Detroit, ewiger Mythos. Ein paar Spotlights dazu waren bereits in skug #81 über Underground Resistance zu lesen. Im Buch von Mathias K. Hanf oszilliert alles entlang jener Bruchlinien, die die Musikmaschine zum Transponder ihrer Tanzseele werden ließen. Also den Geist in der Maschine zum Tanzen zu bringen. Hanf stellt dieses »monotone Genre« der »menschlichen Seele« gegenüber und beschreibt auf 124 Seiten historische, theoretische und popkulturelle Synergien. Der Autor hat American Cultural Studies in München und Washington studiert, Detroit Techno als gesellschaftspolitisches Phänomen lag so quasi auf der Hand. Er macht keine Bandgeschichten, sondern spannt um transatlantische Rhythmus-Verschiebungen den Diskurs über die Maschine und über den Synthesizer als ein Symbol von Widerstand, Befreiung und komplexer Simplizität. Detroit Techno wird hier mit den Methoden der Cultural Studies zu Leibe gerückt. Was mir an »Detroit Techno« besonders gefällt, ist die Verschaltung von historischem Erbe, Urbanismus- und CS-Ansätzen, die eine weit bessere Standortbestimmung für den »Sound of Detroit« liefern als es musikologische Studien tun könnten. Und speziell im Fall Detroit Techno ja immer schon latent mitgeschwangen; siehe etwa das Sozialengagement von UR. Schließlich beschreibt Hanf Auswirkungen der europäischen (Wieder-)Aneignung und Möglichkeiten des Umgangs mit den musikalischen Nachlässen nach dem Ende des »klassischen« Detroit Techno.
Aber was ist nun die »Seele« dieser Tanzmaschine, wo tritt sie zutage? Aus philosophischer Perspektive lässt Hanf diese Fragen offen. Man mag es gut oder schlecht finden, dass übliche Verdächtige (Deleuze, Lacan, ??) draußen bleiben. Viel mehr geht es um kulturkritische Implikationen bei Gilroy oder Lipsitz. Allerdings: Dass unter dem Signet des tanzenden Körpers ein Befreiungsgestus stattgefunden hat, ist ebenso wenig ein Spezifikum des Detroit Techno wie die (gänzliche) Affirmation des Materiellen – siehe etwa Disco. Auch wenn die Maschine die Hautfarbe des Produzenten dahinter nicht erkennt, die Logiken der Plattenindustrie tun es. Thematische Vorschläge für die zweite Auflage: Das Verhältnis von Religiosität, Sozialpolitik und Detroit Techno an den Beispielen Mike Banks und Robert Hood oder »Black Diaspora« und das Körperverständnis bei Drexciya. Denn der Strang »Afrogermaniac« (Chaos) wird hier nur ab und an gestreift.
Fade Out: Ein gut recherchiertes, ambitioniertes und in durchwegs flottem Englisch verfasstes Buch mit umfangreichem Quellenverzeichnis, das um Pop-Theorie ebenso bemüht ist wie Fan-Schreibe nicht aus den Augen zu lassen. Ideale Einstiegsliteratur. Als Wermutstropfen bleibt der für dieses Kompendium sehr stolze Preis.
Mathias Kilian Hanf: »Detroit Techno: Transfer of the Soul through the Machine«
Saarbrücken: VDM 2010, 124 Seiten, ca. EUR 50