Vor genau fünf Jahren, es war auch ein Sonntag, der 29. September, haben wir ein Salon skug BAM! Wahlspecial zur Nationalratswahl abgehalten und oh boy, was sind das für fünf Jahre gewesen! Lose Aufzählung: Wir saßen monatelang wegen einer weltweiten Pandemie zuhause fest, es gibt einen Angriffskrieg Russlands auf die Ukraine und die Folgen der Klimakatastrophe werden immer offenkundiger (Temperatur- und Niederschlagsextreme – you name it). Wer hätte damals vorhergesehen, dass wir in so einen »Polykrisenmodus« geraten? Es wurde ungemütlicher und man kann nicht behaupten, dass die österreichische Politik den Aufgaben gewachsen wäre. Die Wahl gewann damals ein gewisser Sebastian Kurz (Erinnert sich noch wer an den?), der heute als überführter Straftäter für den Bondbösewicht Peter Thiel in den USA arbeitet. 2019 ging es dank Kurz nur um Oberfläche und Sprüchlein (»Es ist Zeit!«, »Neuer Stil«), die ÖVP wurde türkis und eine »Bewegung« war erfolgreich, die keine andere Substanz zu haben schien als das Streben nach dem persönlichen Vorteil ihrer politischen Akteur*innen. Nachzulesen in den jeweiligen Chat-Protokollen, die ein Sittenbild von Politik und Medien liefern, das so schlecht ist, dass es zum Lachen wäre, wäre es nicht leider zugleich grausame Realität.
Diese Früchte von Verblödung und Verrohung »erntet« Österreich im diesjährigen Wahlkampf. Statt über die großen, aber sehr wohl lösbaren Schwierigkeiten zu reden, propagiert die FPÖ (die offenkundig nie auch nur in der Nähe der Baleareninsel Ibiza gekommen ist) jetzt die »Festung der Freiheit« und alle machen mit oder schauen blöd hinterher. Laut Freiheitlichen haben alle Probleme irgendwas mit Ausländern zu tun oder existieren nicht. Deswegen muss jetzt der Grenzschutz hochgefahren werden, damit auch ja niemand mehr ins Land kommt. Um die Schmalspur-Apartheid Alpen-Style abzusichern, ist es in Österreich nahezu unmöglich geworden, die Staatsbürgerschaft zu erwerben, und wer die nicht hat – erraten! der- oder diejenige darf auch nicht wählen. Das Bedenkliche ist, wie sehr rechte und rechtsautoritäre Deutungsmuster Mainstream wurden. ÖVP/FPÖ machen rechte bis hin zu rechtsextremen Sprüchen? Geschenkt! Aber auch die anderen tendenziell linksliberalen Parteien wirken verzagt. Die SPÖ wird sich wohl mit dem »Nachschärfen« ihrer Ausländerpolitik unter die 20-Prozent-Marke feilen. Etwas scheint in vielen Menschen zerbrochen zu sein. Eine allgemeine Erschöpfung verhindert Mitgefühl und Solidarität. Man will einfach irgendwie nicht mehr. Also Grenzen zu, in Herzen und Hirnen. Das alles ist etwa so erheiternd wie das Kauen auf WC-Steinen, nur hat man danach wenigstens einen frischen Atem.
Wie lautet die Prognose?
Wie es ausgehen wird am Tag der Nationalratswahl? Nun, Kaffeesudlesen ist grundsätzlich nicht skugs Sache, macht aber auch Spaß. Aktuell zeigt sich, dass die Überschwemmungskatastrophe zum genau richtigen Zeitpunkt für die ÖVP kommt. Die Partei kann ihren Kanzler durch die Medien schleifen, um Durchhaltereden zu liefern, und er darf sogar auf Erfolge hinweisen. Tatsächlich macht sich das Land gut in der Katastrophe, denn der Hochwasserschutz wurde offenkundig verbessert, die Rettungskräfte arbeiten effizient und auf einmal redet man sogar wieder über »Solidarität«. Die fasst der ORF gut mit seiner Kampagne zusammen: »Österreich hilft Österreich« (mitgedacht: »und sicher keinen Ausländern!«). Die Überschwemmungen und ihre Bewältigung sind real und eine Erinnerung daran, dass die vielgescholtenen Politiker*innen tatsächlich gebraucht werden. Das Krisenmanagement machen letztlich andere im Hintergrund, aber es braucht Bezugspersonen für die Öffentlichkeit, die sich hinstellen und sagen, was nun zu tun ist (zuhause bleiben zum Beispiel).
