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So Long Kottan – Zum Tod von Helmut Zenker

»Unterhaltung im Fernsehen ist Kostümierung, Gehopse, Schunklerei, Jodlerei.«
(Helmut Zenker)

»Ich bin kein Polizist, ich arbeite nur bei der Polizei« (Kottan)

»Inspektor gibt’s kan«
 Was gerade die Kottan-Frühphase von 1976 bis 1979 mit Peter Vogel (»Hartlgasse 16a«, »Der Geburtstag«) bzw. Franz Buchrieser (»Wien-Mitte«, »Nachttankstelle« – mit Public- Netbase-Gründer Konrad Becker als jugendlichem Mordopfer -, »Drohbriefe«) so aufregend und interessant macht(e) war und ist die Tatsache, dass hier derart subtil und ohne großes Kläckern und Klecksen (wie dann in der Lukas Resetarits-Spätphase bzw. bei der Karaoke-Playback-Chaos-Show »Tohuwabohu«) und mit bis dato in Österreich schier unbekannten Techniken des Eklektizismus, der Zitatfreude und der mannigfaltigsten Anspielungen genau jenes »Coole Wissen« bzw. Pop-Wissen ausgestellt und verhandelt wurde, das zuvor nur als »Lebensgefühl aus zweiter Hand« (Wolfgang Kos) bei Kabarett-Songs von/mit Gerhard Bronner und Helmut Qualtinger (»G’schupfter Ferdl«, »Bundesbahn-Blues« [mit der immer noch unsterblichen Zeile »Himmifixnoamoi I say I’m looking for my Baby«], »Da Wüde mit seina Maschin«) vorhanden war.
Wobei gerade im Debüt »Hartlgasse 16a« eine popkulturell geerdete Subtextualität zum tragen kommt, bei der einige der besten Austro-Pop-Songs von Georg Danzer (»Des kaun do no net scho ollas gwesn sein«, »Loch amoi«, »Oide i hoid auf di«, »Ollas leiwand«) eine ähnlich tragende Rolle spielen wie die Pop/Schlagermusik-Soundtracks in Filmen von Scorsese und Fassbinder.

Dazu kam eine Beschäftigung mit der »Österreichischen Seele«, die uns in »Der Geburtstag« Michael Schottenberg als österreichischen Norman »Psycho« Bates bescherte, der, wenn er nicht gerade im weinroten Kinderpyjama Liebespaare in den stundenweise von seiner Mutter vermieteten Wirtshauszimmern beobachtet, jeden Sonntag im Kirchenchor singt und ansonsten bei Mama im Bett schläft und brav vor dem Schlafengehen beten tut.
Auch war »Jerry Cotton«, dieser »teutonische James Bond« (Georg Seesslen), als Namenspatron nicht zufällig gewählt worden. Als Groschenromanheld, der ethnische, politische und sexuelle Minderheiten radikal bekämpfte, war er dem dauergereizten wie xenophoben Peter-Vogel-Kottan nicht unähnlich. Nur war Kottan gleich die nach Außen gestülpte kleinbürgerliche Schäbigkeit von Cotton. Und an der scheiterte Kottan dann auch. Wie bei »Hartlgasse 16a« wo er einfach seinen Vorurteilen nachgeht, »die Jugos« per se verdächtigt (»Frau kaputt! Du nix gemacht!?«), um dann vom invaliden Innendienstkollegen via Telefon von der eigentlichen Klärung des Falls zu erfahren. Woraufhin ein eh schon grantiger Kottan »die Jugos« extra zu Fleiß mitnimmt (»versuchter Diebstahl«). Wie sollte denn ein ca. 1932 (noch dazu in München!) geborener österreichischer Beamten mit Vornamen »Adolf« in den 70ern anders agieren?

Gerade bei solchen »Kleinigkeiten« zeigt(e) sich immer wieder die ganze analytische Schärfe von Zenker, der nicht nur um das Verhältnis zwischen dem Sein und dem Bewusstsein wusste, sondern auch jene Losung von Hitchcock verinnerlicht hatte, die besagt, dass ein Kriminalfilm immer nur so interessant sei wie die wichtigste böse Figur darin. So gesehen bestand der Kniff der ersten Kottan-Folgen darin, dass Kottan »die wichtigste böse Figur darin« war. Speziell wenn er von Peter Vogel dargestellt wurde. Der hatte schon einschlägige Grantlererfahrungen in »Papas Kino« gemacht (es gibt niemanden, auch nicht Klaus Kinski, der zu Karin Dor vor der Kamera jemals so grantig, ausfallend und gemein war wie Peter Vogel in der Komödie »Ohne Krimi geht die Mimi nie ins Bett«) und drückte seiner manisch-depressiven Kottan-Auslegung 1979 durch Selbstmord auch noch einen extra makabren Stempel auf.

Dafür durfte der »Tatort« durch Kottan 1968 nachholen: »Wir wollten etwas Anarchistisches machen. Wir waren ja alle Achtundsechziger« (Goetz George ganz ernsthaft über Schimanski). Was diese »68er« von Zenker unterschied war aber (s)eine Sympathie für die Gestrauchelten und an den Rand der Gesellschaft Gedrängten, die es in der derzeitigen TV-Landschaft eigentlich nur noch gibt, wenn sie sich selber prostituieren (Talk-Shows) oder sich sozialpornografischen Blicken (»Alltagsgeschichten«, Dokutainment, Doku-Soaps) aussetzen.
Dabei zeigt der »Fall Kottan« auch die Paradoxie dieser post-politischen/post-ideologischen TV-Ära: Was einst im staatlichen Rundfunk (auch trotz späterem »Kottan«-Verbot) an »Gesellschafts/Kritik« möglich war, garantieren uns heute auch nur staatliche Nischenprogramme (z.B. die dritten Programme der ARD).

Home / Kultur / Film

Text
Redaktion

Veröffentlichung
15.02.2003

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