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The Very Pleasure

»Kongress der Unvernunft«

Geco Tonwaren/Hoanzl

Zwischenzeitlich dachte ich, dass es The Very Pleasure (TVP) gar nicht mehr gibt, und dann das: »Kongress der Unvernunft« (KDU), das seit langem angekündigte Album mit einem treuherzig vom Cover blickenden Fritz Ostermayer im Tatortreiniger-Anzug mit Micky-Maus-Ohren, ist fix und fertig. Das Duo Fritz Ostermayer/Oliver Welter (Naked Lunch) expandierte mit dem »ideellen« Mitglied Hans Schabus (Korg MS20, dilettantisch) sogar zum Trio, und holte sich für »KDU« noch mehr oder minder naheliegenden Support. Dass Christoph Grissemann mit einem Spoken-Word-plus Sound-Stück dabei ist, verwundert kaum, die Kärnten-Fraktion mit Richard Klammer und Herwig Zamernik ist auch plausibel, doch ein gewisser Alfred Schefberger an der Ukulele (Kindergartenfreund von Fritz O.) ist eine Ûberraschung. Von den zehn Lectures auf dem Kongress sind sechs aus eigener Feder (d. h. Ostermayer). Der Rest würdigt Alltime-Hero Lee Hazlewood (»Pour Man«), Borderline-Singer-Songwriter Daniel Johnston mit dem herzzerreißenden »True Love Will Find You In The End«, John Cale mit »Chorale« vom legendären Live-Album »Sabotage«, die 2014 unendlich uncoolen Procol Harum mit »Homburg«, sowie im finalen Song »Idiots Now« – man staune! – Italo-Pop/Rockstar Gianna Nannini. All das wird dargeboten auf Basis möglichst billig klingender Konservenbeats und Laptopsounds (plus Blubbern und Ufo-Geräusch von Schabus), bei denen man unweigerlich an die schmierigen Alleinunterhalter an Kirtagen denken muss, die schon mal einen Kleinen sitzen haben, um diese Tristesse leichter zu ertragen. Doch genau darum geht es bei TVP auch, um den vielzitierten schmalen Grad zwischen Erhabenheit und Lächerlichkeit, das leidende Ich/Subjekt, das singen muss, um dem »Skandal Leben« etwas entgegenzusetzen. Gesungen wird ohne Ironie vorzugsweise von den Schmerzen und Freuden der Liebe sowie von der Freundschaft, konkret zwischen Fritz O. und O. Welter sowie dem »gesamten Freundeskreis« (Labelinfo). Dabei darf textlich schon mal geschweinigelt werden wenn es von Herzen kommt, und das tut es bei KDU ausnahmslos. Die völlig verschiedenen Singstimmen von Fritz O. und O. Welter harmonieren bestens, zumindest wenn man Ostermayers Destruktions-Grummeln kombiniert mit der grandiosen Stimme Welters für sich als stimmig erkannt hat. Das wichtigste ist sowieso das Herzblut, und das wird mal mit mehr Nachdruck (besonders in »Homburg« und »Chorale«, das die Freundschaft explizit zum Thema hat ), dann wieder zurückgenommener, literweise ausgeschüttet. Am intensivsten in den leiseren Passagen in »Idiots Now«, das nahtlos in Nanninis »Fotoromanza« mit der für einen auf politische Korrektheit Konditionierten kaum packbaren Textzeile »Quest‘ amore e una camera a gas« übergeht. Mit »Sordid Pleasures« ist auch ein exzellenter, zweisprachiger Song als Single ausgekoppelt, zu dem es im Web ein schräges Mäuse-Video zu bestaunen gibt. Pop, Kitsch, Trash, Dadatexte, Melancholie und maximale Ergriffenheit gebären ein ohne Vergleich dastehendes Ungeheuer.

 

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