Update: Aufgrund des bundesweiten Lockdowns ab 22.11.2021 findet der Salon nicht wie geplant statt. Wir versuchen, einen neuen Termin zu finden, sobald es möglich ist. Derweil: Gesund bleiben und die Nerven behalten.
In der skug-Redaktion blicken wir gerne in die Zukunft. Deshalb haben wir uns jetzt ausgemalt, wie der Lockdown Nummer Sieben werden wird. Blöderweise muss auch bei der überüberübernächsten Auflage wieder völlig unvorhersehbar für die Landeshauptleute in OÖ und Salzburg alles zugesperrt werden. Schuld ist auch diesmal nicht die Politik, sondern die Bevölkerung, die immer noch nicht kapiert, dass die »Eigenverantwortung« entscheidend ist bei der Nichteinhaltung der nicht durchschaubaren und nicht kommunizierten neuen Regeln, die innerhalb der letzten 25 Minuten per Erlass mehrfach geändert werden mussten. Zur Staats- gehört natürlich auch die Regierungskrise. Wie gehabt. Der soeben zum vierten Mal abgesetzte Bundeskanzler Sebastian Kurz bereitet sich im Geheimen auf seine fünfte Wiederwahl vor, die unter Expert*innen als gesichert gilt. Sein grüner Koalitionspartner hat sich erfolgreich umbenannt in die »Die kleinen Ja-Sager«. (Wie niedlich!) Ihr Wahlspruch: »Noch einmal anstrengen und dann ist gut.« Dazugelernt hat man allgemein nichts, weswegen die Stimmung auch überraschend entspannt ist. Die Tourismusministerin verkündigt den letzten Gastronomie- und Veranstaltungsbetrieben im Lande »rasche Hilfen«, schließlich würden die ausgehandelten Zahlungen des vierten Lockdowns noch im übernächsten Kalenderjahr ausgezahlt werden (vielleicht) und was die Gesundheitsversorgung betrifft, hat sie den beliebten Stehsatz parat: »Wir sind in Österreich gut aufgestellt.« Selbst nachdem das medizinische Personal nach dem fünften Lockdown das Land geschlossen verlassen hat.
Zur bedauerlichen aktuellen Lage
Zurück in der Realität von Halb- und Beinahe-ganz-Lockdown Nummer Vier. Hier macht es sich die Politik ein bisschen sehr einfach mit den Veranstalter*innen, indem entweder plump geleugnet wird, dass es überhaupt eine Gesundheitskrise gibt, die längst ein entsetzliches Ausmaß erreicht hat, und dass diese zuvor sehr wohl mit nächtlichen Ausgangssperren und dem Ende der Nachtgastronomie eingedämmt werden konnte. Bundeskanzlerstellvertreter Schallenberg hat einfach seine eigenen Zahlen, aber er erlebt die Regierung ja auch als geschlossen und »mit einer Stimme sprechend«. Die Klärung, welche der Stimmen die »eine« ist, bedarf vermutlich einer psychopathologischen Erörterung, die an dieser Stelle zu weit führt.
Nur ist der Zustand der Opposition ebenso traurig. Dass die durchgeknallten NEOS bis zum Schluss noch »Garantien gegen den Lockdown« gefordert haben, ist das eine, aber auch die SPÖ fährt einen seltsamen Schlingerkurs. Statt sich energisch gegen die desaströse Regierung und die Pferdeentwurmungsmittel schluckenden Rechtextremisten zu stellen, indem deutlich gesagt würde: »That’s all, folks, ab ins stille Kämmerlein, leider«, geben die Roten auch die Verantwortung ab. Warum sich unbeliebt machen und was verbieten? Lieber den Leuten einfach »empfehlen« ihre Veranstaltungen abzusagen. Das sei laut burgenländischem Landeshauptmann »vernünftig«. Okay, »vernünftig« klingt super und da machen wir gerne mit. Nur ist es zugleich auch unvernünftig gegenüber den Künstler*innen, Venue-Betreiber*innen, Techniker*innen und vielen mehr, wenn wir jetzt – trotz konsequenter Einhaltung und Implementierung sämtlicher Schutzmaßnahmen – von uns aus absagen und daheimbleiben. Daraus könnte uns nämlich leicht ein Strick gedreht werden: »Na ja, ihr hättet ja gar nicht abdrehen müssen.« Genug geklagt, bitte am Abend die 2G-Plus-Regel einhalten, denn die wird kontrolliert, und nun endlich zum Programm:
»Klassenkampf persönlich nehmen«
Kennt ihr das unbehagliche Gefühl? Irgendwie politisch unzufrieden zu sein, ist in unserer Gesellschaft beinahe unumgänglich. Ebenso sitzt der Stachel im Fleisch, dass doch eigentlich »was getan werden müsste«. Nur leider fehlt ein glaubwürdiger und klarer Impuls, dies auch zu tun, weil die Lage einfach zu unüberschaubar ist. Jede*r lebt ihren*seinen eigenen Stiefel herunter und die Problemfelder, in die wir jeweils verstrickt sind, erscheinen uns unüberschaubar. Sich ein gemeinsames Ziel zu stecken und einen gemeinsamen Kampf zu beginnen, wirkt deshalb seltsam abwegig.
