Ein Foto eines Soldaten mit Hakenkreuzbinde am Arm. Man sieht nur ein bisschen ein Soldatenauge, denn über seinem Leib pickt Gips, der rot-lila angestrichen ist. »Farbig abgefasste Gipsabgüsse, mit denen Bauer der latenten Gewalt der Soldatenfotos eine poetische Verneinung entgegensetzt«, so drückt das Belvedere das aus. Der Erzeuger dieser Kunst, Josef Bauer, wurde 1934 geboren und macht kindlich wirkende Versuche zum Thema Krieg. Den Soldaten hängt der Gips wie ein tropfender, dicker Bart herunter, fett pickt ihnen was auf der Abbildung. Eine Methode, ähnlich einem Kind, das im Vorbeigehen schnell einen Kaugummi auf das Foto eines verhassten Onkels klebt. Lustig und wirkungsvoll gegen Pathos, Sentimentalität und Kriegsnostalgie. Ruhig ist es im Belvedere 21 hinter dem ehemaligen Südbahnhof, draußen tobt ein Sturm und es herrscht Finsternis vor. Ein hiniger Brief hängt hinter Glas. Nur Satzfetzen sind zu lesen: »So hat dieser Krieg Wunden geris…« Dann nur noch Papierfetzen.
Historische Briefe und Farben
Auf einem Podest ein rostiger Heereshelm, mit – Flatsch – Gips drauf, an einem Holzstock, ähnlich wie eine Schaufel montiert. Das wäre doch einmal etwas für das Heeresgeschichtliche Museum im Arsenal! In »Fehldrucke« (1987) überarbeitet Josef Bauer Blätter mit Texten von Heimrad Bäcker, mit dem er befreundet war. Bäcker musste als jugendlicher Nazi nach dem Krieg im KZ Mauthausen aufräumen, was sein Werk prägte. Er sammelte Nazi-Schriften, die sich schon durch ihre Sprache entlarvten, wie er meinte. Es geht um Erfahrungen von Inhaftierten des KZ Mauthausen. »Die Tötungen waren ein alltägliches Ereignis«, steht da, darunter ein lila phallusartiges Ding, das über den Bildrahmen ragt, Gekritzel und ein kleiner, gelber Strich. »Visuelle Kommentare« nennt das Belvedere die Bebilderung. Josef Bauer stammt aus Gunskirchen, einem Außenlager von Mauthausem. Bei Kriegsende elf Jahre alt, malte er bereits Porträts von hageren Soldaten.
Staatsmeister in Stabhochsprung
Inhaltlich viel tiefer als Arnulf Rainers Übermalungen, bearbeitete Josef Bauer zum Beispiel Einkaufslisten, die er in Supermärkten fand. Das schaut dann etwa so aus: Zwei rote Gipskreise, die Wörter Ribisel, Fisolen, Petersilie, Basilikum, Rosmarin. Auf Blaufränk… und Schwarztee, Rum pickt seitlich beiger Gips und unten gibt es noch einen gelben Farbfleck. Zeitdokumente des Alltags, manche sind noch in Schilling gerechnet. Lustig sind die Landschaftsdarstellungen, in denen Bauer »in ländlicher Umgebung mit Buchstaben agiert«. Auf dem Foto stehen auf der Horizontlinie friedlich nebeneinander: eine Frau, ein Stuhl, ein Baum und der Buchstabe K, unten ist Gras. »Konstellation mit Frau Hartheyer« (1971). Auf anderen Fotos schleppt Bauer Stangen mit Buchstaben oben drauf herum. Dazu muss man wissen, dass Bauer mehrmals Staatsmeister in Stabhochsprung war. Den Eingang dominiert ein rotes Stangenkreuz, das sozusagen in die Knie geht und mit dem Haupt nach unten zeigt. Fazit: Ein humorvoller, mittlerweile 86-jähriger Künstler, der aus seiner Kriegskindheit einiges geschöpft hat.
»Demonstration« von Josef Bauer ist noch bis 12. Jänner 2020 im Belvedere 21 zu sehen: https://www.belvedere.at/josef-bauer
»es kann sein, dass man uns nicht töten wird, und uns erlauben wird, zu leben« von Heimrad Bäcker ist noch bis 16. Februar 2020 im MUMOK zu sehen: https://www.mumok.at/de/node/72737
Hier eine schöne Rezension zur Heimrad-Bäcker-Ausstellung von Ronald Pohl:
https://www.derstandard.at/story/2000109184711/heimrad-baecker-im-mumok-die-sprache-der-moerder