Studio Dan Ensemble © Ditz Fejer
Studio Dan Ensemble © Ditz Fejer

MuTh zum Vermitteln

Der Konzertsaal MuTh am Augartenspitz versucht, Neue Musik einem kleinen und großen Publikum näherzubringen, und lässt sich dafür einiges einfallen.

Es ist ja alles aktueller und schwerwiegender, als es den Beteiligten lieb sein kann. Das Gebäude des MuTh wurde vor nunmehr zwölf Jahren errichtet und als die Direktorin Elke Hesse ihr neues Büro besichtigte, freute sie sich über die riesige Fensterfront und das viele Licht. Den Einbau eines Sonnenschutzes lehnte sie mit dem Gedanken ab, in Wien sei der Sommer ohnehin nur ein paar Tage im Jahr zu heiß. Eine Fehleinschätzung, denn die Klimaerhitzung nimmt Tempo auf. Heute sitzt Hesse unter einem Sonnenschirm in ihrem Büro. Mit dem Programm »Klima.Krise.Klingt – Die Natur (er)hören« sollte am 19. und 20. September 2024 ein Konzert und Hörsparziergang im nahegelegenen Augarten die Klimakrise und die zu erneuernde Verbindung von Mensch und Natur hörbar machen. Dann kamen Sturm und Flut nach Wien. Der Augarten ist zu Konzertbeginn noch gesperrt, weil einige vom Wind geschädigte Bäume umzufallen drohen. Eine Ausweichroute musste gefunden werden. So ist eben die Lage im Jahr 2024 in Wien.

Nah an den Menschen

Das MuTh ist allerdings Improvisieren gewohnt und es macht zugleich ja Freude, gezwungen zu sein, neue Wege zu gehen. Irene Suchy, die Kuratorin des Programms »Close Up«, in dessen Rahmen »Klima.Krise.Klingt« stattfindet, betont die enge Verbindung von Musik, Natur und Spazierengehen. Eigentümlicherweise gingen die großen Heroen der Komposition, von Beethoven bis Boulez, gerne spazieren. Aus mindestens zwei Gründen: Man hört beim Spazierengehen so viel und man verlässt die angestammten Räume. Bei »Klima.Krise.Klingt« nehmen die Teilnehmer*innen Geräusche auf, die sie auf ihrem Soundwalk einfangen, und stellen diese wiederum der Komponistin Rebecca Saunders zur Weiterverarbeitung zur Verfügung. Irene Suchy ist der Ansatz wichtig, das Publikum einzubinden. Um dieses Vorhaben zu beschreiben, stehen zunächst die festgefahrenen Begriffe im Weg. »Vermitteln« ist eher ein sperriges Wort, besser wäre das Zusammenführen und das Stiften von Verbindungen. Zwischen Publikum einerseits und der »Neuen Musik« andererseits. Letzteres ist aber auch wiederum so ein Kampfbegriff. 

Das MuTh will diejenigen in die Musik reinholen, die vielleicht nichts wissen von den neuen Formen der Musik, und zugleich auch denen etwas bieten, die alles wissen. Im Programm für Schulgruppen sollen idealerweise die Schüler*innen ganz unvorbereitet reingezogen werden und zugleich auch die hochgebildeten Musikpädagog*innen das eine oder andere Mal erstaunt die Augenbrauen hochziehen. Suchy möchte dies erreichen mit »Fasslichkeit« (kaum ein Stück ist länger als 7 Minuten), Heiterkeit (am 21. Oktober 2024 gibt es »Humorforschung«, denn »Humor Does Belong in Music«) und Relevanz (Themen wie die Klimakrise oder auch Krieg werden nicht ausgespart). Bis April 2025 gibt es insgesamt sechs verschiedene Aufführungen zum Motto »Musik nah und fern«, die jeweils eine Abendvorstellung und eine morgendliche Schulvorstellung umfassen.

Ist es Jazz, ist es Neu oder Elektro? 

Nur noch einmal kurz zur Info, für die wenigen, die es noch nicht mitbekommen haben: Wien ist multikulti. Und das ist auch gut so und das MuTh feiert dies. Die Kulturen der Welt und ihre Musik sind eingeladen und sie treffen auf die Diversität, die das Publikum mitbringt. Eine Wiener Schulklasse, die heute im MuTh vorbeischaut, bringt unterschiedlichste Sprachen und Musiktraditionen mit. Das ist nicht weniger als ein Geschenk für alle Beteiligten. Umso mehr, wenn klassische Barrieren zwischen Darbietenden und Publikum eingerissen werden. Das MuTh bittet immer wieder das Publikum auf die Bühne, lässt die Schüler*innen am Ende der Vorstellungen mal hinter die Schlagwerkzeuge und es ist nicht unmöglich, dass die Komponistin mit dem Publikum auf Pappkartons über den Boden rutscht, um zu erkunden, wie das eigentlich klingt. Jede und jeder ist eingeladen, ihren oder seinen eigenen Hintergrund mitzubringen und klingender Teil der weltoffenen Musikmetropole Wien zu werden.

Das Studio Dan will hier auch seinen Beitrag leisten. In der Programmschiene »You Better Listen!« bietet das seit fast zwanzig Jahren bestehende Musikkollektiv ein Programm, das beinahe so wirkt, als sei es auf das skug-Stammpublikum zugeschnitten. Tony Braxton, Meredith Monk und Mark Fell (Mego-Label) werden von Dezember 2024 bis Juni 2025 auf oder neben die Bühne des MuTh gehievt. Co-Leiter Daniel Riegler sieht in dem Studio Dan einen Wanderer zwischen Jazz, Elektro und zeitgenössischer Musik, der im MuTh und mit dessen Bereitschaft, Räume zu öffnen, eine ideale Spielstätte gefunden hat. In Tagen wie diesen, in denen manches in einem schlechten Sinn in Wien »ausufert«, weil uns die verschiedenen Krisen immer wieder im Klammergriff nehmen, ist die Erinnerung an die Kraft der Kunst erfrischend. Die kann nämlich Grenzen im besten Sinne überschreiten, Sichtbarkeiten ermöglichen und Menschen zusammenführen. Wie immer es mit der Menschheit weitergeht, an der Musik wird es nicht gelegen sein, die tat, was sie konnte.

Link: https://muth.at/

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