Dafür mag es einige Gründe geben. Einer liegt sicherlich im erfolgreich verdrängten Klassenkampf und der Unterdrückung der Ausbildung eines Klassenbewusstseins. Die Predigten des herrschenden Establishments haben gefruchtet. Kaum wer betrachtet die Realität seiner Lebens- und Arbeitsverhältnisse als das Ergebnis einer kapitalistischen Hierarchie. Es wird sich identifiziert mit Interessensgruppen, aus deren partikularer Wirklichkeitsinterpretation sich kaum Themen ableiten lassen, die glaubhaft von allgemeinem Interesse sind. Dabei ist weder deine Unterdrückung noch dein Privileg Ergebnis eines individuellen Zufalls, sondern ein Produkt des Klassismus.
Diesen Klassismus in das aufklärerische Licht zu heben, in das er gehört, haben sich einige in letzter Zeit erschienene Sammelbände zur Aufgabe gemacht:
Drehli Robnik (Hg.) »Klassen sehen. Soziale Konflikte und ihre Szenarien«, Münster: Unrast, Juni 2021
Francis Seeck & Brigitte Theißl (Hg.) »Solidarisch gegen Klassismus – organisieren, intervenieren, umverteilen« Münster: Unrast, April 2021
Betina Aumair/Brigitte Theißl (Hg.) »Klassenreise – Wie die soziale Herkunft unser Leben prägt« Wien: ÖGB-Verlag, November 2020
Gleich drei Sammelbände? Puh, die alle lesen? Na ja, im Lockdown ist vermutlich genügend Zeit, aber zuvor sind im Salon zahlreiche der Autor*innen anwesend, die gerne über das wichtige Thema diskutieren und das niederschwellige, informelle Gespräch genießen. Ein Salon skug eben, bei dem wir uns diesmal auf Gabu Heindl, Renée Winter, Drehli Robnik, Brigitte Theißl sowie Jens Kastner und Ruth Sonderegger (angefragt) freuen dürfen. Ein ins Thema einführender Ankündigungstitel ist in Vorbereitung und kommt next week. Erfahrene skug-Leser*innen und Salon-Besucher*innen kennen unsere Gepflogenheiten. Jetzt aber zur Musik:
Sound und Performance zum Abheben
Beim nächsten Salon skug legen wir uns wieder horizontal in die Luft, denn es wird ein Abend für die Babys, die Bitches, die Tomboys und die Puppys! Männer sind mitgemeint und dürfen am 25. November also auch ins Fluc kommen. Sie sollten davor aber zumindest den Namen der Acts gegoogelt haben. Bei Moet ist das kein Problem, der Weinvorrat gehört seit dem letzten Abrissbirnen-Salon ohnehin neu aufgestockt. Wer es sich nach drei Flaschen vom guten Sprudel noch zutraut, hämmert zusätzlich den Bandnamen des Hauptacts in die Tasten – Spaß für die ganze Familie, trust me!
Alle anderen, die ohnehin zwei Verlegenheitssemester an der Angewandten vertrödelt haben, schon mal bei einer Show (oder wo fängt nochmal die Performancekunst an?) von Die Fitten Titten dabei waren oder auf genialen Dilettantismus stehen, müssen beim Salon aufkreuzen. Natürlich um sich mit Butter einreiben zu lassen, »Mamalada« nachzuschmieren und den Boys dabei zuzusehen, wie sie als Toys auf der stillen Treppe zittern. Dafür springt man sogar in die Spendierhosen und kauft sich anschließend eine Platte. Oder zwei. Nicht dass man am nächsten Tag in den Media Markt rennt, um in der Spülmaschinenabteilung verzweifelt nach den Fitten Titten zu fragen. Das von Julia Riederer und Claudia Lomoschitz gegründete und durch Anna Barbieri und Lisa Maria Ernst ergänzte »Lo-fi-Electro-Pink-Punk«-Projekt wird man dort nämlich nicht finden. Dafür sind die Kunst-und-Krempel-Aktivistinnen viel zu sehr damit beschäftigt, in Wiener Gürtellokalen ihre Sauereien aufzuführen und Böse-Buben-Bands als Style-Polizei von der Bühne zu canceln.
Ein Glück, dass die Glitzer-Glanz-und-Glamour-Diven von Moet mit Sicherheit bleiben dürfen. Schließlich haben Monique Fessl und Marta Navaridas die Skianzüge ihrer Eltern aus der Altkleidersammlung gefischt. Und genügend Lametta in die Haare geflochten, um das Weihnachtsfest einen Monat nach vorne zu verlegen. Die beiden Performancekünstlerinnen crashen den Technokeller im Ausfallschritt, bevor sie die frohe Botschaft überbringen: Ihr Kinderlein kommet und tanzet bis das Christkind die Geschenke bringt – oder der Osterhase vom Dach fällt. Wir sehen uns am 25. November ab 20 Uhr im Fluc! Und freuen uns tierisch – wenn’s denn wahr wird.