Essaybände sind zwangsläufig ein Sammelsurium, deren Bestandteile mal mehr und mal weniger gut zusammenpassen. Wobei das bunte Durcheinander dem künstlichen Zwang zur thematischen Homogenität zumeist vorzuziehen ist. Gerald Schmickls »Lob der Leichtigkeit« jedenfalls gehört in erstere Kategorie. Das sorgt für ?berraschungen bei der Lektüre der fünfzehn Essays, ermöglicht aber auch ein Umherspringen entsprechend eigener Interessen. Für skug-Leser (und mich) zunächst am relevantesten ist der siebente Aufsatz über den Suchtfaktor der Droge Popmusik. Dass darin mehrfach aus einer einschlägigen Buchpublikation meiner Wenigkeit zitiert wird, spricht für Schmickl, ändert aber nichts an meinem Urteil über den Essay: Selten liest man auf so wenigen Seiten soviel Profundes und Komisches über die Beziehung der in den 1960ern Geborenen zur zeitgenössischen Musik, wie auch Kluges zum Thema Popjournalismus. Schmickl weiß, wovon er schreibt, denn als Redakteur der Feuilletonbeilage der »Wiener Zeitung« hat er selber schon eine Menge lesenswerter Plattenkritiken verfasst. Sein Beruf erklärt auch, warum er gut schreibt: Ein Standardthema wie die Beziehung zwischen Kaffeehausbesuchern und Obern handelt er souverän ab, während der Einblick in sein abgebrochenes Romanprojekt über einen Catcher Pflichtlektüre für alle sein sollte, die selber einen Roman schreiben wollen. Und scheitern.
Highlights gibt es in »Lob der Leichtigkeit« einige. Etwa das »Urschrei und Kommantschen« betitelte Plädoyer für österreichische Sportreporter oder »Am Rand stehen«, der Aufsatz über die Freuden und Vorteile einer Position als Zaungast. Mein Favorit allerdings ist der Text über die Merkwürdigkeit von Zufällen. Dies nicht zuletzt deshalb, weil eine Delegation des Üsterreichischen Sportjournalistenverbands neben mir saß, als ich den Sportreporter-Essay im Flieger von Wien nach Berlin las.
Schmickls Eingangsbeispiel ist noch besser: Als er in einem Café sitzt, kommt ein Mann herein, den er zunächst aufgrund gewisser Ähnlichkeiten mit einem bekannten Schauspieler verwechselt. Wenige Minuten später betritt just dieser Schauspieler tatsächlich das Lokal. Zufall oder Fügung, Fingerzeig des Schicksals oder hirnphysiologisch bedingte ?berinterpretation, das Rätsel der Koinzidenzen kann auch Schmickl nicht lösen, dafür schärft er unsere Wahrnehmungs- und Reflexionsfähigkeit darüber. »Essays zum Zeitvertreib« lautet der Untertitel des Bandes. Selten gestalten sich eine Lektüre zum Zeitvertreib so vergnüglich und dennoch aufklärsam wie bei Gerald Schmickl.
Gerald Schmickl: »Lob der Leichtigkeit. Essays zum Zeitvertreib«, Wien: Edition Atelier 2011, 161 Seiten, EUR 16,90