Dieser feuchte Kuss zieht ihr die Schuhe aus © YouTube
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The Shape of Bloater

Verspätet flattert der diesjährige skug-Oscar-Report ins Haus. Es ist aber dringend Zeit, sich kurz mal an den hoffentlich schuppenfreien Kopf zu fassen. Was Hollywood uns mit »The Shape of Water« als große Filmkunst aufgetischt hat, ist kindisch, herzlos und zeigt exemplarisch, wie Märchen heute nicht mehr der Poesie, sondern der Manipulation dienen.

Auf Hollywood lässt sich nicht ganz einfach ein Reim machen. Unter der liberalen, vielleicht sogar progressiven Oberfläche stecken konservative Knochen, deren fein austariertes Business-Modell Wandel meist nur simuliert oder gleich ganz unterdrückt. Selbstverständlich können solche Machtgefüge erschüttert werden und die aktuelle #MeToo-Welle wird zeigen, ob sexualisierte Gewalt und Unterdrückung tatsächlich überwunden werden können oder ob man sich halt mal wieder ein neues Schleifchen ans Revers heftet. Zumindest so viel ist klar: In einer Situation, bei der das Verborgene verdeckt bleiben und der Wandel an der Oberfläche vollzogen werden soll, erzählt man uns gerne Märchen. Die haben ihren sprichwörtlich schlechten Ruf schließlich nicht umsonst. Bekanntermaßen lösen sie ihre Probleme mit einem Sprung ins Fantastische (Zwerge, Feen, verzauberte Prinzessinnen tauchen auf) und am Ende sind alle reich. Der Beipackzettel muss nicht erst durchgelesen werden, es ist allen vollkommen klar, dass es im Leben nicht so läuft. Aber Märchen haben gleichwohl eine wohltuende subversive Kraft, indem sie auch zeigen, dass die bekannte Ordnung nur ein Schein ist, gegen den die verzauberten ProtagonistInnen erst ihren wahren Platz erkämpfen müssen. Eben dieses Umstürzlerische treibt das aktuelle Hollywood-Kino den Märchen aus und bläst unverhohlen zum Rückzug.

Das Ding aus dem Sumpf – wieder mal bis zur Nasenspitze in trübem Wasser © YouTube

Ich bin dann mal im Wasser
Wer den Film »The Shape of Water« nicht gesehen hat, hier die Synopsis: Über einem Filmtheater (Achtung, Symbol!) leben in einer musikalisch und visuell kitschig ausstaffierten Welt (~ fabelhafte Amèlie im Kalten Krieg) eine junge, stumme Frau und ihr liebenswürdiger Nachbar, ein älterer Werbegrafiker. Die Frau masturbiert gerne in der Badewanne und ist entzückend zurückhaltend. Sie arbeitet in einem Geheimlabor, das etwa so übertrieben gezeichnet ist wie in einem jener Pixar/Disney-Animationsfilme. Genauso schlicht wie die Handlungen dieser Crowd-Pleaser für die ganze kaputte Familie verläuft dann auch jene von »The Shape of Water«. Die Hauptdarstellerin freundet sich ohne erkennbaren Grund mit einem Gefangenen des Geheimlabors an – es ist dieser Fischkopp –, befreit ihn, die beiden brennen miteinander durch und die Bösewichte haben das Nachsehen.

