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La frontière de l‘ aube – Zwischen Tag und Nacht

Liebe, Wahnsinn, Tod und die Flucht vor dem wirklichen Leben sind die zentralen Themen von Philippe Garrels aktuellem Film.

Mit »Die Grenze zum Tagesanbruch« kann »La frontière de l’aube« übersetzt werden. An dieser Grenze bewegen sich auch die Charaktere in Garrels Film. Es sind junge Erwachsene, am »Morgen« ihres Lebens, keine »ausgereiften« oder gefestigten Persönlichkeiten (sofern dies ein Lebensziel sein kann oder sein soll), gefühlsmä&szligig schwankend zwischen hell und dunkel. Es ist die Geschichte zweier Liebesbeziehungen des Fotografen Francois, die erzählt wird. Francois – dargestellt von Garrels Sohn Louis – lernt bei einem Fototermin die Schauspielerin Carole (Laura Smet) kennen, die beiden werden ein Paar. Auf Carole lastet tiefe Traurigkeit, oft trinkt sie zu viel. Mit Francois ist sie so glücklich, wie sie es eben sein kann. Nachdem er den Kontakt zu ihr abbricht, verzweifelt sie, verübt einen Selbstmordversuch. Erst nach geraumer Zeit besucht Francois sie im Krankenhaus, ist aber sofort bereit, sie von dort zu entführen, was vom Klinikpersonal prompt verhindert wird. Danach herrscht wieder Funkstille von Seiten des (Ex-)Geliebten. Caroles zweiter Suizidversuch ist »erfolgreich«. Die Wucht dieses Schlages wird Francois erst viel später treffen.

Die Tote im Spiegel

Die tote Geliebte taucht plötzlich wieder auf, zunächst in Francois‘ Träumen, dann als gespenstisches Bild im Spiegel. Caroles Erscheinung fordert Francois auf, ihr, seiner wahren Liebe, zu folgen. Kurz vor der Hochzeit mit seiner schwangeren Freundin Eve (Clémentine Poidatz) stellt sich Francois der Wahl zwischen zwei Frauen. Eine Wahl, die freilich eine zwischen Leben und Tod ist. Natürlich gibt uns Garrel keine platte psychologische Studie, zwar wird es wohl das schlechte Gewissen des Halden sein, das Carole wiederauferstehen lässt, was geschieht wird aber nicht erklärt. Die Geschichte hat nur insofern mit Psycho-Analyse zu tun als Garrel mit La frontière… auf surrealistische Vorbilder rekurriert. Traum- Phantasie-, Kunstwelten werden in dieser Anschauung gleich oder vielleicht auch höher bewertet als die so genannte Realität.

Entweder/Oder

Francois Affinität zum Abbild kommt auch durch seinen Beruf als Fotograf zum Ausdruck. Das Bildnis wird in der Dichotomie des traditionellen (westlichen) Denkschemas ohnehin dem Weiblichen zugeordnet, so wie die Nacht, Passivität oder auch die Schrift … im Gegensatz zum männlich konnotierten Begriffen wie Original, Tag, Aktivität, gesprochenes Wort. Ein Dazwischen ist nicht vorgesehen. Diese Ordnung fordert ein Entweder-Oder, Trennung, Entscheidung. Aus Sicht der konventionellen Denkart wäre Francois‘ Handeln als feige zu bewerten, als Flucht vor dem richtigen Leben.

»La frontière de l’aube« (R: Philippe Garrel; Frankreich/Italien 2008)
Derzeit im Kino

Home / Kultur / Film

Text
Jenny Legenstein

Veröffentlichung
02.06.2009

Schlagwörter

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