»Gitarrenhändler, ihr seid Schweine!«
Völlig falsch gedacht, aber wie sollten es denn verhinderte Hamburger Intellektuelle aus gutbürgerlichem Hause besser wissen?
»Musikjournalisten, ihr seid Schweine!« ist die einzig legitime Kritik an musikalischen Produktions- und Marketingmechanismen, vielleicht sollte man noch Kulturmanager miteinbeziehen. Gitarren kann man am Flohmarkt erstehen, stehlen (besonders empfehlenswert!), selber basteln, was auch immer. Die Pressestimmen kann man sich als Musiker nicht selbst besorgen. Die einzigen wahren armen Schweine, die Musiker, sind unserer Zunft auf Verderb und Gedeih ausgeliefert. (Zumindest hätten wir Schreiber dies gern…)
Aktuelles Beispiel für die Verwerflichkeit von Geschriebenem ist die neue Sonic Youth Platte, »Murray Street«. Allseits gelobt und gefeiert, besonders von jenen, die noch »NYC Ghosts and Flowers« als Abgesang alter Helden sahen. Warum?
Gute Frage, zeitgeistig gesteuert wäre eine mögliche Antwort. Schlicht blind eine andere, nicht sehend genug, um den gut versteckten Pop-Appeal zu finden. Ist »Murray Street« relativ leicht zugänglich, so war »NYC« ein Koloss, nahe an den Improvisationsarbeiten von SY, geprägt von undurchdringlichen, atonalen Gitarrewänden und wunderbar poetischen Vocals – aber eben meist vorgetragen ohne catchy vocalline.
Die wahre Schönheit ist im Verborgenen, es gilt sie zu suchen, sie findet einen nicht von selbst. Und auch wenn in der Murray Street die Schönheit den Hörer überfällt, so ist das nicht negativ zu sehen, einer völlig umwerfenden Frau ergibt man sich ja auch ganz gerne völlig willenlos – aber über Musikkritiker sollte schon noch weiter diskutiert werden.
Sonic Youth
Murray Street
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