So etwas entscheidet nachweislich Wahlen. Die Belege im deutschen Nachbarland sind eindeutig. Gerhard Schröder gewann als Macher in Gummistiefeln die als sicher verloren geltende Bundestagswahl 2002 dank dem damaligen Elbhochwasser, während bei der letzten Wahl der CDU-Kandidat Armin Laschet sein Schicksal besiegelte, als er scheinbar über das Elend der Flutopfer lachen musste. Man achte darauf, wie hochkonzentriert heute ÖVP-Politiker*innen ihr Krisengesicht zur Schau tragen. Die anderen Parteien können nur vom Spielfeldrand zuschauen. Für die Opposition gibt es logischerweise nichts zu holen (Wer will jetzt rummeckern?) und die Grünen dürfen ein letztes Mal feststellen, wie sehr sie bei den Koalitionsverhandlungen von der ÖVP über den Tisch gezogen worden sind. Denn die durch die Klimakatastrophe mitbedingte Flut müsste eigentlich die Grünen in den Fokus rücken. Aber leider, leider sind alle entscheidenden Agenden in ÖVP-Hand und es wirkt so, als müssten jetzt die Erwachsenen ran.
Also Prognose: Nehammer wird Nummer Eins und somit Kanzler bleiben, Mehrheiten verschaffen ihm die zu Kreuze kriechenden Sozialdemokraten (Vergiss die Erbschaftssteuer, nervt ja nur) oder die FPÖ, die politisch nichts ändern muss, einzig auf ihren »VolKaKi« (Volkskanzler Kickl) wird sie verzichten müssen. Voll schade! Die nächsten Jahre werden dann keine entscheidenden Verbesserungen bringen, was Umwelt- und Klimaschutz oder gesellschaftliches Miteinander betrifft, denn geändert wird in der Konstellation sicher nichts an den Machtverhältnissen, die uns in die betrübliche Lage gebracht haben, und wir sehen uns nach ansonsten sicherlich kurzweiligen fünf Jahren voller Krisendynamik beim Salon skug BAM! Wahlspecial 2029 wieder, wenn dann noch gewählt werden darf. Dennoch – hoffen wir das Beste! Noch können Menschen mit Wahlrecht aus der Nachbarschaft bekniet werden … Bitte mal was anderes! Nicht schon wieder Blau-Schwarz-Türkis mit bestenfalls einem Klecks roter Selbstverleumdung.
Analysieren und Ryhmen
Aber Stopp! So schlimm ist das alles auch wieder nicht. In politischen Kämpfen haben bekanntlich die verloren, die aufgeben. Man muss schon lange suchen, bis man einen Menschen findet, der so mies ist wie ein Wahlspruch. Niemand ist komplett in Obrigkeitshörigkeit erstarrt oder glaubt die seichten Sprüchlein, die ihn oder sie zum Kreuzerl-Machen bringen sollen. Das Elektorat bleibt immer eine Blackbox und deswegen sollte das Geschehen fröhlich analysiert werden. Es ist ja alles andere als unmöglich, dass es auch mal besser wird. Im Salon schauen wir uns im Videostream die ORF-Hochrechnungen an, aber lassen dabei den Ton abgedreht, denn zu Wort sollen einmal andere kommen. Die Kolleg*innen von BAM!, dem Bündnis alternativer Medien nehmen sich das Wort und liefern einen diverseren und multiperspektivischen Blick auf die Hochrechnungen. Wir verkünden mit SOS Mitmensch auch das Ergebnis der Pass Egal Wahl und bieten weiteren Organisationen eine Bühne, die Sichtweisen von Menschen vertreten, die viel zu selten in diesem Land gehört werden.
Ganz wichtig in solchen Feierstunden der Demokratie ist die Musik und die sollte unparteiisch und staatstragend sein. Wer wäre da besser geeignet als Kid Pex? Sein weites Herz und sein glasklarer Verstand ließen ihn auch randständige Persönlichkeiten wie den FPÖ-Politiker Norbert Hofer würdigen, den heute nicht einmal mehr die eigene Partei auf dem Bettvorleger platzieren mag. In Herrn Gabalier haben skug und Kid Pex einen gemeinsamen Freund gefunden, den es stets kritisch zu würdigen gilt, und jenseits all dieser lächerlichen Provinzblödheiten weiß Kid Pex als Aktivist der SOS Balkanroute, worauf es wirklich ankommt: Mensch zu bleiben. Das mag pathetisch klingen, stimmt aber. Wer taub und blind wird für die Schwierigkeiten und Schmerzen anderer, sollte nix in der Politik machen und am besten nicht mal zum Mikro greifen. Dass es viel zu viele dennoch tun, ist Grund genug, ihnen mit HipHop den Marsch zu blasen. So geplant beim BAM! Wahlspecial am 29. September 2024 ab 16:00 Uhr in der Brunnenpassage am Yppenplatz. Also das verspricht ein bunter Abend zu werden. Das Ganze gibt es auch live auf Radio Orange 94.0 mitzuhören, für diejenigen, die es nicht nach Wien Ottakring schaffen. Auf alle anderen freuen wir uns bei freiem Eintritt, viel Expertise und guter Musik!