Am 30. August 2023 fand die von uns lang und aufgeregt erwartete erste Schreibwerkstatt in Aktionsradius Wien im 20. Bezirk statt. Voll Freude durften wir neun Teilnehmer*innen begrüßen und mit ihnen die ersten gemeinsamen Schreibstunden verbringen. Passend zum Auftakt stand die Einheit im Zeichen der berechtigten Frage: »Wie ins Schreiben kommen?« Eine Stunde Programm und ein paar beschriebene Blätter später fanden wir uns zu Pizza und Drinks noch bis in den Abend hinein bei unserem Social versammelt. Es wurde gefragt, diskutiert und vernetzt. Das ist ein wichtiger Teil für unsere Schreibwerkstatt, denn wir wissen: Schreiben muss keine einsame Beschäftigung sein!
Knapp vier Wochen später, am 29. September 2023, trafen wir uns im t/abor im 2. Bezirk wieder, wo es direkt damit weiterging, wie man überhaupt zu einer Idee kommt. Unter der Überschrift »Brainstorming – Drei Techniken« stellten wir dazu unterschiedliche Methoden vor, die helfen sollen, den Keim einer Idee zum Blühen zu bringen. Und auch hier ist für jede*n etwas dabei: Egal ob visuell oder assoziativ, alle Gedanken sind wertvoll! Denn es stehen uns oft akademische oder schulisch gelernte Strukturen im Weg und die müssen wir manchmal einfach über Bord werfen!
Doch klammern wir uns nicht aus im ständigen Lernprozess. Wir selbst bilden uns durch die Schreibwerkstätten immer weiter – durch das Miteinander und durch den Austausch mit euch. Schreiben macht uns Spaß. Das war nicht immer so. Auch wir haben in Schule oder Universität schlechte Erfahrungen gemacht. Unsere Schreibwerkstätten sollen positive Gegenbeispiele sein. Gemeinsam versuchen wir, negative Erinnerungen zu »überschreiben«. Dazu greifen wir auf verschiedene Übungen zurück. Einige davon hat Teammitglied Verena Schmid im Rahmen ihrer Ausbildung zur professionellen Schreibtrainerin lieben gelernt. Eine besonders hilfreiche Schreibmethode ist etwa das Free Writing (Fotos: © untergründlich divers).
Innere Zensor*innen verstummen lassen
So einfach wie genial lässt sich Free Writing vielfältig einsetzen. Es kann uns helfen, die Angst vor dem leeren Blatt zu überwinden, erste Ideen aufs Papier zu bringen, Gedanken zu ordnen oder einfach mal schreibend Dampf abzulassen. Wenn wir Free Writing praktizieren, erlauben wir uns alles, was in unserem Kopf vorgeht, in Schrift zu bannen – ohne Wertung, ohne Zensur. Das ist anfangs gar nicht mal so leicht, denn viele von uns haben sehr starke innere Zensor*innen, die dafür sorgen, dass nicht alles Gedachte auch zur Sprache oder zu Papier gebracht wird. Das ist in vielen Situationen, vor allem in der Kommunikation mit anderen, unerlässlich. Doch beim Schreiben von ersten Textentwürfen hemmen sie uns eher und machen den Schreibprozess für viele Menschen unbefriedigend und mühsam. Um diese kritischen Stimmen für gewisse Zeit verstummen zu lassen oder sie zumindest etwas leiser zu drehen, eignet sich Free Writing hervorragend.
Wie funktioniert dieser Trick nun? Hier eine simple Anleitung:
- Wähle einen Begriff/ein Thema als Ausgangspunkt oder starte mit dem ersten Gedanken, der kommt.
- Begrenze deine Schreibzeit auf 5, 10, 15 oder 20 Minuten.
- Beginne einfach zu schreiben, was auch immer dir durch den Kopf geht.
- Die schreibende Hand bleibt immer in Bewegung.
- Lies nicht, was du geschrieben hast, schreib einfach weiter.
- Nichts löschen oder wegstreichen.
- Sorge dich nicht um Rechtschreibung, Satzzeichen und Grammatik.
- Verliere die Kontrolle, folge einfach deinen Gedanken. Exkurse und Blödsinn sind willkommen.
- Wenn du nicht mehr weiterweißt, schreib so lange »Mir fällt nichts ein«, bis wieder ein neuer Gedanke kommt. Oder zeichne Wellenlinien, bis sich wieder Worte finden.
- Wenn die Zeit um ist, schreib den begonnenen Satz oder Gedanken zu Ende.
Wenn du Free Writing zum ersten Mal probierst, sei nicht zu streng mit dir. Alles aufzuschreiben, was dir durch den Kopf geht, ist nicht einfach. Manchmal sind unsere Gedanken schneller als die schreibende Hand, manchmal sind die inneren Zensor*innen zu laut oder man hat das Gefühl, der Kopf sei komplett leer. Wie alles andere ist Free Writing reine Übungssache. Gib also nicht auf, wenn es nicht gleich klappt. Einen Tipp haben wir noch für dich: Experimentiere mit unterschiedlichen Tageszeiten, Orten und Material zum Schreiben. Viele professionell Schreibende schwören auf den Morgen als die beste Schreibzeit, aber als Nachteule kann das auch ganz anders sein. Ob im Kaffeehaus wie Arthur Schnitzler, im Bett wie Marcel Proust oder in der Badewanne wie Dalton Trumbo – suche dir einen Ort, an dem du dich wohlfühlst. Nur Vorsicht, falls du am Laptop schreibst, nicht dass er baden geht.
Wie geht’s weiter?
Am Dienstag, den 24. Oktober 2023 wenden wir uns der Frage zu: »Was heißt journalistisch Schreiben?« Diese Art der Textproduktion stellt in manchen Hinsichten spezielle Anforderungen an die Schreibenden. Doch die Notwendigkeit von journalistischen Standards beginnt schon lange vor dem eigentlichen Verfassen der Texte. Wir sprechen in der Schreibwerkstatt #3 über die (eigene) journalistische Haltung, geben dir Tipps und Tricks für deine Texte mit und werden natürlich wieder gemeinsam schreiben. Beginn ist um 18:00 Uhr im t/abor an der Taborstraße 51/3, 1020 Wien. Kein Vorwissen notwendig!
Zwecks Planung freuen wir uns über unverbindliche Anmeldungen unter schreibwerkstatt@skug.at. Du hast noch Fragen? Melde dich jederzeit.
Link: https://skug.at/untergruendlich-diverse-schreibwerkstatt/
Anmerkung: Das Europäische Solidaritätsprojekt »Untergründlich divers – Schreibwerkstatt für mehr Diversität im Musik- und Kulturjournalismus« wird aus den Mitteln der Europäischen Union finanziert. Es handelt sich um eine Kooperation mit skug.at.
1 Nach Natalie Goldberg: »Writing Down the Bones«, Shambala Publications, 1986, und Peter Elbow: »Writing with Power«, Oxford University Press, 1998. Zusammengefasst und übersetzt von Judith Wolfsberger, in: »Frei geschrieben«, UTB, 2016. Adaptiert von Verena Schmid, 2023.