Die meisten Häuser auf diesem schönen Erdenrund wurden und werden ohne Zuhilfenahme von Architekt*innen gebaut. Es gibt da so Traditionen und viel Lernen am Vorbild der Mütterlein und Väterchen. Wie bekommt man ein Dach auf vier Wände? Na, da gibt es eben so Kniffs. Technische Schläue und viel regionale ästhetische Vorlieben durchziehen dann die Endprodukte. Zur Ehre gereicht Architekt*innen, dass sie die verschiedenen Bauformen und Möglichkeiten kennen, reflektieren und durchaus kritisch infrage stellen. Sie suchen deshalb gerne den Austausch, beispielsweise in einer Summer School wie der VAS². Hier kommt das Gespräch nicht nur aufs theoretische Bauen, die Kursteilnehmer*innen machen sich auch die Hände in praktischen Workshops schmutzig. Angrenzende oder auch weniger angrenzende Medien und sonstige Ausdrucks- und Wissensformen werden freudig hinzugezogen, das Ganze nennt sich dann folgerichtig Interdisziplinarität.
Es darf gesagt werden, es macht ein wenig die Magie der VAS² aus, dass es bei ihr eben auch um Computerspiele und Marxismus geht. An neun Tagen werden Workshops, Talks, Diskussionen und Ausstellungen geboten, mehr dazu hier! Einige Veranstaltungen sind auch ohne Kursteilnahme öffentlich zugänglich. Die Spielregeln der etablierten, insbesondere der akademischen Institutionen (die im Sommer geschlossen sind) werden dabei überwunden und durch einen pluralistischeren Austausch ersetzt. Angeleitet wird dies von dem sechsköpfigen Organisationsteam, dem Jerome Becker, Uwe Brunner, Matthias Moroder, Eleni Palles, Dominic Schwab und Marlene Wagner angehören. Im Jahr 2024 findet die VAS² in der Nordwestbahnstraße 16, im 20. Wiener Gemeindebezirk statt und mit dem Nordwestbahngelände wären wir beim Thema.
Für mehr Grün im roten Wien
Wien baut sich gerade um und das läuft so mittelprächtig. Die Klimakatastrophe kann nur mehr leugnen, wer sich Gute-Nacht-Geschichten, gelesen von Herbert Kickl, in Dauerschleife auf dem Walkman anhört. Die Wiener Sozialdemokratie ist längst nicht so verdorben und unverantwortlich. Man musste in den letzten Jahrzehnten eine riesige Anzahl von Menschen, die der kompletten Stadt Graz an Einwohner*innen entspricht, aufnehmen und für diese Wohnraum schaffen. Das Nordwestbahngelände wird deshalb, neben zahlreichen anderen Stadtentwicklungsgebieten, umgebaut und dabei sind durchaus clevere Ansätze zu bestaunen (einige der alten Bäume wurden stehengelassen und überhaupt viel Grünraum miteingeplant), denn die City ist längst too hot in einem schlechten Sinne und das wird in den nächsten Jahren nur noch schlimmer.
Aber im Falle des Falles führt die Verbrüderung sozialdemokratischer Führung mit der lokalen Bauindustrie immer zur Lösung »Beton«. Auch Mitbestimmung mag man nur in engen Grenzen, denn es geht hier schließlich auch ums Geld, Baby! Für Architekt*innen, die sich da nicht miteinplanen lassen wollen, um zu Handlanger*innen dessen zu werden, was das Kapital sich an Betongold wünscht und was die Stadtregierung gerade noch der Bevölkerung zu geben bereit ist, ist es nicht immer leicht, einen guten Weg zu finden.
Architektur geht alle an
Umso wichtiger, dass es einige versuchen. Weg von den Mainstreamdiskursen und den vorbemessenen Sichtweisen kommt man nur, wenn ein sowohl lokaler (das Hauptaugenmerk liegt durchaus auf Wien und Österreich) als auch sogleich internationaler (es kommen Gäste aus vielen Ecken der Welt) Diskurs angeregt wird. Die imperiale Dividende wird sich nicht mehr lange einfahren lassen und feministischere Sichtweisen werden besser heute als morgen die weißrückigen Architektur-Alphamännchen verdrängen helfen. Die Digitalisierung sollte mutig in den Blick genommen werden und es ist ja nicht auszuschließen, dass sie manches besser macht. All das und noch ganz viel mehr gibt es auf der VAS².
Dabei sollten alle Beteiligten idealerweise den Spaß an der Sache behalten. Die VAS² will auch ein Fest sein und dabei die Freude am Bauen, am Nachdenken über das Bauen, am interdisziplinären Denken, am Errichten hierarchiefreier Räume und vielem mehr vermitteln. skug fühlt sich diesen Ansätzen sehr verbunden und bemüht sich, zu diesen kritischen räumlichen Praxen am 31. August 2024 ab 20:00 Uhr am Nordwestbahngelände die einigermaßen richtige Musik zu machen. Wir wissen alle, Partys sind wichtig in Zeiten wie diesen, denn sie ermöglichen informellen Austausch, Unterstützung, Vernetzung und all dieses Zeug, das dabei hilft, im Alltag zumindest ein bisschen widerständig zu bleiben. Also besucht die VAS² und kommt vielleicht sogar auch zum nächsten regulären Salon skug am 29. September 2024 – wir freuen uns auf euch!