Ambient zur Beruhigung, samt cooler Trompete. Die Ruhe währt nicht lange, das Stück steigert sich in eine gewisse Ekstase. Einen etwas dunkleren »stairway to heaven« besteigen wir um »702« pm. Trotz der vielen Stile, Musiker* innen, Stimmen, Klangwelten versteht es das Produzent*innen-Team, bestehend aus Angell, Horvitz sowie Lee und Schmidt, immer wieder freien Raum zu lassen, sodass die Arrangements luftig und bestens hörbar bleiben. Die Produktion an sich ist schon eine Meisterleistung; auch die Qualität der Aufnahme lässt nichts zu wünschen übrig. Das ganze Projekt ist entstanden, als Peggy Lee und Cole Schmidt vice versa die Band des/der jeweils anderen ergänzt haben. Positive Erfahrungen, die sie dazu gebracht haben, als Duo weiterzumachen. Okay… das »Duo« leitet ein großes und polymorphes Ensemble für dieses Album, welches in den Jahren 2022/2023 von Seb Fournier im Hotel2Tango Studio in Montreal und von John Raham in den Afterlife Studios in Vancouver aufgenommen wurde. Es ist vor wenigen Tagen, am 15. November 2024, erschienen. 

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