In der Inneren Mongolei, im Norden Chinas, spielt Regisseur Wang Quan’ans dritter Kinofilm. Es ist eine sanft hügelige, karge und sehr trockene Landschaft, in der die Menschen traditionellerweise als nomadische Viehzüchter leben. Reiche Bodenschatzvorkommen und deren Ausbeutung bringen heute jedoch radikale Veränderungen. Eine neue Infrastruktur, Industrialisierung und damit einhergehend auch Umweltzerstörung sind Folgen der Modernisierung. Viele geben das harte Hirtenleben auf, um in den städtischen Zentren Lohnarbeit zu finden, den Luxus von Elektrizität und fließenden Wasser genießen zu können. Wang wollte mit Tuyas Hochzeit nicht nur ein individuelles Schicksal zeigen, sondern auch eine verschwindende Kultur in sich rasch wandelnden Zeiten porträtieren.
Mongolische Bräutigamschau
Seit ihr Mann durch einen Unfall behindert ist, hat Tuya (YU Nan) alleine für ihre Familie zu sorgen. Sie legt täglich mehrmals eine meilenweite Strecke auf dem Kamel reitend zurück, um Wasser herbeizuschaffen, sie versorgt die Schafherde, kümmert sich natürlich um den Haushalt. Ihr halbwüchsiger Sohn hilft, wo er kann, doch die harte Arbeit übersteigt schließlich die Kräfte der jungen Frau. Sie nimmt dem Vorschlag ihres Ehemannes an, sich scheiden zu lassen und sich erneut zu verheiraten. Bald geben sich die Bewerber die Türklinke in die Hand, ziehen sich aber doch wieder zurück, denn kaum einer will auf Tuyas Bedingung eingehen, ihren ersten Ehemann trotzdem bei sich wohnen zu lassen. Tuya steht im Zwiespalt; soll sie ihren Mann ins Heim geben und den wohlhabenden Ex-Schulkollegen ehelichen?
Doch kein Happy End
Wang Quan’an setzt in seinem Film vorwiegend LaiendarstellerInnen ein, was den dokumentarischen Eindruck verstärkt. Hinter der Kamera stand der Deutsche Lutz Reitemeier (»Die Spielwütigen«), der bereits mehrmals in Asien drehte. Die Titelrolle wird von der mehrfach ausgezeichneten Schauspielerin Yu Nan gespielt. Ihre Darstellung der Tuya ist ganz unsentimental und natürlich. Tuya beklagt ihr Schicksal nicht, Selbstmitleid ist ihr fremd. Sie ist stolz und nimmt erst fremde Hilfe an als es ihr körperlich nicht mehr möglich ist, die gesamte Last zu tragen. Die Männer in ihrer Umgebung erweisen sich meist als unzuverlässig, als Schwächlinge oder Heuchler. Letztendlich trifft die junge Frau eine Entscheidung, die nicht nur rational richtig, sondern auch emotional befriedigend scheint. Man atmet auf und sieht ein Happy End, doch die scheinbar ideale Lösung ist wiederum Ausgangspunkt für neue Konflikte.
»Tuyas Hochzeit« (R: Wang Qua’an, D: Yu Nan, VR China 2006)
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