12weidsamahintweb.jpg
Kollegium Kalksburg

»Weid Sama Kuma«

Off Shore

Die Schlitzohrigkeit der drei eben fünfzig gewordenen Bewohner der Kalksburg (Heinz Ditsch, Paul Skrepek und Vinzenz Wizlsperger) zeigt sich schon im Titel dieses nach einigen Verzögerungen endlich erschienen Albums. »Weid Sama Kuma« titelt die CD, das dritte Stück heißt »Von Weid Sama Kuma«, was ja etwas völlig anderes zum Ausdruck bringt. Ein Verwirrspiel? Egal. Eindeutiger beginnt das Album mit »Blauboad«, einem Artmann-Text vertont und rezitiert von Ernst Kölz, in dem Herr Ditsch gleich mal die singende Säge anwirft, um die spooky Atmosphäre des Monologs von Frauenmörder Blaubart zu unterstreichen. In »Am Nil« kommt mit dem Kasperl-Krokodil aus der Urania bereits das erste Tierchen ins Spiel, und von Tieren wimmelt es nur so in »Fridattencouplet«, einem aberwitzigen Song über die artgerechte Haltung von Ungeziefer im Haushalt und das ordentliche Zusammenleben mit diesem. Neben den bekannten Wienerliedinhalten geht es in WSK ganz schön oft ums Essen (soll ja ab einem gewissen Alter den Sex ersetzen), etwa in »Woidfiadla«: Einem Stück, in dem Ditsch die »Quetschn« zum Bandoneon macht und Skrepek zum Guitarrero wird – was eher zur Milonga mit Astor Piazzola passen würde als zum Absturzheurigen. Fleischliche Genüsse dominieren auch in »Fleischhokka«, allerdings wieder nur oral zugeführte – dafür ist dem bekanntesten Ferkel des Landes ein Zitat gewidmet. Im Mittelteil wird dieser durchgeknallte Track allerdings in die Echokammer gesperrt, was ihn zum vermutlich ersten Wienerlied mit Dub-Elementen macht. Ein kleines Georg Danzer-Memorial errichtet das Trio mit dem nur als Hidden Track erschienenen, verzweifelten »Zeitansage«, und dem »Vorstadtcasanova« (mit einem eingeflochtenen »Autumn Leaves«) in der Erwachsenenversion, bei der allerdings der »Futkarli« und die »Schickfut« mit dem spätestens seit Cashs »A Boy Named Sue« bekannten Piepston unkenntlich gemacht wurden. Bauchkrämpfe vor Lachen dürften die drei Berufsjugendlichen bei der Aufnahme jedoch bekommen haben. Wenn es einen Beweises bedurft hat, dass die gemeinsame Sprache das Trennendste zwischen Germanen und Alpenländern ist, dann ist er mit »Reimschule Rennweg« erbracht: Wizlsperger sprudelt aufs Komischste mit seiner tief geschraubten Stimme heraus, was es nicht alles im Dritten (Wiener Gemeindebezirk) gäbe, darüber übersetzt Martina Zinner simultan auf Piefkenesisch. Man ist spontan dazu geneigt zu glauben, dass eine dieser beiden Sprachen nicht zur indogermanischen Sprachfamilie gehören könnte. Eine Groteske in drei Minuten, ja eine Dub-Version der anderen Art! Von wegen, die machen »eh imma des söwe«. »1. Mai 2008« gegen Ende ist ein Musikdramolett von und mit Antonio Fian, der sich des leidigen Themas Rauchverbot annimmt und dessen Ûbergewichtung im politischen Diskurs endlich einmal humoristisch entlarvt. »Wir sind die Nichtraucher von Wien«. Ja natürlich! Danke.
»Hörproben

Home / Rezensionen

Text
Stefan Koroschetz

Veröffentlichung
26.04.2014

Schlagwörter


favicon

Unterstütze uns mit deiner Spende

skug ist ein unabhängiges Non-Profit-Magazin. Unterstütze unsere journalistische Arbeit mit einer Spende an den Empfänger: Verein zur Förderung von Subkultur, Verwendungszweck: skug Spende, IBAN: AT80 1100 0034 8351 7300, BIC: BKAUATWW, Bank Austria. Vielen Dank!

Nach oben scrollen