Die Geschichte ist inhaltlich bitterarm und während gute Märchen dazu einladen, sie auszumalen, weiterzuspinnen und ihre Tiefendimensionen zu entschlüsseln, findet man bei »The Shape of Water« nur eine dünne Brühe. Eine eigentümlich grausame sogar, wie sich anhand der Schlussszene aufzeigen lässt. Nachdem Fishboy und seine neue Flamme in den Ozean gesprungen sind, bleibt jener Nachbar, der bei der Flucht geholfen hatte, allein und rettungslos zurück. Wir haben von ihm erfahren, dass er einsam ist und in der comicartig gezeichneten Welt des Amerikas der 1950er-Jahre aufgrund seiner Homosexualität wie ein Ausgestoßener leben muss. Und jetzt ist gerade seine einzige Freundin ins Wasser gehüpft und lässt ihn allein am Pier zurück. Mehr noch, er steht neben einer Leiche. Die Polizei wird ihn festnehmen und er wird als Erklärung einzig sagen können: »Also, da war dieser Fischmann in einem Geheimlabor, von dem niemand weiß, und die stumme Frau hat ihn gerettet und wurde dann auch zu so einer Fischfrau und die beiden sind abgedüst in den Ozean auf Nimmerwiedersehen und haben vorher den angesehenen Bürger, der hier neben mir in seinem Blut liegt, erschossen. Alles klar?« Hmmm, mal sehen ob ihm die Geschworenen die Geschichte abkaufen. Für den armen, alten Schwulen gibt es jetzt den elektrischen Stuhl, lebenslange Haft oder Klapse. Wenn sich die moralische Höhe einer Erzählung am Umgang mit ihren Nebenfiguren zeigt, dann fährt Guillermo del Toro, der uns als wahrer und großer Künstler unserer Zeit untergejubelt werden soll, glatte null Punkte ein.

Genaugenommen befinden sich alle Nebenfiguren des Films in einer rettungslosen Lage und verbleiben ohne Hoffnung auf Erlösung durch die Filmhandlung. Die russischen Spione werden erschossen (wie immer), Frau und Kinder des am Filmende gekillten Bösewichts werden sich dessen Ableben wohl nie erklären können und es gibt nicht den kleinsten Hinweis darauf, dass sie in Zukunft ihrem kümmerlichen Dasein als Unterdrückte des strengen Pater familias entkommen können werden. Vermutlich wird einfach das nächste Bossmännchen sich die devote, hübsche Frau angeln und sie schlecht behandeln. Die farbige Arbeitskollegin der Protagonistin ist in schlechter Jobsituation und liebloser Ehe und auch bei ihr fehlt der kleinste Hinweis, wie durch das Abschwirren des Fischpaares ihr Leben lebenswerter werden könnte. Keine Figur macht einen emanzipatorischen Wandel durch. Guillermo del Toro zeigt Rassismus, Sexismus und falsche Hierarchien zwar auf, wenn auch nur in der versöhnlich verklausulierten Form der Comicwelt der 1950er-Jahre, aber er bietet dann keinerlei Perspektive des Wandels an. Am Ende sind alle angeschmiert, außer dem Liebespaar.

Gemeinsame Begeisterung für hartgekochte Eier © YouTube

It’s in Your Blood, Baby
Seine Rahmenhandlung macht den Film somit zu einem Machwerk, aber in seiner eigentlichen Pointe erweist er sich sogar als unfreiwillig schäbig. Den Egoismus der beiden Liebenden kann man dem Film durchgehen lassen. Die sprachlose Außenseiterin findet ein Gegenüber, dem sie sich nicht mitteilen muss, sondern von dem sie ohne Worte verstanden wird und den sie zu verstehen meint. In der wohl besten Szene des Films übersetzt der Nachbar die enthusiastische Rede der Protagonistin bruchstückhaft aus ihrer Gebärdensprache. Mit ihrem ganzen Körper gestikulierend zeigt sie: Sie hat den gefunden, nach dem sie schon immer suchte, und sie will ihn nun unbedingt retten. Schön und gut. Nur, die seit Geburt zum Sprechen unfähige Frau hat an ihrem Hals auffällige lange Narben. Als sie am Ende des Films von dem Fischmann in die Tiefen gezogen wird, platzen diese auf und geben ihre Kiemen frei. Wir lernen an dieser Stelle, sie war immer schon eine der Fischigen. – Grundgütiger, will uns del Toro ernsthaft weismachen, die Liebe sei jene Kraft, die zusammenführt, was zusammengehört, weil es das gleiche Blut in sich trägt? Will er sagen, bei der Hauptdarstellerin habe ihre verborgene Besonderheit zunächst durch den Mangel der Sprachlosigkeit einen leidvollen Ausstoßungsprozess initiiert, der dann später mit dem Preis gewisser Superkräfte (Unterwasseratmung, amphibische Existenz) belohnt wird und dann in der Rückkehr zum eigenen Stamm gipfelt? Schließlich wurde der Fischmann im Laufe der Filmhandlung bereits als Übermensch gezeichnet, der mit Handauflegen heilen kann und im Amazonas als Gott verehrt wird.

