Die hohe Kunst der Kontemplation beherrschen die Brüder Eno, diesmal vereint im Duo. Altmeister Brian Eno, bekannt etwa für Ambient-Strahlkraft in »Music for Airports«, setzt im Zeitalter der zerstörerischen Ausmaße annehmenden Globalisierung auf Entschleunigung. Die Produktion des Albums erfolgte beinahe nur in Personenzügen. Brian Eno mit Kopfhörern am Notebook waltend, eine schöne Vorstellung. Beschäftigt mit Programming und Sounddesign, um Roger Enos atmosphärische MIDI-Keyboards-Stücke, die im digitalen Austausch im Verlauf von 15 Jahren an seinen Bruder gelangten, noch besser zur Geltung zu bringen. Die Grundstimmung ist schwermütig, doch wohnt der Melancholie so etwas wie ein Sinn für Klangnuancen inne. Unweigerlich fühlt mensch sich sowohl an Erik Satie als auch an die Farbpalette eines begnadeten Malers erinnert und tatsächlich besagt schon der Albumtitel, dass fast alle Kompositionen Farben bzw. Gemälde im Titel tragen. Beispielsweise »Wintergreen« oder »Snow«, dessen Abhandensein so etwas wie milde Nostalgie aufkommen lässt. Und gewiss ist auch, dass sich diese epische Musik hervorragend dazu eignet, aus dem Zugfenster zu schauen und zu vorbeigleitenden herrlichen Landschaften Sounds zu imaginieren. Wie dies der Autor dieser Zeilen gern auf Bahnreisen durch Osteuropa tut. Somit gibt es ein wunderbares déjà vu: Auf sieben das Album begleitenden Videos ist Ähnliches real im Wohnzimmer zu erleben, kongenial umgesetzt von Brian Eno und dem filmenden Musiker und Softwaredesigner Peter Chilvers, die gemeinsam interaktive Apps wie »Bloom«, »Scape« oder »Trope« erarbeiteten. Wer sich auf die Zugfensterpanoramen einlässt, dem eröffnen sich traumhaft schöne und doch wirkliche Landschaften, klanglich wundervoll untermalt von Eno & Eno.
Roger Eno & Brian Eno
»Mixing Colours«
Opal Music/Deutsche Grammophon/Universal
Text
Alfred Pranzl
Veröffentlichung
20.03.2020
Schlagwörter
Brian Eno
Deutsche Grammophon
Opal
Roger Eno
Universal
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