Giant Sand und die Folgen – so könnte man diese Compilation untertiteln. Seit fast dreißig Jahren schafft der umtriebige Howe Gelb im Süden Arizonas mit seinen zahllosen Projekten einen fruchtbaren Nährboden für Musik zwischen Traditionalismus und Weirdo-Tum, zwischen Country, Indierock und freieren Formen des Instrumentequälens. Solch Umtriebigkeit ist ansteckend, und so bildete sich bald mit Calexico ein weiterer Dreh- und Angelpunkt der Szene heraus, ein Bandkollektiv, das mit zahllosen Kooperationen und ihren offenen Strukturen seinerseits die lokale Musikszene mit Impulsen versorgt. Sowohl Calexico als auch Howe Gelbs Stammband Giant Sand sind auf der vorliegenden Compilation vertreten, aber sie dienen hier wohl eher als Lockstoff – als Einladung, sich einmal mit der jungen Alternative-Country-Szene aus Tucson/Arizona und Umgebung anno 2011 auseinanderzusetzen. Und diese Szene hat im Spannungsfeld von Americana, Mexicana, Morriconeskem und Frankophonem einiges zu bieten.
»Tucson Songs« beginnt gleich mit einem Paukenschlag: Gabriel Sullivan & Taraf de Tucson spielen mit »The Rust, The Knife« ein mitreißendes Stück imaginären Spaghettiwestern-Soundtrack. Nach etwas belangloserem Latino-Crooning von Brian Lopez folgen Calexico, wie wir sie lieben gelernt haben, mit der blutenden Ballade »Keeper Of The Flame«, mit Gastsängerin Francoiz Breut und – wieder einmal – kompletter Mariachi-Abteilung. Otherly Love scheinen eher dem Weird Folk im Sinne eines Devendra Banhart zugetan zu sein. Weitere Höhepunkte kommen von J. Daniel Twelker (Country-Blues), nochmals Gabriel Sullivan (Tom Waits, wenn in Brecht-Stimmung) und – last but not least – Marianne Dissard, der französischen Chanteuse mit Tucson-Affinität, die überhaupt erst die Brücke über den Atlantik zum Le-Pop-Label geschlagen und diesen Sampler als Beispiel gelungener Völkerverbindung möglich gemacht hat. Irgendwie kriegt man beim Hören das Gefühl, Tucson liegt gleich um die Ecke. Howie Gelb soll ja angeblich auch österreichische Vorfahren haben.