Das kann del Toro nicht ernsthaft im Sinn gehabt haben. Er wollte den Oscar und nicht die NS-Filmkunstmedaille. Die MacherInnen des Films meinen das wohl nicht so und trotzdem legt ihr Werk diese Interpretation nahe. Seit Hollywoods Wende zum Fantastischen, die mit den Oscars für »The Shape of Water« auch noch das Siegel der Filmkunst verliehen bekam, spielen viele Werke leise diese Melodie. Das lässt tief blicken. In einer historisch, gesellschaftlich und politischen Situation, die keine echte Transgression mehr zu kennen scheint, ist es nur mehr die zeitweilige Deterritorialisierung, die sich auflöst in der Reterritorialisierung des fantastischen, außerweltlichen Leibes. Also in jenem der MutantInnen, Vampire oder Außerirdischen. Was von außen kam, wird immer außen bleiben. »That’s all, folks« – findet euch damit ab. Dass die Ungeheuerlichkeit der Liebe ja gerade im Lieben grundverschiedener Wesen liegt, gilt del Toro und Co. wohl als undenkbar. Das ist enttäuschend und seltsam traurig. Bei allem aufwendigen Firlefanz, den Hollywood auffährt, zeugen diese modernen Märchen von einem schwer aushaltbaren, unpoetischen Weltgefühl.

Die Geschichte del Toros ist somit in ihrem Kern herzlos, eskapistisch und hoffnungslos. Was der Meister in all den Jahrzehnten einzig gelernt zu haben scheint, ist, dies klug zu verbergen. Und das wird in Hollywood belohnt. Es ist die Kunst des Zaubertricksers, der ruft: »Schauen sie nach links«, während er rechts eine Karte aus dem Ärmel zieht. Deswegen kollabiert die ansonsten effektreiche Story vor jedem mitfühlenden Herz und jedem mitdenkenden Verstand gleichermaßen. Unterm Strich glaubt hier niemand an die alles Trennende überwindende Kraft der Liebe. Weder als Versöhnungswerk noch als erotische Utopie. Die atomverseuchte, kalte Welt der 1950er-Jahre in den USA wird vom Liebespaar einfach verlassen, in den Abort des Meeres, zurück zum eigenen Stamm und dessen besserer Welt. Wer oben zurückbleibt, hat Pech gehabt. Alle im Film angeschnittenen Probleme werden nicht einmal andeutungsweise gelöst. Der Wandel der Arbeitswelt, die den verarmten Werbegrafiker der unbesiegbaren Konkurrenz der Fotografie aussetzt; das hinterhältige Walten von Militär und Geheimdienst, die aus dem Fischtypen eine Waffe machen wollten, denen seine Flucht aber herzlich egal sein wird. Sie wollten ihn schließlich, weil unbrauchbar, töten. Die Homophobie, der Rassenhass, zu allem hat die Story nicht mehr anzubieten als den Sprung ins Wasser. Gemeinsam mit den beiden HauptdarstellerInnen gibt der Film die Welt auf und damit auch all jene im Publikum, die sich keine Kiemen wachsen lassen können. Wenn alle Chancen auf eine Erfahrung des Unmöglichen, wie dies vielleicht Maurice Blanchot verstanden hätte, weggeschwommen sind, dann kann der Tipp trotz Oscar-Schwemme nur lauten: daheimbleiben und ein Schaumbad nehmen.

Link: http://www.foxsearchlight.com/theshapeofwater/

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