jubilee.jpeg
Various Artists

»The Jubilee Album - 20 Magic Years«

ACT

Da sitzt er auf seinem Saxophon, seinem Laptop, seinem Röhrenverstärker, der zersauste Jazzrabauke, und ist traurig. Auf der anderen Stra&szligenseite ein prächtiger Galaabend, alles ist geladen was Rang und Namen hat, hübsche Frauen in langen Roben und glitzernden Abendkleidern. Und Jazzmusiker, Rezensenten, Studiobosse, die sich alle gegenseitig mit Lob überhäufen. Album des Jahres. Label des Jahres. Kritikerpreis. Der gro&szlige Jazzpreis. Der kleine Jazzpreis. Der Grönländische Grammy. Oder so ähnlich. Wir sprechen vom Label ACT, das anlässlich seines 20-jährigen Bestehens die zwanzig tollsten CDs der letzten Jahre neu aufgelegt und auch diesen Sampler dazu geliefert hat. Und wir lesen glitzernde Namen am Jazzhimmel: Esbjörn Svensson Trio, Nils Landgren, Joachim Kühn, Markus Stockhausen, Wolfgang Haffner, Sidsel Endresen und viele mehr. Manche der sicherlich allesamt begnadeten Musiker machen abseits des ACT-Labels auch ganz andere Aufnahmen. Wildere, radikalere Sachen, eigenwilligere, böswilligere Sachen. Sachen, die man gemeinsam mit dem Jazzrabauken auf der anderen Stra&szligenseite macht. Wo es nur so kracht und grammelt und kein Normalsterblicher eine Melodie, geschweige denn eine Komposition erkennt. »Warum lärmt ihr immer so?«, schreit ein Passant den Jazzrabauken an, der inzwischen in einer Häusernische zu musizieren begonnen hat, damit wenigstens irgendwer seine Musik hört. Die Antwort des Rabauken fällt übrigens lautlos aus, er deutet nur auf die andere Stra&szligenseite. Dort drüben ist einer der Gründe, warum so viele Jazzmusiker das Wohlgefällige, Heimelige, Faserschmeichelige meiden wie der Teufel das Weihwasser. Denn diese verkitschte Jazzpopschlagerseligkeit hat längst den Jazzmainstream zurückerobert. Tatsächlich eckt praktisch kein Stück auf dem Jubilee-Sampler beim Ohr der Hörerin an. Jedes Stück ergeht sich in netter Harmlosigkeit, in Wohlfühlmusik, die zwar auf höchsten Niveau agiert und vieles richtig macht, aber in ihrer Totalität fast schon unerträglich ist. Dabei gibt es göttliche Sachen, etwa die Interpretation von Nirwanas »Heart Shaped Box« vom Yaron Herman Trio, und gro&szligartig natürlich die Idee von Nils Landgren, Abba- Hits als Jazzfunk zu veredeln, auch wenn das streckenweise ebenfalls zu nett geraten ist. Nicht falsch verstehen, das ist wirklich gediegener, wunderschön anzuhörender Jazz(pop), aber nur deswegen unverdächtig, weil er nicht in der Hitparade, sondern meist blo&szlig im Konzerthaus stattfindet. Also nichts wie raus aus dieser Mainstreamgala und rüber auf die andere Stra&szligenseite, wo grade der Typ eingetroffen ist, der aus seinem Laptop die herrlichste Kakophonie hervorzaubern kann. Yeah! Es geht eben nichts über Kontraste!

favicon

Unterstütze uns mit deiner Spende

skug ist ein unabhängiges Non-Profit-Magazin. Unterstütze unsere journalistische Arbeit mit einer Spende an den Empfänger: Verein zur Förderung von Subkultur, Verwendungszweck: skug Spende, IBAN: AT80 1100 0034 8351 7300, BIC: BKAUATWW, Bank Austria. Vielen Dank!

Nach oben scrollen