Vielleicht sollte man sich das Booklet zuerst anschauen: Und eintauchen in die verschwommenen Aufnahmen verschiedener Pflanzen, in die Nahaufnahmen von Tieren, in die grellen Farben zwischen schwärzestem Schwarz und dieses verstörende Gefangenenlager oder KZ mittendrin … Wo bitte bin ich hier? Wie bin ich hier gelandet? Und ist das alles vielleicht doch nur ein unheimlicher, aber irgendwie auch schöner Traum? Die Musik auf »The Secret Garden« jedenfalls erzeugt genau dieses Gefühl der Orientierungslosigkeit, Neugierde und vagen Angst, entführt einen auf einen (alp-)traumhaften nächtlichen Spaziergang durchs Dickicht eines verwunschenen Gartens. Das dritte Album von Tobias Laemmert alias Protein ist viel weniger fluffig als noch die letzte Platte »Helldunkel« – ein Song namens »Hüpfdohle« wäre hier wirklich fehl am Platz. Stattdessen sind die vier Songs der Platte nach Farben benannt: In »Black« finden beunruhigende Synthieklänge und zaghafte Hi-Hats langsam zu einem soliden Beat, ein Rabe kräht, ätherische, irgendwie unheimliche Schwingungen bohren sich immer weiter ins Hirn. »Blue« macht genauso geheimnisvoll und noch etwas düsterer weiter, eine Bahnschranke bimmelt, zittrige Gitarren wabern zu Percussions, bis nur noch ein kreissägenartiges Geräusch zu hören ist, alles in einer Melange aus Gruselfilmklängen zum Stillstand kommt und erst sehnsüchtige Gitarren samt Beat einen wieder erlösen. Seite B macht weiter mit »Green«, das mit den melancholischen Klängen von »The Beach« von Label-Partner LeRoy beginnt, die bald von wieder vage bedrohlichen Geräuschen übertönt werden, es folgen schwere Synthie-Streicher (oder doch rückwärts abgespielte Gitarrensounds), dann wieder der weiche, pluckernde Beat. »Purple« klingt am Anfang wie einer dieser glockenklaren, romantischen Pantha-du-Prince-Tracks, bis sich auch hier wieder eine Gitarre zu quietschenden, nervösen, Unheil verkündenden Synthies gesellt. Die vier Tracks hat Laemmert zu einer Videocollage der Künstlerin (und seiner Ehefrau) Nana Dix komponiert. Dix hat auch das Artwork der Platte gestaltet. In ihrer Videocollage, die den gleichen Titel wie Laemmerts Album trägt, beschäftigt sie sich mit dem Zwischenreich zwischen Leben und Tod, mit dem Sonderbaren und dem Nichts. Klingt hochtrabend, fühlt man aber doch so oder so ähnlich, wenn man »The Secret Garden« gehört. Denn Protein schickt uns hier auf eine zugleich verführerische und beängstigende, spannende Reise ins Unterbewusstsein, diesen geheimen Garten.
Protein
»The Secret Garden«
Schamoni Musik
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